Bauwerk

Sanatorium Purkersdorf - Umbau
Wolfgang Rainer - Purkersdorf (A) - 2002

Alter Glanz und neuer Nutzen

Das Sanatorium Purkersdorf wurde als Seniorenresidenz wieder eröffnet und erhielt neue Annexbauten.

7. Juni 2003 - Franziska Leeb
Es zählt zu den bekanntesten Pionierwerken der Moderne, aber auch zu den am nachlässig behandeltsten. Radikal klar in der Formensprache und zusammen mit den eigens entworfenen Wiener-Werkstätte-Möbeln als Gesamtkunstwerk konzipiert, hat es Josef Hoffmann 1904-1906 im Auftrag des Industriellen Victor Zuckerkandl als moderne Kuranstalt von großer Noblesse realisiert. Schon zwei Jahre danach begann die unrühmliche Geschichte der Verschandelung und Vernachlässigung des „Sanatorium Westend“ in Form einer Aufstockung, die das Gesamtbild empfindlich störte. Es folgten die Enteignung durch die Nationalsozialisten, Plünderungen und Zerstörung. Es diente als Kriegslazarett, später als Krankenhaus und Altersheim und stand ab 1984 leer.

Vor drei Jahren hat der Wohnbauträger BUWOG den Hoffmann-Bau und das dazugehörige Areal erworben und eine Verwendung gefunden, die den geschundenen Bau in Würde weiterbestehen lässt. Er dient nun als Seniorenpflegeresidenz, eine Nutzung die dem ursprünglichen Zweck verwandt ist. Wirtschaftliche Tragfähigkeit und denkmalpflegerische Tragbarkeit galt es unter einen Hut zu bringen, und so erhielt der außen und innen picobello restaurierte Hoffmann-Bau einen neuen Nachbarn. Insgesamt verantwortlicher Architekt ist Wolfgang Rainer, der bereits in den Neunzigerjahren für den damaligen Eigentümer das Areal beplante. Damals erfolgte auch die Wiederherstellung der äußeren Hülle durch Architekt Sepp Müller, der auch jetzt eingebunden war.

Der Zubau ist über den historischen Wandelgang mit dem Hoffmann-Bau verbunden und beeinträchtigt diesen überraschend wenig. Zu deutlich hebt er sich ab, zu wenig dick trägt er auf, um den bedeutenden Nachbarn zu stören. Mit drei Vollgeschoßen und einem zurückspringenden Dachgeschoß ordnet er sich in seiner Ausdehnung unter. Die Mittelachse betonen gläserne Anbauten, in denen sich Gemeinschaftsräume (vorne) und das Stiegenhaus (hinten) befinden. Die Zimmer öffnen sich auf barrierefrei zugängliche Loggien. Glasbrüstungen sorgen dafür, dass auch bettlägrige Bewohner Ausblick haben. Auch der rückwärts an den Wandelgang angebaute Cafépavillon fügt sich als Teil des neu geschaffenen Ensembles gut ein. Kurz- um handelt es sich bei den Zubauten um eine solide Gegenwartsarchitektur, der man das Bemühen um funktionelle Qualität - wie kurze Wege und Übersichtlichkeit - und proportionale Ausgewogenheit ablesen kann.

Ein einzigartiger, eleganter Pionierbau, ein moderner Zubau, ein schöner Park - könnten sich betagte Menschen, die es sich leisten können, mehr wünschen, als den Lebensabend in solch einem Ambiente zu verbringen? Könnten sie. Zum Beispiel eine Zimmereinrichtung, die der Hochwertigkeit und Eleganz des Hoffmannschen Gesamtkunstwerks gerecht wird. Für die gesamte Innengestaltung der neuen Zubauten sowie der Zimmer im Hoffmann-Bau zeichnen weder Architekt Wolfgang Rainer noch die BUWOG verantwortlich. Sie oblag ganz den Wünschen des Betreibers namens „Kräutergarten Seniorenresidenz“. Das Denkmalamt pochte zwar bei den öffentlich sichtbaren und zugänglichen Bereichen auf möglichst originalgetreue Wiederherstellung, nahm aber ansonsten noch auf die Ausstattung keinen Einfluss. Nicht dass Sie mich falsch verstehen: Billig ist die Einrichtung nicht, und es stört grundsätzlich auch nicht, dass sie heutigen Erfordernissen entspricht. Was schmerzt, ist, dass sie keinen Funken von der Stilsicherheit und Klasse des noblen Sanatoriums Westend hat. Jugendstilig gemusterte Vorhänge, quadratische Wandpaneele und unmotiviert verteilte Intarsien im Linoleumboden sind eher Zeugen eines groben Missverständnisses denn von großem Einfühlungsvermögen. Trotz dieses Wermutstropfens: Gut, dass gerettet wurde, was zu retten war, dass eine sinnvolle Nutzung gefunden wurde und dass Architekturtouristen nicht mehr fassungslos kopfschüttelnd davor stehen und fragen, warum ein reiches Land, eine angeblichen Kulturnation, mit ihren Perlen der Baukunst nichts anzufangen weiß.

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