Bauwerk

Landesklinikum Mödling
Habeler & Kirchweger Architekten, Architekt Katzberger - Mödling (A) - 2019

Drei Höfe zum Heilen

Ein Krankenhaus ist ein besonderer Ort, an dem Menschen in Ausnahmesituationen aufeinandertreffen. Genauso speziell ist auch die Errichtung eines Spitals, da es bestimmte Bedingungen erfüllen muss. Ein gelungenes Beispiel: das Landesklinikum Thermenregion Mödling.

13. März 2020 - Christian Kühn
Der Entwurf von Krankenhäusern ist die Königsdisziplin der Architektur; zumindest treffen bei keiner anderen Bauaufgabe derart unterschiedliche Herausforderungen zusammen. Ein modernes Krankenhaus ist technisch anspruchsvoll wie ein Hightech-Industriebau; es muss den Komfort eines gehobenen Hotels mit Gastronomie und entsprechender Logistik bieten; und es ist ein atmosphärisch besonderer Ort, an dem Menschen in Ausnahmesituationen zusammentreffen – kurzzeitiger Lebensraum für Patienten und dauerhafter Arbeitsplatz für Spezialisten, vom Pflegepersonal über die Ärzte bis zu den Haustechnikern, deren gutes Zusammenspiel im Ernstfall über Leben und Tod entscheidet.

Das Krankenhaus in Mödling ist ein mittelgroßes Haus mit 351 Betten in 150 Zimmern, realisiert um Errichtungskosten von 158 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Klinik Floridsdorf in Wien – ehemals Krankenhaus Nord – bietet etwas mehr als doppelt so viele Betten, ist aber mindestens achtmal so teuer. Mit dem Krankenhaus Nord hat das Krankenhaus Mödling nicht nur einen Namenswechsel zum Schickeren gemeinsam – es heißt heute Landesklinikum Thermenregion Mödling –, sondern auch ein ähnliches Geburtsjahr: Der Wettbewerb für das Landesklinikum wurde 2007 entschieden, jener für die Klinik Floridsdorf im Jahr 2008. Beide gingen vergangenes Jahr, also nach rund zwölf Jahren Bauzeit, in Betrieb.

Die Ursachen für die lange Bauzeit könnten aber nicht unterschiedlicher sein. Bei der Klinik Floridsdorf liegen sie in der gefürchteten Grauzone zwischen Inkompetenz und Korruption, die auch für die Kostenüberschreitung verantwortlich war. In Mödling ergab sich die Bauzeit aus der Tatsache, dass es sich zwar um einen kompletten Neubau handelt, dieser aber auf dem Areal des bestehenden Krankenhauses errichtet wurde, das während des Baus in Betrieb bleiben musste. Der Bau entstand daher in mehreren Etappen, zwischen denen bestehende Bauteile abgebrochen wurden – eine logistisch enorme Herausforderung an die Planer wie das Team des Hauses.

Dass dieses Haus heute dasteht wie aus einem Guss, ist auf das klare funktionelle und gestalterische Konzept seiner Architekten zurückzuführen. Hier war ein Team am Werk, das schon früher im Krankenhausbau zusammengearbeitet hatte. Paul Katzberger und Mike Loudon errichteten 2001 mit dem Medizinzentrum Anichstraße in Innsbruck einen richtungsweisenden Krankenhausbau, einen großen städtischen Block mit einem teilweise überdachten, teilweise begrünten Innenhof, der mit einem „Stadtfenster“ aufwartet, einer über zwei Geschoße reichenden Öffnung des Hofs zur umgebenden Altstadt von Innsbruck. Ein ähnlich hoher Anspruch vom Städtebau bis zum Detail ist charakteristisch für die Projekte der beiden Architekten, zu denen in Mödling Josef Habeler und Anton Kirchweger als Partner im Büro Loudon hinzukamen. Die örtliche Bauaufsicht erfolgte durch die Arge Moser/Pfeil. Das Konzept für das Krankenhaus Mödling nimmt den Innsbrucker Hoftyp auf und addiert ihn zu einem Ensemble dreier Hofhäuser, die in den Obergeschoßen über kurze Brücken verbunden sind. Das Projekt hat sich seit dem Wettbewerb 2007 deutlich weiterentwickelt. Waren damals drei identische vierstöckige Hofhäuser mit einem verbindenden, in die Fläche greifenden Sockelgeschoß geplant, so reduzierte sich die Anlage im ausgeführten Projekt auf drei leicht differenzierte Hofhäuser und eine eingeschoßige, großzügig belichtete Verbindungshalle. Die Halle hat einen angenehmen Maßstab und bietet vom Empfang aus direkten Blick auf die drei Liftgruppen, die zu den Stationen führen. Die Liftgruppen wirken in der Eingangshalle im Erdgeschoß wie frei stehende Körper; in den Obergeschoßen nehmen sie dagegen einen für den Typus des Hofhauses ungewöhnlichen Ort ein, nämlich die Ecke. So etwas wie einen Erschließungskern aus Liften und Treppe kann es in diesem Konzept nicht geben, denn der läge mittig im Haus. Stattdessen erlaubt es die Ecklage, die Lifte und eine einläufige Treppe als großzügige, natürlich belichtete Vorzone zu den Stationen mit Blick ins Freie auszubilden.

Diese Stationen sind konventionell angelegt. Auffällig sind etwas breitere Korridore als üblich und viel Holz an den Oberflächen. Die Stützpunkte der Stationen sind als frei stehende Pulte ausgeführt. Im größten der drei Blocks, bei dem diese Stützpunkte in einer Dunkelzone liegen würden, sichern zwei kleine begrünte Lichthöfe den Kontakt zur Außenwelt. Alle Patientenzimmer haben Blick in die Umgebung. Zum Hof hin liegen Nebenräume und Aufenthaltsräume für Personal und gehfähige Patienten. Der Blick in den Hof ist aber alles andere als langweilig, wenn man etwas genauer hinsieht. Die Architektur von Paul Katzberger und Mike Loudon ist eine Architektur der leisen Töne, eine „fade“ Architektur, wobei „fade“ in dem Sinn zu verstehen ist, wie es François Jullien in seinem Buch „Über das Fade – eine Eloge“ in Bezug auf Denken und Ästhetik in China beschrieben hat: das „Fade“ als der Moment, in dem noch fast alles möglich ist, einen letzten, minimalen Schritt entfernt vom intensiven Ausdruck, der in diesen Moment des „Faden“ zurückleuchtet. Dieser Haltung verdankt sich unter anderem die Materialwahl der Außenfassade, eine Kombination aus Klinkerziegeln und Kunststeinelementen. Letztere sind wie Notenlinien über die Fassade gezogen, über denen die minimal unterschiedlich gebrannten Ziegel ihre Melodie spielen. Diese ruhige, aber alles andere als eintönige Ziegeloberfläche findet sich auch an wichtigen Punkten im Innenraum, zum Beispiel als Ummauerung der Lifte. Für den Einsatz eines derart porösen und daher haptisch ansprechenden Materials im Krankenhaus war ein zeitgemäßes Hygienekonzept Voraussetzung.

In jedem der drei Hofhäuser ist ein Raum pro Geschoß für die Haustechnik bestimmt, die einen Schacht im Ausmaß eines Doppelzimmers in Beschlag nimmt. Dieses Krankenhaus ist auch eine gigantische Maschine, für deren Wartung fünf Haustechniker nötig sind. Sie füllt die Kellergeschoße aus, von wo sich Kilometer an Leitungen mit zigtausenden Ventilen nach oben verzweigen – technische Blutgefäße und Luftröhren in wunderbar klaren, gut proportionierten Baukörpern.

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