Bauwerk

wolf - Wohnbau Wolfshof
GERNER GERNER PLUS. - Wien (A) - 2017
wolf - Wohnbau Wolfshof, Foto: Matthias Raiger
wolf - Wohnbau Wolfshof, Foto: Matthias Raiger

Grüner Block mit Balkonen

Im zwölften Wiener Gemeindebezirk gelang einer privaten Bauherrin gemeinsam mit dem Architekturbüro Gerner Gerner plus ein vorzüglicher Beitrag zur Stadterneuerung. Nachmachen erwünscht!

14. Oktober 2017 - Franziska Leeb
Die Wiener Wolfganggasse ist eine unspektakuläre, aber auffallend grüne Gasse, der eine Allee aus Ahornbäumen und gut gepflegten Grünstreifen eine angenehme Atmosphäre verleihen. Die Bebauung stammt mit wenigen Ausnahmen aus der Gründerzeit. Im Gebäudeblock nördlich der Flurschützstraße ist seit Jahrzehnten ein pharmazeutisches Unternehmen ansässig. Mit der Entscheidung, die Produktion zu verlagern und nur noch das Büro am Ort zu belassen, war das Firmenareal frei für eine neue Nutzung, womit nun in baugeschichtlicher Hinsicht auch die Gegenwart Einzug gehalten hat. Die Bauherrin lud fünf Architekturbüros zum Wettbewerb für einen ökologisch korrekten Wohnbau mit viel Frei- und Grünraum, den das Architekturbüro Gerner Gerner plus für sich entscheiden konnte.

Gegartelt wird in der Wolfganggasse schon länger, zunächst im Zuge eines 2009 von Jutta Wörtl-Gössler initiierten Kunstprojektes, aus dem der Verein „Garten Wolfganggasse“ hervorging, der sich zu einem weit über die Bezirksgrenzen beachteten Nachbarschaftsprojekt entwickelte und für die prächtigen Beete verantwortlich ist. Eine Idylle, die mit einem den gesamten Mittelteil des Blocks zwischen Wolfganggasse und Schallergasse umfassenden Neu- und Umbauprojekt durchaus hätte ins Ungleichgewicht geraten können. Zur Genüge kennt man die Neubau- und Sanierungsprojekte in den Gründerzeitvierteln mit ihren leblosen Erdgeschoßzonen, wo dann mit poppig aufgemotzten Fassaden versucht wird, der Tristesse irgendwie Herr zu werden.

Es geht auch anders, wie das jüngst fertiggestellte Ensemble von Gerner Gerner plus zeigt. Allerdings musste einiges an alter Substanz weichen, wie das aus den 1960er-Jahren stammende Bürohaus an der Wolfganggasse und auch ein parallel dazu gelegenes Gründerzeithaus an der Schallergasse. Beide wurden durch Neubauten, die formal die gleiche Sprache sprechen, ersetzt. Das Haus Schallergasse 42, das im Jahr 1913 als Wohn- und Fabrikshaus für die Spiegelglasfabrik Johann Arminger von Baumeister Jaroslav Bubik erbaut wurde, bildet nun mit den beiden Neubautrakten ein stimmiges Ensemble um einen abwechslungsreich gestalteten Innenhof.

Der „Wolfshof“, so wurde es getauft, gibt sich schon aus der Ferne zu erkennen. Unterschiedlich weit ausgezogenen Schubladen gleich, strecken sich Balkone aus Betonfertigteilen mit integrierten Pflanztrögen oder Pflanztröge allein mehr oder weniger tief in die Luft über dem öffentlichen Gut der Wolfganggasse, als würden sie nach den Baumkronen greifen wollen. Im Erdgeschoß öffnen sich die Büros raumhoch verglast zur Straße und erhalten Sichtschutz durch einen langen Pflanztrog. Die Fassade wurde nicht in ein Wärmedämmverbundsystem gepackt, erstens weil man mit möglichst natürlichen Materialien arbeiten wollte, und zweitens weil der zwölfte Bezirk ein Ziegelbezirk ist, wovon zum Beispiel noch die nahe Remise der Badner Bahn, mit der einst die Ziegelöfen im Süden Wiens mit dem Zentrum verbunden wurden, Zeugnis ablegt. Daher griff man zu einer Dämmung aus Mineralwolle und einer Hülle aus Tonziegelpaneelen. In einem ähnlichen Farbton wie die Balkone gehalten und einem Verlegemuster aus gerillten und glatten Elementen entsteht ein schönes Hell-dunkel-Spiel, das durchaus Verwandtschaften zu historischen Wiener Fassaden aufweist. Denn auchdie waren stets überwiegend monochrom und in diversen hellen, steinfarbenen Tönen verputzt ausgeführt, womit sich auch bei vonHaus zu Haus unterschiedlichen Dekoren und Stilen ein einheitliches harmonisches Stadtbild erzeugen lässt. Es bleibt ein Rätsel, warum in Wien außerhalb der Schutzzonen dem bunten Patchwork, das so viel visuelle Unruhe verursacht, nicht beizukommen ist. Die Gerners haben jedenfalls verstanden, worauf es ankommt.

Balkone sind auch ein Hauptthema im Hof, wo die Fassaden der Neubauten ebenso hochwertig wie an der Straße ausgeführt wurden. Die Wiener Stadtgestaltungsmaxime, dass Stadtbild nur das sei, was man von der Straße aus sieht, fand also nicht Anwendung. Aus dem früheren, mit diversen Nebengebäuden, Abstell- und Rangierflächen zugebauten Hof wurde eine Parklandschaft mit Hochbeeten, Wasserbecken, Liegeflächen sowie einer Sitzstufenanlage. Dazu kommen noch kleinere gestaltete Freiräume wie der Hof des Büros oder der „verborgene Garten“ im Lichthof zur Tiefgarage. Davon profitieren nicht nur die Mieter und Eigentümer des Wolfshofs, sondern auch jene der benachbarten Häuser, für die das neue Ensemble Aussicht, Ambiente und Mikroklima verbessert.

Die Altbautrakte wurden naturgemäß anders behandelt als die Neubauten, was der Harmonie keinen Abbruch tut. Vor die weißen Fassaden gestellte Stahl-Holz-Konstruktionen erweitern die Wohnungen großzügig ins Freie. Im Gegensatz zu den optisch wie haptisch härteren Neubaufassaden wirken sie wie Weichzeichner, was sich noch verstärken wird, sobald die Rankpflanzen hochgewachsen sind. Auch an der ruhigerenSchallergassenseite hat man sich bemüht, der Anlage keinen Hintaus-Charakter zu geben. Auskragende Balkone waren hier nicht möglich, dafür gibt es vorgehängte Pflanztröge, damit das Erdgeschoß nicht zu abgeschottet ist, öffnete es man mit einem großen horizontalen Fenster zur Straße.

Sorgfalt im Detail, aber ohne zu kapriziöszu werden, kennzeichnet auch das Innere. Die 70 Wohnungen sind hochwertig und solide ausgestattet. Von besonderem Flair sind die Lofts im Altbau, wo die Ast-Molin-Rippendecken freigelegt wurden und die Sanitärzellen als niedrigere in den Raum gestellte Boxen den Grundriss gliedern, ohne die Großzügigkeit des Raumflusses zu unterbinden. Erwähnt seien noch ein riesengroßer Fahrradabstellraum und der geräumige Kinderspielraum mit Küche und Sanitärbereich,die zusammen mit dem Hof ein Angebot an gemeinschaftlichen Einrichtungen bereitstellen, wie es im üblicherweise zunächst aufRendite bedachten frei finanzierten Wohnbau in solchem Umfang und solcher Qualität äußerst selten ist.

In nächster Nähe steht die Entwicklung des Areals um den aufgelassenen Betriebsbahnhof der Wiener Lokalbahnen, die ihre Anlagen nach Wien-Inzersdorf übersiedeln, an. Die professionellen Entwickler im Eigentum der Stadt sind gut beraten, sich am privaten Wolfshof ein Vorbild zu nehmen.

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