Bauwerk

Erweiterung Hauptschule Rattenberg
Architekt Daniel Fügenschuh ZT GmbH - Rattenberg (A) - 2011

Lernen in der Kiste

Der Zubau für die Hauptschule Rattenberg, Tirol: ein cooles Ambiente für die Schüler, trotzdem eine würdige Ergänzung des klösterlichen Bestandes. Und das alles mit einem Hauch Retro-Charme.

1. Oktober 2011 - Franziska Leeb
Der Innsbrucker Architekt Daniel Fügenschuh (Jahrgang 1970) begab sich mit seinem Vater einst zwecks Suche eines passenden Gymnasiums auf eine Tour durch mehrere Innsbrucker Schulen. Am damals noch jungen Gymnasium Reithmannstraße, geplant vom Architektenpaar Charlotte und Karl Pfeifer, imponierten dem jungen Fügenschuh die Modernität der Anlage sowie die Großzügigkeit der Gangflächen, und somit entschied das Gebäude die Schulwahl. Wie sehr Schulgebäude Persönlichkeiten und Karrieren prägen, würde sich schwer nachweisen lassen. Den Geruch seiner Schule, bestimmte Lichtverhältnisse, Räume, die eingeschüchtert haben, oder solche, in denen man sich frei fühlte, kann aber wohl kaum jemand aus seiner Erinnerung löschen.

Aus dem jungen Fügenschuh wurde immerhin einer der viel versprechenden Architekten der jüngeren Tiroler Generation. Noch als Student hat er seinen Eltern ein bemerkenswertes Haus in Igls geplant, um dann Architektenlehrjahre bei West 8 in Rotterdam und Michael Hopkins in London zu verbringen. Seit einigen Jahren wieder zurück in Innsbruck, kann er bereits auf ein respektables eigenes Werk verweisen. Sein erster Schulbau – eine Erweiterung der Hauptschule Rattenberg – ging kürzlich in Betrieb.

Seit den 1970er-Jahren ist die Hauptschule im ehemaligen Augustinerkloster, einem ab dem Ende des 14. Jahrhunderts errichteten Klosterkomplex, zwischen Stadtzentrum und Innufer untergebracht. Schon damals wurde ein neuer Trakt mit Turnsaal und darüber liegenden Klassen angebaut, der mit dem historischen Ensemble einen zur Stadt hin orientierten U-förmigen Hof umschließt. Das Feuerwehrhaus, das sich als „letzter Schandfleck“ der Stadt mitten auf dem Platz befand, musste weichen, um den sieben zum Wettbewerb geladenen Projektanten Raum für einen Erweiterungsvorschlag zu bieten. An Funktionen waren vor allem Infrastruktur für die Nachmittagsbetreuung der Kinder gewünscht, neue Umkleiden für den Turnsaal, ein zusätzliches Klassenzimmer und ein Kreativraum, der in der Ausschreibung noch etwas despektierlich „Bastelraum“ genannt wurde. Aus architektonisch-städtebaulicher Sicht war ein „Beitrag zur Bereinigung einer stadträumlichen Schwachstelle von Rattenberg“ gefragt, bei dem „Kontinuität im Sinne eines Weiterbauens“ Gegenstand des architektonischen Diskurses sein sollte. Ein Gegenstück, kein Gegenteil zum Bestand, so die Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes, sollte der notwendige Erweiterungsbau werden.

Daniel Fügenschuh verstand es unter allen Wettbewerbsteilnehmern am besten, die notwendige neue Kubatur in jeder Hinsicht schlank zu halten und den Neubau so zu integrieren, dass viel Fläche im Freien erhalten bleibt. Oberflächlich gesehen, könnte man meinen, er hat nicht mehr gemacht, als eine schlichte Kiste parallel zum Anbau aus den 1970ern gestellt und die notwendigen Anschlüsse an den Bestand hergestellt zu haben. Aber was für eine Kiste! Und wie er sie mit dem Rest verwirkt, sodass auch die Nahtstellen attraktive Raumkonfigurationen werden! Raffiniert in der Materialisierung, in den Details und mit Räumen, die womöglich vieles von der Freiheit und Großzügigkeit vermitteln, die der Schüler Fügenschuh in den 1980er-Jahren in seiner Schule erfahren hat, wirkt der Zubau wie ein selbstverständlicher Teil des Ganzen und kein aus der Raumnot geborener Annex.

Der dreigeschoßige neue Flügel ergänzt die mächtige Klosteranlage respektvoll, aber ohne Scheu. Die Felder der äußeren Hülle der zweischaligen Betonkonstruktion bilden eine präzise austarierte Gliederung, die durch die feldweise unterschiedlichen Methoden der Oberflächenausbildung – schalglatt, poliert und gestockt – unterstützt wird. Das große quadratische Fenster wird mit seiner Umrahmung aus Kupfer zu einem Schule und Öffentlichkeit, Alt und Neu integrierenden Symbol.

Auf den ersten Blick wirkt der Zubau zur Stadt hin monolithisch und verschlossen, bietet aber mit seiner freien Erdgeschoßzone variantenreiche Möglichkeiten einer verschränkten Bespielung von Innenraum, überdachtem Freibereich und Platz. Den überdeckten Freibereich, der zum Beispiel als Freiluftklasse – eine Möblierung dafür ist in Arbeit – genutzt werden kann, geht über in das Foyer im zweigeschoßigen verglasten Gelenk, das den Neubau mit dem Turnsaaltrakt verbindet. An der Außenseite öffnet sich der einem gründlichen Lifting unterzogene Turnsaal Richtung Klostergarten und erweitert somit nochmals das mögliche Aktionsfeld ins Freie. Generell löst sich in der Art der Verschränkung die von außen als additiv wahrgenommene Aneinanderreihung von Turnsaal, Verbindungs- und Erschließungsglied und Betonriegel in ein wie selbstverständlich wirkendes Raumkontinuum auf. In erster Linie ist dies der Tatsache zu danken, dass Fügenschuh in der bestehenden Kubatur viele vorhandene „tote“ Flächen aktiviert hat. Die existierende Galerie des Turnsaals, die ehemals schwer zugänglich und nicht adäquat bespielt werden konnte, wurde zum Luftraum über dem Foyer hin geöffnet. Flächen für die Nachmittagsbetreuung mit einem zentralen blockhaften Tresen für die Essensausgabe sind auf dieser Ebene um den neuen Lichthof angeordnet.

Eine nonchalante Eleganz kennzeichnet alle offenen Bereichen und den Turnsaal, der auch extern und für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. In den Klassenräumen dominiert eine durchaus unbeschwerte Robustheit, der man einen gewissen Retro-Charme nicht absprechen kann: Die Wandtextur bildet die Lattenstruktur der Stulpschalung im naturbelassenen Beton ab, die im Zusammenspiel mit der Holzwollestruktur der Dämmplatten an der Decke akustisch vorteilhaft und optisch einfach lässig wirkt.

Erst wenige Wochen ist der Zubau in Betrieb – wie er den Schulbetrieb verändert und Persönlichkeiten zu prägen imstande ist, lässt sich also noch nicht sagen. Klar ist, dass hier einer sein gesamtes Wissen und sein ganzes Gespür dafür, was Schule sein kann – pädagogisch, gesellschaftlich, kulturell – in diesem Annex konzentriert hat.

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