Bauwerk

Unternehmenszentrale Bestattung und Friedhöfe Wien
DMAA - Wien (A) - 2012

Ein Haus der Lebenden

Das neue Gebäude für die Zentralverwaltung der Wiener Friedhöfe zeigt Haltung. Über ein untypisches Werk von Delugan-Meissl.

16. Juni 2012 - Liesbeth Waechter-Böhm
Delugan-Meissl – oder korrekt: DMAA, Delugan Meissl Associated Architects –, die Zweite. Nach dem Filminstitut in Amsterdam, von dem erst kürzlich die Rede war, ist nun das Gebäude für die Zentralverwaltung der Wiener Friedhöfe fertig. Es steht exakt gegenüber von Tor zwei des Zentralfriedhofs, auf einem Gelände, wo vorher fast nichts war, und es zeigt Haltung. Haltung in Bezug auf den urbanen Kontext, die Simmeringer Hauptstraße ist nicht gerade ein Highlight unserer Stadt, Haltung in Bezug auf das historische Gegenüber von Tor zwei des Wiener Zentralfriedhofs, das zweifellos Respekt verdient, vor allem aber Haltung in Bezug auf die Nutzer, ob es nun Mitarbeiter oder Kunden sind. Hier kommt man nicht zum Spaß her, hierher kommt man, wenn man einen Todesfall in der Familie hatte.

It's not like Delugan-Meissl. So streng hat man dieses Architekturbüro noch nie erlebt, so ganz unorganisch, so unheimlich rigide. Von außen ist das Haus fast quadratisch, von innen hat es den Zuschnitt eines U. Aber das sieht man von außen nicht, weil die Fassade aus vertikal gereihten, formal vollkommen unsystematisch entwickelten, weißen Aluminium-Sandwichpaneelen eine Gebäudehaut bildet, die dem großen Volumen architektonisch eine Fassung gibt. Allerdings löst sich diese weiße, sehr strenge und in keinerlei Regelmäßigkeit nachvollziehbare Haut aus den plastischen Paneelen – sie haben Körper, das Material lässt sich biegen und knicken – manchmal von den dahinter liegenden Bürogeschoßen ab. Die sind nämlich in schwarzem Putz, mit schwarzen, bündig sitzenden Fensterbändern und getöntem Glas. Der Kontrast zur weißen, glatten Fassadenhaut könnte nicht besser funktionieren.

Das ist schon deswegen bemerkenswert, weil es in Wahrheit um einen ganz gewöhnlichen Verwaltungsbau geht. Und Bürohäuser basieren nun einmal auf einem ziemlich primitiven Raster. Diesen Raster durch eine vollkommen unsystematische Fassadenstruktur zu verunklären, nicht mehr lesbar zu machen, obwohl trotzdem alles hinsichtlich der Nutzung hervorragend gelöst ist, das kann man als kleines Kunststück ansehen. Die Entscheidung für eine solche Lösung war aber nicht bloß eine formalistische Laune der Architekten. Da stecken viele Überlegungen dahinter. Städtebauliche sowieso, denn als verantwortungsbewusster Architekt kann man an die Simmeringer Hauptstraße, noch dazu gegenüber von Tor zwei, nicht irgendein Bürohaus hinstellen. Und den Menschen, die als Kunden hierherkommen, muss man einfach einen räumlich seriös und ernsthaft wirkenden Rahmen bieten, der ihrer momentanen, durch einen Todesfall überschatteten Situation gerecht wird. Das Haus, deutlich abgerückt vom Straßenverlauf selbst, hat eine rundum verglaste (getöntes Glas) Sockelzone, über die die beiden Obergeschoße mit der weißen Fassade hinausragen. Man betritt es von der Simmeringer Hauptstraße, und dieser Zugang ist ausgesprochen gut gelöst. Ganz draußen alte Bäume, dann eine neue Grüngestaltung mit Rasen und Birken, die das Weiß der Fassade zitieren, unter dem auskragenden Obergeschoß hindurch der Haupteingang. Diese Differenzierung im Übergang von außen nach innen, diese Art einer architektonischen Schleuse, die ist wirklich gelungen. Und dann kommt man hinein – und der Raumeindruck ist überwältigend.

Es ist eine sehr große Halle, in der der Kundenverkehr abgewickelt wird. Wie gesagt, man kommt hinein über diesen Zwischenbereich eines überdachten Außenraums, wo man schon einen ersten Blick auf schauerliche Grabsteine werfen kann, betritt den räumlich niedrigeren, unmittelbaren Empfangsraum, aber visuell ist man gleichzeitig mit dieser großartigen Halle konfrontiert. Hier findet die umfassende Kundenberatung statt. Gleich dahinter angelagert ist ein Ausstellungsraum für Urnen und Särge – die wiederum als designerischer Alptraum gelten dürfen, den aber auch die Gestaltungsangebote der Architekten nicht relativieren konnten –, ebenfalls angelagert liegen seitlich spezielle, unterschiedlich dimensionierte Besprechungsräume.

Diese Halle mit Oberlicht und Sheds, die eine Höhe von über 1,20 Metern haben und durchaus plastisch ausgebildet sind, wobei auch eine Rolle spielt, wie sie im Winkel zur oberbelichteten Decke aus einem speziell gerasterten Glas stehen, die entfaltet eine erstaunlich intensive Raumwirkung. In dem Fall konnten die Architekten auch das Mobiliar entwerfen – im weiteren Haus haben sie nur Empfehlungen ausgesprochen –, dieses Mobiliar ist flach, sehr flach, gegliedert, um nicht zu sagen: zerschnitten durch die nutzungsbedingten Vorgaben, jedenfalls bringt es den Raum zum Leuchten.

DMAA haben sich auf keinerlei Klischee eingelassen, das hierzulande immer noch in Bezug auf Trauerfälle gilt. Es ist ein Haus für die Lebenden, ob sie nun Kunden oder Mitarbeiter sind: sehr hell, sehr freundlich, sehr großzügig. Es kommen nur wenige Materialien vor – weiße Wände und viel Glas, bedruckt mit gepixelten Bäumen, was man allerdings kaum nachvollziehen kann, in den halböffentlichen Bereichen auch viel Holz, etwa als Eichenparkett, weiß gekalkt und geölt, auf dem Boden, oder in einer etwas kräftigeren Färbung an den Wänden; in den beiden Obergeschoßen, im reinen Bürobereich liegen dann Teppichböden; die weißen Gipskartonwände stoßen nicht direkt an die Fassade, ein breiter Glasstreifen bewältigt diesen Übergang; die Glastüren zu den Büros haben in Kopfhöhe eine mattierte Fläche, sodass man den Blicken der Vorübergehenden nicht ausgeliefert ist. Natürlich haben alle Büros räumlich einen Zuschnitt, der sie für die Mitarbeiter angenehm macht. Und die Architekten waren bei der Entwicklung der Grundrisse geschickt genug, um die Gänge – sie laufen immer aufs Tageslicht zu – so zu verschwenken, dass an den Knotenpunkten räumlich aufgeweitete Kommunikationszonen entstehen. Eine Hervorhebung verdient die sogenannte Kantine, ein sehr eleganter Raum, den man für Veranstaltungen auch buchen kann; und sicher müssen die Terrassen erwähnt werden, also jene Schnittstellen, wo sich die weiße Gebäudehaut von den schwarzen Putzfassaden der Bürotrakte ablöst. Ein Gebäude häutet sich, neue (Frei)Räume entstehen. Und man versteht, dass die Menschen diese Arbeitssituation lieben.

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