Bauwerk

Sektrüttelhaus Bründlmayer
cp architektur - Langenlois (A) - 2019
Sektrüttelhaus Bründlmayer, Foto: Philipp Kreidl
Sektrüttelhaus Bründlmayer, Foto: Philipp Kreidl

Mehr Würde für den Sekt

Willi Bründlmayer leistete in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit – auch als Bauherr. Das neue Sekt-Rüttelhaus des Weinguts Bründlmayer in Langenlois etabliert einen neuen Bautypus und nimmt zugleich historische Bauelemente auf.

24. Juli 2020 - Franziska Leeb
Die Weinkellerei Bründlmayer baut auf dem historischen Keller der Vorfahren auf. Ein Rundgang durch den Betrieb in Langenlois ist eine Zeitreise durch die Geschichte und ein Lehrstück zur Tradition des landwirtschaftlichen Weiterbauens. Ökonomisch, funktionell und im Einklang mit der Landschaft. Das ist bei den heutigen Produktionsmethoden und Betriebsgrößen gar nicht so einfach. Für die temperaturkontrollierte Gärung in Stahltanks, die Reifung, Flaschenabfüllung, Lagerung und Vertriebslogistik sind die alten Presshäuser und Kellerröhren längst nicht mehr geeignet. Nachdem Willi Bründlmayer in den 1980er-Jahren den elterlichen Betrieb übernommen hatte, entschied er sich, auf ökologische Bewirtschaftung zu setzen. Ein Schritt, der damals ebenso wenig selbstverständlich war, wie einen Architekten für die Erweiterung des Weinguts zu engagieren.

Freund Helmut Hempel, der für Bründlmayer schon das Wohnhaus als passives Solarhaus plante, zeichnet für den Pionierbau der neuen österreichischen Weinarchitektur verantwortlich. Ein schlichtes weiß verputztes Presshaus, das unter Ausnutzung der Schwerkraft die schonende Verarbeitung der Trauben gestattete. Zeitgleich begann Bründlmayer 1989 Sekt nach traditioneller Methode, in aufwendiger Flaschengärung, herzustellen und stieß damit den Boom der heimischen Winzersekte an. Der zunehmende Erfolg und das Wachsen des Betriebes bedingten 2012 weitere Baumaßnahmen, erneut mit Hempel. Adlerschwingen gleich überspannt seither ein mächtiges Flugdach die Produktionsstätten, doch trotz großer Kubatur ist klar: Hier ging es nicht darum, einen Signalbau für einen Paradewinzer, sondern ideale Produktionsbedingungen zu schaffen und bestmöglich den Einklang mit Umgebung und Natur zu finden.

Mittlerweile ist sowohl beim Weinmachen als auch beim Weiterbauen die nächste Generation am Werk. Christian Prasser (CP Architektur) gestaltete zunächst den Schankbereich des Heurigenhofs im Stadtkern neu. Da der Architekt bereits vor Ort war, schien es sinnvoll, auch gleich das betrieblich notwendige Sekt-Rüttelhaus mit ihm zu besprechen. „Die passenden Ideen kamen sehr rasch, sodass beide Projekte unmittelbar hintereinander verwirklicht werden konnten, was glücklicherweise auch viele Fahrkilometer sparte“, so der Bauherr, der Prasser drei Vorgaben machte: Erstens sollte der Neubau niedrig bleiben, den Nachbarn nicht die Sicht verstellen und harmonisch von der dörflichen Struktur zum bestehenden Betriebsgebäude überleiten. Zweitens galt es möglichst energieautark ein kühles Klima für die edlen Tropfen bereitzustellen, und drittens sollten Baufirmen aus der Umgebung beauftragt werden.

Die Remuage, das Rütteln des Sekts, durch das die Hefe in den Flaschenhals sinkt, erfolgt in Großbetrieben meist maschinell. Das spart Zeit und Platz. Bründlmayer setzt dennoch auf Handarbeit. Ob man das schmeckt? „Eher nicht“, meint der Winzer, „aber es bringt dem Produkt mehr Würde, Respekt und Menschlichkeit entgegen.“ Kopfüber werden die Flaschen in die Löcher der dachförmigen Pulte aus Eichenholz gesteckt und zwei bis drei Wochen lang täglich ein Stück weitergedreht und steiler gestellt, bis beim Degorgieren der Hefepfropfen entfernt werden kann. Architekt Prasser entschied sich dafür, der Prozedur den passenden Rahmen in Form eines klassischen Presshauses zu geben. Um dessen Proportion zu halten, wurde das Volumen zweigeteilt, nach Osten mit einem Versatz versehen und mit einer vorgeblendeten, weiß geschlämmten Ziegelfassade mit abgetreppten Giebeln versehen. Die Neigung der zwei ziegelgedeckten Dächer lehnt sich an jene des parallel dazu liegenden Presshauses an, womit sich die Dachlandschaft des gesamten Anwesens langsam mit sich wiederholenden Formen in die Höhe entwickelt und ein stimmiges Ensemble entsteht. Das ganze Gebäude aus Ziegeln zu errichten wäre wegen der verkehrsbedingten Druckbelastung von der Straße nicht möglich gewesen, zudem liegt der Großteil des Bauvolumens im Untergrund. Die Hülle wurde also in Fertigteilbauweise aus Betonhohlwandelementen errichtet. Die erdberührten Wände des Sektlagers im Untergeschoß blieben ungedämmt, um die Erdkühle nach innen zu bringen. Darüber erhielt der Beton eine Kerndämmung.

Oben, in der zweischiffigen Halle, stehen die Rüttelpulte in drei Reihen. Die Eichenholzverkleidung an der Dachuntersicht nimmt das Material der Rüttelpulte auf, scheibenförmige Hängeleuchten sorgen für warmes Licht. Fast sakral mutet der Raum an. Mit einfachen Mitteln, ohne Schnickschnack, entstand ein Ambiente, das einem der Leitprodukte des Betriebes zur Ehre gereicht und jenen, die darin arbeiten, ein angenehmes Milieu bereitet. Weil jedes Öffnen der Tür und menschliche Körperwärme das konstant kühle Raumklima aus der Balance bringen würden, werden Besuchergruppen nicht ins Innere geführt. Sie erhalten Einblick durch die zwei Fenster an der Stirnseite, wo sich von außen ein Rollo hochfahren und das Licht aufdrehen lässt – ein kleiner Showeffekt. Dem Erhalt des Raumklimas dient auch die von durchlöcherten Holzschwertern, an denen man die Struktur der Rüttelpulte wiedererkennt, gegliederte Rankkonstruktion, deren Bewuchs die Südseite vor der Sonne schützt.

Erweitern oder neu bauen müssen viele Winzer. An den Ortsbildern der Weinbaugemeinden lässt sich ablesen, dass es ihnen oft schwerfällt, die notwendigen Kubaturen zu integrieren und eine formale Sprache zu finden, die den feinen Weinen, die landauf, landab gekeltert werden, gerecht wird. Viel mehr als so manch spektakulärer Bau anderer international renommierter Weinmacher kann das Weingut Bründlmayer ein taugliches Vorbild für eine Vielzahl kleinerer Betriebe sein. Auch die Stadt Langenlois wäre gut beraten, ihr baukulturelles Erbe besser zu pflegen. Nicht nur, wenn es um die historischen Bürger- und Winzerhäuser geht, sondern auch um den Siedlungswildwuchs im Zaum zu halten. So raubt dem Loisium und dem benachbarten Hotel von Steven Holl das stetig wachsende neue Siedlungsgebiet Neue Sonne längst die Ausstrahlung als solitäre Skulpturen in der Landschaft. „Liubisa“ lautet die älteste Form des Stadtnamens, „die Liebliche“ lautet dessen Deutung. Siedlungspolitische und architektonische Lieblosigkeiten sollte man sich schon deshalb nicht leisten.

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