Bauwerk

Blumenhalle St. Veit / Glan
frediani-gasser architettura - St. Veit an der Glan (A) - 2009
Blumenhalle St. Veit / Glan, Foto: Ferdinand Neumüller
Blumenhalle St. Veit / Glan, Foto: Ferdinand Neumüller
Blumenhalle St. Veit / Glan, Foto: Ferdinand Neumüller

Eine edle Schachtel

Eine Mehrzweckhalle, so ein diffuses Ding, das alles können soll. In St. Veit an der Glan ist ein edles Exemplar zu besichtigen – hoch funktional und von selbstverständlicher Eleganz.

16. Januar 2010 - Liesbeth Waechter-Böhm
Eine Blumenhalle für „Funder-City“.„Funder-City“, das ist St. Veit an der Glan in Kärnten, wo schon 1939 das erste Faserplattenwerk Österreichs entstand, wo die Coop Himmel- b(l)au 1988/89 einen dekonstruktiven baulichen Akzent setzte und wo seit dem vergangenen Jahr auch ein neues angewandtes Beispiel der Produktpalette aus dem Haus Fundermax – in Szene gesetzt von Frediani + Gasser Architettura – zu besichtigen ist.

Das Städtchen hat einen bezaubernden Altstadtkern, aber der ist natürlich längst zugebautes Terrain. Stadtentwicklung kann also nur peripher stattfinden. Dort stehen sie dann auch, die Wohnbauten und was sonst noch zur Nutzung solcher vormals brachliegenden Flächen gehört. Allerdings hat der womöglich visionäre Bürgermeister von St. Veit, Gerhard Mock, dafür gesorgt, dass sich selbst hier, an der Peripherie, die nur 500 Meter von der Altstadt entfernt liegt,spezifischere Nutzungen ansiedeln. Es geht ihm offensichtlich darum, dem Areal ein gewisses Image zu verschaffen.

Eine erste Maßnahme bestand im Bau des Blumenhotels, das spado architects gemeinsam mit ogris.wanek architects 2008 fertig gestellt haben. Es ist als Konferenz- und Seminarhotel konzipiert, was einen zweiten Schritt notwendig machte: Es wurde ein Veranstaltungsort gebraucht, der die räumlichen Ressourcen für größere Events auch dem Hotelbereich zur Verfügung stellt, der aber gleichzeitig kulturelle und gesellschaftliche Schnittstelle für die Bewohner von St. Veit sein sollte. Eine Mehrzweckhalle war gefragt, so ein diffuses, unscharfes architektonisches Ding, das alles können soll und nie wirklich stringent definiert ist. Gianluca Frediani und Barbara Frediani-Gasser haben eine Schachtel gebaut.

Allerdings ist diese ziemlich edel ausgefallen, sie kann viel, und inzwischen weiß man, dass sie auch sehr gut funktioniert – vielleicht mit Ausnahme hochsommerlicher Bedingungen, da wird es trotz Querdurchlüftung manchmal recht heiß. Was aber nicht den Architekten zur Last gelegt werden kann, die haben vorausschauend alle Vorkehrungen für die Installierung einer Klimaanlage getroffen, es liegt an den budgetären Möglichkeiten. Dieses Defizit wird sich über kurz oder lang sicher lösen lassen.

Das Haus ist als Landmark inszeniert. Ein Quadrat mit 40 Metern Seitenlänge, relativ flach. Die Sockelzone ist weitgehend transparent, die Fassade eine freie Improvisation in Max-Platten. Farblich dominiert von einem Bordeauxrot, das sich auch bei der Bepflanzung der asymmetrisch angelegten, sehr streng geometrisierten Beete im befestigten und recht großzügigen Vorplatz findet. Denn dort wächst neben Lavendel und Taglilien auch roter Fächerahorn.

Man kommt, wie gesagt, über einen sehr attraktiven Vorplatz zum Gebäude. Es gibt ganz schlichte Sitzbänke, abends von unten effektvoll beleuchtet. Das Open-Air-Forum für gesellschaftliche Auftritte wurde also gekonnt bewältigt. Wenn man eintritt, ist es nicht viel anders. Links und rechts vom Windfang setzen zwei variabel – etwa als Empfangspult und als Bar – nutzbare Implantate in Schneckenform einen Akzent, 13 kreisrunde, unterschiedlich dimensionierte Lichtkuppeln ermöglichen bei Tag und Nacht attraktive Lichteffekte. Hier, im Foyer, ist die Decke abgehängt, die Raumhöhe beträgt nur sechs Meter. Aber das ist genau die Differenzierung, die es braucht, um die räumliche Steigerung zum neun Meter hohen Saal erlebbar zu machen.

So ein Foyer ist – neben der Bühnenfläche für gesellschaftliche Auftritte – vor allem eine Schleuse zwischen draußen und dem eigentlichen Innenraum. Hier hat dieser Übergang eigene räumliche Qualitäten, wodurch er theoretisch auch gesondert nutzbar wäre. Und die Architekten haben durch ihre Materialentscheidung für gerostetes Eisen – etwa beim Windfang und den implantierten „Schneckenhäusern“ – für eine ausgesprochen delikate Überraschung gesorgt. Diese Oberflächen bilden einen krassen Gegensatz zur ruhigen Flächigkeit der weißen Wände, aber auch des – im Fächerahorn-Rot gehaltenen – Mobiliars.

Der Saal ist mit seinen neun Metern Höhe, 18 Metern Breite und 30 Metern Länge so dimensioniert, dass sitzend 600 und stehend maximal 1000 Personen Platz finden. Es gibt eine präzise gesetzte Verglasung in der Sockelzone, die auch abgedunkelt werden kann. Eine Verkleidung mit Akustikpaneelen im Sockelbereich (2,50 Meter hoch) und die wundervolle Faltung der Akustikdecke aus weißem Gipskarton – Origami-Kunst im besten Wortsinn, jede Faltung berechnet vom Akustiker Karl Bernd Quiring – liefern beste schalltechnische Voraussetzungen. Auch das große, den Raum dominierende, von den Architekten zusammen mit dem Grafikdesigner Dieter Wolf entwickelte Bild – es zeigt kreisrunde Farbfelder, die man als abstrahierte Blumen interpretieren könnte – hat mit der Raumakustik zu tun. Dahinter verbergen sich schallschluckende Kastenelemente. Und natürlich sind die Längswände des Saals nicht einfach senkrecht, sondern ganz leicht – nur um drei Grad – nach außen gekippt.

Die Akustikmaßnahmen tangieren die räumliche Wirkung des Saals nicht, sie befördern sie eher. Die Decke ist ausgesprochen reizvoll und die weißen Paneele im Sockelbereich wirken auch als „Distanzhalter“ zum Sichtbeton darüber. Letzterer musste übrigens nachbehandelt werden, weil er nicht so perfekt gelungen ist, wie sich das Architekten wünschen.

In funktioneller Hinsicht kann der Saal sicher alles, was man von einer solchen Einrichtung erwartet. Der schwarze Bühnenbereich lässt sich vollständig abbauen, dann fährt der Vorhang an die Rückwand, und der Saal kann zum Beispiel für eine Ballveranstaltung genutzt werden. Auch die Anlieferungs- und Lagermöglichkeiten sind wohl durchdacht. Eine nicht öffentliche Raumschicht enthält Hinterbühne, Probenräume und Künstlergarderoben.

Das Haus wirkt wie aus einem Guss. Was sicher damit zu tun hat, dass die Architekten beim Farbkonzept und der Einrichtungsplanung völlig freie Hand hatten. Dadurch kommt im Foyer – bordeauxrote Sitzmöbel, Tischplatten hochglänzend und weiß (Max) – eine Atmosphäre selbstverständlicher Eleganz zustande, dadurch erhält aber auch der Saal eine eigene, ungewöhnliche Note. Denn dort sind die Sitzreihen – ein italienisches Serienprodukt – weiß, was im Theater eigentlich nicht üblich ist. Dafür korrespondieren sie mit dem Weiß der Faltdecke und der Sockelzone und kontrastieren zum warmen Braun des Nussbodens.

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