Bauwerk

Hotel Obir Reception
Ilija Arnautović - Eisenkappel-Vellach (A) - 1967
Hotel Obir Reception, Foto: Gerhard Maurer
Hotel Obir Reception, Foto: Gerhard Maurer

Schwe­ben über den Grä­ben

Das leers­te­hen­de Ho­tel Obir im Kärnt­ner Ort Bad Ei­sen­kap­pel (Že­lez­na Ka­pla) er­zählt von da­mals und heu­te, von Tei­lung und Ver­söh­nung. Ei­ne Kul­tur­ini­tia­ti­ve und ein Ar­chi­tek­turs­tu­dent ent­wi­ckeln Ide­en für das Ge­bäu­de.

29. Oktober 2016 - Maik Novotny
Die Ter­ras­se ist über­wu­chert, der dun­kel­ro­te Putz blät­tert ab. Das Fens­ter­glas ist mil­chig ge­wor­den, durch den Lift­schacht tropft das Re­gen­was­ser. Auf der Glas­fass­ade ne­ben dem Ein­gang er­zäh­len bun­te Auf­kle­ber von frü­her: Deut­scher Tou­ring Au­to­mo­bil­club, Au­to­Va­kan­tieR­ei­zen, YU­GO­TOURS. Die Glas­tür da­ne­ben ist mit Ket­ten ver­schlos­sen. Das letz­te Mal, als hier je­mand ein­ge­checkt hat, ist lan­ge her. Seit 13 Jah­ren steht das Ho­tel Obir im Kärnt­ner Ort Bad Ei­sen­kap­pel schon leer.

Rück­blen­de in die 1970er-Jah­re. Ver­wa­ckel­te Su­per-8-Bil­der, von ei­nem Hob­by­fil­mer fest­ge­hal­ten. Rau­chen­de Bau­ar­bei­ter gie­ßen Be­ton in die Scha­lung, ne­ben dem Kirch­turm wächst ein Roh­bau in die Hö­he. Auf dem Ge­rüst strahlt ein agi­ler Herr mitt­le­ren Al­ters kurz in die Ka­me­ra. Er heißt Il­ja Ar­nau­to­vić und ist der Ar­chi­tekt des Ge­bäu­des. 1976 ist das Ho­tel fer­tig, im März 1977 wird es fest­lich er­öff­net, auch hier war die Ka­me­ra da­bei: Kö­che ste­hen mit ro­sig-pro­pe­ren Ge­sicht­ern in schüch­ter­nem Stolz hin­ter Buf­fets mit fet­tem Sieb­zi­ger­jah­re-Es­sen.

Für vie­le ist der brand­neue ter­ra­kot­ta­ro­te Ku­bus mit sei­nen 48 Zim­mern ein Grund zur Freu­de. Für an­de­re ist er ein mo­der­ner Fremd­kör­per im Ort und ein Aff­ront ge­gen den be­nach­bar­ten Kirch­turm, des­sen Hö­he er bei­na­he er­reicht. Doch vor al­lem ist er für sie das „Ju­go-Ho­tel“. Bad Ei­sen­kap­pel, be­zie­hungs­wei­se Že­lez­na Ka­pla, liegt 15 Ki­lo­me­ter von der ju­gos­la­wi­schen Gren­ze ent­fernt, rund 40% der Ein­woh­ner ge­hö­ren zur slo­we­ni­schen Volks­grup­pe. Über die Din­ge, die ge­gen En­de des Zwei­ten Welt­kriegs in den „Grä­ben“ um den Ort ge­sche­hen wa­ren, wird ei­sern ge­schwie­gen.

„STOP JU­GO BE­TRIE­BE“ lau­ten die Auf­kle­ber, die im Ort zu se­hen sind, die Wirt­schaft des Or­tes ist weit­ge­hend nach Volks­grup­pen ge­trennt. Die slo­we­ni­sche Zell­stoff­fa­brik, das deut­sche Wirts­haus. Das deut­sche Ho­tel, das slo­we­ni­sche Ho­tel. In die­ser kom­pli­zier­ten, schat­ten­rei­chen Ge­schich­te wirkt das Ho­tel Obir mit sei­ner adria­ti­schen Op­tik wie ein Ver­spre­chen des Süd­ens, des in­ter­na­tio­na­len Tou­ris­mus. Für die Geg­ner kommt es ei­ner kom­mu­nis­ti­schen In­va­si­on gleich, es kur­si­ert das Ge­rücht, der Bau stam­me aus ei­ner Se­rien­pro­duk­ti­on iden­ti­scher Stan­dard­ho­tels.

Da­bei ist das Obir ein­deu­tig maß­ge­schnei­dert für sei­nen Ort. Schließ­lich war Il­ja Ar­nau­to­vić kein an­ony­mer Zei­chen­knecht, son­dern ein längst eta­blier­ter Ar­chi­tekt, der sich mit gan­zen Stadt­vier­teln, et­wa in Lju­blja­na, ei­nen Na­men ge­macht hat­te. Auch das Ho­tel Obir birgt ei­ne Fül­le von Raf­fi­nes­sen: Im Erd­ge­schoß ein of­fe­nes Raum­kon­ti­nu­um, das für Res­tau­rants und Fes­te al­ler Grö­ßen ein­teil­bar war, da­rü­ber schwebt der vier­stö­cki­ge Bet­ten­trakt, oben und un­ten zur Py­ra­mi­de ab­ge­schrägt, was ihm et­was so Ele­gan­tes wie Raum­schiff­haf­tes ver­leiht, die über Eck ge­zo­ge­nen Fens­ter der Zim­mer bie­ten den Ur­lau­bern wei­te Aus­bli­cke ins schma­le Tal. Ein Schwe­ben über den Grä­ben, ein Zei­chen des Op­ti­mis­mus. Und tat­säch­lich wur­de das Ho­tel in den Folg­ejah­ren zum Zei­chen der Ver­söh­nung.

„Je­der Ei­sen­kap­pler hat im Ho­tel Obir Fes­te ge­fei­ert, die Di­sco im Un­ter­ge­schoß war ein Fix­punkt un­se­rer Tee­na­ger­jah­re“, sagt Bürg­er­meis­ter Franz Jo­sef Smrtnik heu­te, im Trach­ten­sak­ko vor dem mo­der­nen Bau ste­hend. „Für mich ist die Ar­chi­tek­tur des Ho­tels kein Fremd­kör­per, son­dern et­was Be­son­de­res.“ Smrtnik selbst ver­kör­pert den Wan­del des Or­tes wie kaum ein an­de­rer: Als Ju­gend­li­cher noch für das Ab­krat­zen der An­ti-Ju­go-Auf­kle­ber ver­prü­gelt, ket­te­te er sich im Orts­ta­fel­streit an das zwei­spra­chi­ge Stra­ßen­schild und wur­de 2009 Ös­ter­reichs er­ster Bürg­er­meis­ter aus der slo­we­ni­schen Volks­grup­pe.

Ein Wie­der­be­le­bungs­ver­such

Die Ära des ge­mein­sa­men Fei­erns im Ho­tel war da schon zu En­de: 2003 wur­de es ver­kauft, nach­dem der Sohn des Be­trei­bers tra­gisch ver­un­glückt war, die nach­fol­gen­den Be­sit­zer wuss­ten nicht wirk­lich et­was da­mit an­zu­fan­gen. Die Au­ßen­wän­de sind dünn und un­ge­dämmt, die Zim­mer für heu­ti­ge Be­dürf­nis­se zu klein. Doch ei­ni­ge en­ga­gier­te Ei­sen­kap­pler be­mü­hen sich seit Jah­ren um ei­ne Zu­kunft des Ge­bäu­des. „Im Ho­tel Obir fand al­les statt, von der Hoch­zeit bis zum Im­ker­ball, wir ha­ben ge­tanzt bis in die Früh,„ er­in­nert sich auch An­dre­as Jer­lich, Mit­be­grün­der des Kul­tur­ver­eins Ki­no­Krea­tiv­Kul­tur­ak­tiv. „Sol­che Treff­punk­te gibt es heu­te nicht mehr.“

Ei­nen Wie­der­be­le­bungs­ver­such star­te­te der Ver­ein im Mai 2013 mit dem Pro­jekt „Ho­tel Obir Re­cep­ti­on“: Für zwei Wo­chen hol­te man Künst­ler in den Ort, die je­weils ein Ho­tel­zim­mer als Aus­stel­lungs­raum nut­zen durf­ten. Das sorg­te für reich­lich Be­su­cher und Auf­merk­sam­keit, so­wohl in Bad Ei­sen­kap­pel als auch über den Ort hin­aus, und hauch­te dem ver­las­se­nen Bau wie­der Le­ben ein. Ein neu­er Käu­fer tauch­te je­doch nicht auf, auch wenn, wie An­dre­as Jer­lich an­merkt, der Ver­kaufs­wert dank der Kul­tur sprung­haft an­stieg.

Zum 40. Ge­burts­tag des Ho­tels hat der Ar­chi­tek­turs­tu­dent Lu­kas Vej­nik, des­sen Va­ter im Ort die Ga­le­rie des Kul­tur­ver­eins be­treibt, ein Fest or­ga­ni­siert. Auch er sucht Ant­wor­ten auf die im­mer noch of­fe­ne Fra­ge zur Zu­kunft des Ho­tels. „Seit der Kunst­ak­ti­on 2013 kom­men im­mer wie­der Leu­te zu uns, die un­be­dingt das Ho­tel be­sich­ti­gen wol­len, und auch die Tou­ris­ten blei­ben auf ih­ren Spa­zier­gän­gen ste­hen und fra­gen, was das für ein Ge­bäu­de ist.“

Ei­ne Re­ak­ti­vie­rung in al­ter Funk­ti­on muss es nicht un­be­dingt sein, so Vej­nik. „Das Ho­tel Obir könn­te ei­ne Rol­le für die Re­gi­on über­neh­men – aber da­zu muss es mehr sein als ein­fach wie­der ein Ho­tel. Un­ser Ziel ist ei­ne Zwi­schen­nut­zung für zwei oder drei Jah­re. Gleich­zei­tig könn­te man ei­nen run­den Tisch eta­blie­ren, um lang­fri­sti­ge Ide­en zu er­ar­bei­ten. Es ist ein Bau­denk­mal in War­tesch­lei­fe, und wir wol­len die War­tesch­lei­fe be­en­den.“

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