Bauwerk

Volksschule Preding
projektCC - Preding (A) - 2018

Auf der Schule spielen

Klassen mit viel Durchblick, flexible Räume und Bezug zur Natur. Eine kunterbunte Schule bekommt eine kontrapunktische Ergänzung: Welches Denken lernt man hier?

6. Juni 2020 - Christian Kühn
Dreißig Minuten, das ist für österreichische Pendler eine mittlere Distanz. So lange braucht die U2 von der Seestadt Aspern zum Karlsplatz; so lange dauert es mit dem Pkw von Preding in der Steiermark ins Zentrum von Graz. Man merkt Preding diese Nähe an. Die Gemeinde mit heute knapp 1800 Einwohnern ist seit 1990 um 200 Personen gewachsen. Preding hat zwei Zentren: eines mit Kirche, Kindergarten und Gemeindeamt und ein zweites mit Billa, Kreisverkehr, Raiffeisenbank und Admiral Sportsbar. Industrie- und Gewerbebauten entstehen, wo es sich gerade ergibt. Wer wissen will, warum Österreich zu den Ländern mit dem stärksten Schwund von Grünland zugunsten von Bauland gehört, findet hier zumindest einen Teil der Erklärung.

Das Schulzentrum von Preding besteht aus Volksschule, Mittelschule und Musikschule, Ende der 1970-Jahre zehn Gehminuten außerhalb des Ortskerns errichtet. Die Mittel- und Volksschule waren typisch für den Schulbau ihrer Zeit: eine Aneinanderreihung identischer Klassenzimmer, ein schlichter Baukörper mit flachem Satteldach. Vor rund zehn Jahren wurde sie renoviert, mit steileren Dächern versehen und in allen Nuancen des Regenbogens gefärbelt. Gäbe es einen Wettbewerb für die bunteste Schule Österreichs, wäre die Mittelschule Preding klare Favoritin.

Bei der Volksschule entschied sich die Gemeinde ein paar Jahre später für Abriss und Neubau, nicht nur aus bautechnischen Gründen, sondern vor allem um sich von der pädagogischen Zwangsjacke des Bestands zu befreien. Die Schule sollte weiterhin vierklassig bleiben, in zwei Einheiten zu je zwei miteinander enger verbundener Klassen. In einer dieser Doppeleinheiten sollte ganztägig „verschränkt“ unterrichtet werden, das heißt, dass die Kinder auch nachmittags an der Schule lernen und nicht „nur“ Freizeit haben. Dieses Angebot richtet sich an berufstätige Eltern; wer sein Kind lieber zu Mittag aus der Schule holt, kann es in der anderen Doppeleinheit anmelden.

Ganztägige Schulformen erhöhen die Anforderungen an den Schulraum, den der italienische Bildungsreformer Loris Malaguzzi als den „dritten Pädagogen“ – neben Mitschülern und Lehrern – bezeichnet hat. Um diese Idee zum Leben zu erwecken, reicht es nicht, das Schulhaus bunt einzufärben. Die Schule muss ein „Instrument“ werden, auf dem die Lehrer, aber auch die Schüler gemeinsam spielen können. Es braucht dafür flexibel nutzbare Räume für unterschiedliche Lernarrangements.

In Preding war eine offene Lernzone gefordert, mit eigenen Bereichen für das Werken und die Nachmittagsbetreuung und einem frei bespielbaren „Projektraum“. Ebenso wichtig war im pädagogischen Konzept der Schule der Bezug zur Natur, als Blickbeziehung, aber auch als Option, im Freien mit den Kindern zu arbeiten. Im Jahr 2016 schrieb die Gemeinde in Kooperation mit der Architektenkammer einen geladenen Wettbewerb mit acht Teilnehmern aus. Die meisten Beiträge schlugen eine zweigeschoßige Lösung vor; das Siegerprojekt der Grazer Architekten Harald Kloiber und Christian Tabernig, die gemeinsam als ProjektCC firmieren, beschränkt sich auf ein Geschoß, das im Westen der Kontur des Grundstücks folgt und im Südosten gemeinsam mit der Mittelschule einen großzügigen Vorplatz schafft. Von hier aus erreicht man in separaten Eingängen Volks- und Musikschule. Die Orientierung der Klassenräume ist unorthodox: Sie blicken nach Nordwesten, aber in einen schönen Nachbargarten. Licht erhalten sie trotzdem mehr als ausreichend, da die Außenwände der Schule zum größten Teil aus Glas bestehen. Viele zarte Stahlstützen und einige wenige Stahlbetonwände tragen ein Dachtragwerk aus weit gespannten, im Innenraum sichtbaren Holzunterzügen, auf denen eine massive Decke aus Brettsperrholzplatten aufliegt. Nach außen wird diese Konstruktion von einer Verblechung geschützt, die als breites, horizontal gelagertes Band um das gesamte Gebäude läuft. Hinter dieser Verblechung ist Platz für den Sonnenschutz, der bei Bedarf herunterfährt und das Haus vor Überwärmung schützt. Eine komplizierte Haustechnik konnte und wollte man sich nicht leisten; die Querlüftung hat sich im Betrieb auch im Sommer als ausreichend erwiesen.

Farbig versucht der Neubau einen Kontrapunkt zur grellbunten Bestandsschule zu setzen: Das Blechband ist in leuchtendem Magenta lackiert, an das sich viele in der Gemeinde erst gewöhnen mussten. Dass „kunterbunt“ sich etymologisch aus dem Begriff „Kontrapunkt“ ableitet, wird hier deutlich. Vielleicht hängt die Neigung der Gemeinde zu solchen Kontrasten auch mit der Musikalität zusammen, die hier Tradition hat. Der Musiksaal schwebt als Abschluss des Neubaus im Süden über dem Gelände. Hier könnte auch ein kleines Symphonieorchester proben, mit schönem Blick in die Landschaft. Vom Vorraum der Musikschule aus erreicht man über eine Wendeltreppe den Sportbereich im Untergeschoß, der zum Altbestand der Mittelschule gehört.

Die Architekten haben hier eine vom Volumen her kleine, aber sehr anspruchsvolle Aufgabe mit Bravour gelöst, was angesichts des niedrigen Budgets von 2,6 Millionen Euro eine besondere Leistung ist. Die Erfahrung im industriellen Holzbau, etwa bei Projekten wie dem Sportpark Graz, wo sie einen 50 Meter weit gespannten Trägerrost aus Holz zum Einsatz brachten, ist ihnen dabei sicher zugute gekommen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie in Preding Glas, Holz, Beton und Stahl mischen, je nachdem, welches Material sich gerade am besten eignet, hat aber eine eigene Qualität. Ob das Ergebnis auch zum experimentellen und wilden Denken anregt? Die vergleichbare, zehn Jahre ältere Volksschule in Bad Blumau von Feyferlik/Fritzer ist bei ähnlichem Materialmix im Detail deutlich experimenteller. Ein Vergleich der beiden Schulen aus der pädagogischen Praxis wäre eine Untersuchung wert.

Erfreulich ist, dass eine kleine Gemeinde so viel Wert auf ihre Schulräume legt und daraus die Konsequenz zieht, das beste Projekt über einen anonymen Architekturwettbewerb zu suchen. Gut vorbereitet, ist das immer noch der Königsweg zur Qualität. Auch der Bund hat sich in seinem jüngst neu aufgelegten Schulentwicklungsplan, der bis 2030 eine Investition von 2,4 Milliarden Euro in den Bundesschulbau vorsieht, zu diesem Weg bekannt. Für die Gemeinden sollte er eine Selbstverständlichkeit sein.

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