Bauwerk

Volksschule Absam Dorf
Schenker Salvi Weber - Absam (A) - 2016

Plus an Platz

Absamer Optimierungen

Ein Solitär, ein Tiefbau und ein Dachausbau: Für die Erweiterung der Volksschule in Absam, Tirol, verstanden es die Architekten Schenker Salvi Weber, Flächen- und Raumressourcen geschickt zu nutzen.

22. April 2017 - Franziska Leeb
Von „solider Bauart und Einrichtung“ sei das Absamer Schulhaus, wussten die „Innsbrucker Nachrichten“ anlässlich der Einweihung des Gebäudes im Oktober 1905 zu berichten. Eine vorausschauende Einschätzung, denn noch immer ist im altehrwürdigen Gebäude, das am nordwestlichen Ortsrand mit etwas Abstand zum Friedhof errichtet wurde, die Volksschule Absam-Dorf untergebracht. In den Jahren 1978 bis 1980 wurde der alten denkmalgeschützten Schule ein neues Gebäude, das Kindergarten sowie Musikschule beherbergte, beigestellt. Von weitaus weniger wertbeständiger Qualität als das alte Haus war es schon länger in einem schlechten baulichen Zustand; auch in der alten Volksschule entsprach manches – etwa der kleine Turnsaal – nicht mehr dem Stand der Technik. Rund 5000 Quadratmeter auf einer freien Fläche zum westlich angrenzenden Friedhof und im Süden des Bestandes wurden daher verfügbar gemacht, um Kinderkrippe und Kindergarten, eine Musikschule, eine Turnhalle und entsprechende Freiräume unterzubringen. Jeder Teil des Neubauprogrammes sollte separat funktionieren, aber an die Schule, die von den Neubauten möglichst nicht in ihrer Fernwirkung beeinträchtigt werden sollte, angebunden sein.

„Wir brauchten eine dienliche Architektur, die sich hier einordnet“, beschreibt Bürgermeister Arno Guggenbichler die Herausforderungen an die Architekturbüros, die sich 2013 am EU-weit ausgelobten Architekturwettbewerb beteiligten. Das in Wien ansässige Büro Schenker Salvi Weber war das einzige, das vorschlug, die Sporthalle völlig unter die Erde zu bringen. Mit diesem Befreiungsschlag konnte auf der knappen Fläche oberirdisch viel Freiraum gewonnen werden: einerseits um einen Platz für die Schulkinder und die Öffentlichkeit zu schaffen, andererseits um mit dem Neubau den denkmalgeschützten Bestand nicht in Bedrängnis zu bringen.

Mit Abstand zur Schule, an der Grundstücksgrenze zum Friedhof, wurde der Kindergarten in einem zweigeschoßigen Solitär situiert, der durch das Gefälle des Bauplatzes nach Norden nur eingeschoßig in Erscheinung tritt. Zwischen den beiden Bauten führt eine Freitreppe, an deren Antritt sich der Blick auf den Turm der spätgotischen Basilika St. Michael eröffnet, nach unten, wo sich der neue Platz nach Süden und zum Dorf hin weitet. Von der Turnhalle im Untergrund ist außer dem von einer Sitzbankgesäumten Oberlichtband, das den Platz nach Süden abschließt, nichts zu sehen. Die Weite und Ruhe des von DnD Landschaftsplanung (Anna Detzlhofer und Sabine Dessovic) gestalteten Platzes fördern die hellen Betonfelder auf dem Boden und die Platzwände nach Norden und Westen bildenden Fassaden von Schule und Kindergarten.

Der Altbau wurde im Zuge der Sanierung farbig etwas aufgehellt, der Holzbau der Schule mit einem weißen Kratzputz versehen. Geglättete Faschen um die locker verteilten größeren und kleineren Öffnungen verleihen ihm eine unaufgeregte Lebendigkeit und binden ihn durchaus harmonisch in das von Putzfassaden geprägte dörfliche Ambiente ein.

Um einen zentralen Luftraum mit umlaufender Galerie und Oberlicht ist das Kinderhaus äußerst übersichtlich organisiert. Der Kreativraum kann über die raumhohen Fenstertüren auf den Platz erweitert werden und ist – wie auch der Speisesaal – nicht starr vom restlichen Organismus des Hauses abgeschottet, sondern kann dank Raumteilung durch einen Vorhang mit dem angrenzenden Erschließungsbereich zusammengeschaltet oder davon abschirmt werden.

Die vier verschiedenen Fensterformate auf drei verschiedenen Höhen – von außen könnte man sie als Formalismus deuten – erklären sich im Inneren als wohlgesetzte Bilderrahmen für die Schönheiten der Umgebung, die den Blick auf Kirche oder Friedhof, das Karwendelgebirge im Norden und die Tuxer Alpen auf der anderen Talseite fokussieren. Bei den großformatigen Fenstern mit niedrigen Parapethöhen dienen holzumrandete Gewände zugleich als beliebte Sitznischen.

Helle Töne bilden zusammen mit viel Eichenholz und grobfaserigen Akustikplatten an der Decke einen ruhigen Hintergrund. Akzente setzen ab und an die grünen Raumteiler-Vorhänge und sonst nur die Nutzer, deren Spielsachen und kreative Erzeugnisse. Es ist ein wertschätzendes Ambiente, in dem die Absamer Kinder und Pädagoginnen arbeiten dürfen; keines, das die Institution Kindergarten verniedlicht. Das drückt sich auch im Mobiliar aus, das von den Architekten entworfen und in sorgfältiger Tischlerarbeit ausgeführt oder bei einer Tiroler Manufaktur geordert wurde.

Die Sporthalle dient nicht nur dem Schulsport, sondern auch den Sportvereinen der Gemeinde. In den Zugängen dominiert Sichtbeton, der den Höhlencharakter betont. Die Halle selbst ist mit einem Spielfeld aus Eichenparkett und Prallwänden aus Birke als hölzerne Schatulle in die Betonwanne eingelegt. Dank verschiedener Raum-und Blickbezüge wie dem Oberlicht über dem Gang hinter der Tribüne, Öffnungen zum Stiegenhaus oder Fenstern im Geschoßeverbindenden Kletterschacht ist die Sportwelt im Untergrund vom Rest des Geschehens nicht völlig abgeschlossen.

Ursprünglich sollte im Neubau auch die Musikschule untergebracht werden. Da sich aber im Planungsprozess der Bedarf an Kindergartenplätzen erhöhte und sich im riesigen Dachraum der denkmalgeschützten Schule einiges Ausbaupotenzial anbot, wurde kurzerhand die Musikschule dorthin verlegt. Das Dach wurde von außen nach innen bauphysikalisch ertüchtigt und zwecks Belichtung mit Dachfenstern – eine Reihe knapp am First, eine direkt über dem Kniestock – versehen. Entlang des Mittelganges belichten die oberen Fenster jeweils über einen in die Tiefe führenden Trichter einen Übungsraum auf der Gegenüberliegenden Dachseite, in der gleichen Achse liegt das Ausblick bietende Fenster im Raum. Im erschließenden Mittelgang wird durch diese verschränkte Anordnung strickmusterartiges Geflecht erzeugt. Die sichtbar gebliebenen Dachbalken wurden weiß gestrichen und die Deckenuntersichten mit weiß lasierten Holzlatten verkleidet. Erneut wurde solide gearbeitet – im Bestand ebenso wie im Neubau, im Detail ebenso wie städtebaulich –, und so ist das neue Ensemble nicht nur den Nutzern, sondern auch dem Ortsbild dienlich.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at