Bauwerk

Bauernhaus M1
cp architektur - Jois (A) - 2015
Bauernhaus M1, Foto: Philipp Kreidl

Architekturpreis des Landes Burgenland 2018

14. Dezember 2018 - newroom
Der typisch burgenländische Streckhof in Ecklage auf leicht ansteigendem Gelände umfasst ein giebelseitig an der Hauptstraße liegendes Wohnhaus mit angebautem Presshaus und eine Scheune als gegenüberliegenden Abschluss. Ursprünglich als Feriendomizil gedacht, bewohnt die Familie den Hof nun ganzjährig und die Kinder gehen im Ort zur Schule. Nicht nur dies ist eine Bereicherung für den Ort.

Sobald wir das große Tor an der Straße von innen hinter uns geschlossen haben, finden wir uns in einem kleinen Universum wieder: Unser Blick führt entlang der langen Steinmauer, die den Garten vom angrenzenden Gässchen trennt, und wird leicht aufwärts gelenkt zur geheimnisvoll anmutenden, ein wenig geöffneten Scheune. Aber zuerst betreten wir zentral das niedrige langgezogene Wohnhaus. Treppauf und treppab reihen sich ebenerdig der Länge nach kleine Räume aneinander, beginnend mit dem straßenseitig gelegenen Gästezimmer, in dem die alte Tramdecke erhalten wurde (wir können es auch riechen) über den Wohnraum mit idyllischem Ausguck auf die bewachsene Steinmauer bis zur Küche mit offenem Dachstuhl und vorausgeschaltetem Freiplatz. Einzig die Schlafzimmer, über eine stählerne Wendeltreppe quasi durch den Kamin der ehemaligen Rauchkuchl (auch das riechen wir) erschlossen, liegen darüber im Dachgeschoß. Ein fließender Wechsel von auf und ab, von hoch und nieder, von eng und weit, innen und außen, alt und neu. Nichts passiert abrupt, dennoch überraschend.
Und dann: Die Scheune.

Das doppelflügelige, die gesamte Front ausfüllende, Scheunentor steht halb offen. Wir treten ein. Ausgeräumt. Nur Steinmauern und Dachstuhl sind geblieben, durch vereinzelt gesetzte Glasziegel dringen punktuell die letzten Sonnenstrahlen ins Innere und spielen auf der Wasserfläche des Schwimmbeckens, das die Hälfte der Grundfläche für sich einnimmt. Über der anderen Hälfte schwebt – kaum merkbar erschlossen – ein Kubus aus Kistensperrholz, gibt stimmungsvollen Raum für Ruhe und Gäste und überraschende Blickbeziehungen. Beim Hinausgehen wirft die sanft beleuchtete Wasserfläche ihr Lichtspiel in den Dachstuhl zurück.

Wir möchten an jedem einzelnen Fleck verweilen, seine Besonderheit erspüren. Die einzige Ausnahme bildet die – wie auch immer motivierte – riesige Badezimmergaupe im Dachgeschoß – aber die ist längst verziehen, als wir das große Tor an der Straße von außen hinter uns geschlossen haben. (Text: Klaudia Ruck, Jurytext Architekturpreis des Landes Burgenland 2018)

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