Bauwerk

Krafthaus Zwenewaldbach
Schneider Lengauer Pühringer - Hopfgarten in Defereggen (A) - 2018

Ein gallisches Dorf in Osttirol

Kraftwerk Zwenewaldbach: wie ein kleines Objekt Technik, Wirtschaftlichkeit und Baukultur in sich vereint – und ein Dorf erfolgreich um dezentrale Versorgungshoheit mit erneuerbarer Energie gekämpft hat. Nachrichten aus Osttirol.

1. Januar 2021 - Romana Ring
Es ist nicht alles gut gelaufen im vergangenen Jahr, obwohl viele ihr Bestes gegeben haben. Erfolge und Fehlschläge im Kampf gegen ein Virus, viel Empörung, einiges an Hoffnung und eine unüberschaubare Menge an Ratschlägen, wie man die Krise besser hätte meistern können, haben 2020 geprägt. Und hier ein weiterer Beitrag: Die rechtzeitige Durchdringung unseres Lebens mit den Werten der Baukultur hätte den Umgang mit der Krise zumindest leichter gemacht. So wäre es beispielsweise die nobelste Aufgabe jedes Wohnungsbaus, der die Bezeichnung „sozial“ im Namen führt, das enge Zusammenspiel von Einkommen und Lebensqualität im Falle umfassender Ausgangsbeschränkungen zumindest zu lockern. Doch auch jenseits der guten Gestaltung privaten Wohnraums bietet Architektur zahlreiche Chancen zur Verbesserung jeder, folglich selbst einer pandemieüberschatteten Lebenslage.

Sobald wir an größere Menschenansammlungen und die daraus erwachsenden Gefahren denken, tritt auch die Ausgestaltung der dafür vorgesehenen Räume in unser Bewusstsein. Wie viele Generationen von Lehrern und Schülern haben nicht schon in der mit Treibhausgasen gesättigten Atmosphäre gängiger Klassenräume nach Sauerstoff gerungen! Doch erst seitdem andere Viren in den Aerosolen hängen als die für Schnupfen, Brechdurchfall und Seitenstrang-Angina zuständigen, sind gut durchlüftete (Unterrichts)Räume ein Thema, das sogar Minister zu den Mikrofonen greifen lässt. Es gibt sie schon lange, die Bildungsbauten, in denen sich bei guter Luftqualität konzentriert lernen lässt. Das von Karl und Bremhorst Architekten geplante Bildungszentrum Pregarten etwa ist seit dem Schuljahr 2014/15 in Betrieb. Es zeigt uns, wie befreiend und pädagogisch inspirierend das Zusammenspiel klugen Städtebaus mit innovativer Grundrissorganisation und sensibler Raumgestaltung im Alltag wirkt. Doch obwohl im Bereich der Bildung – von Kindergarten bis Universität – die vorbildlichen Beispiele vergleichsweise dicht gesät sind, ist die gewaltige Überzahl der Gebäude so gemacht, dass in Zeiten wie diesen nicht viel anderes übrig bleibt, als sie zu meiden.

Technologie, Funktionalität, Ästhetik

Auch in anderen Branchen hätte das Heranführen der breiten Basis des Gebauten an die kulturellen Standards der Spitzen manches erleichtert. Alten- und Pflegeheime mit überschaubaren Strukturen wie das von Gärtner Neururer Architekten in Gaspoltshofen geplante; der festlich gestimmte Bewegungsraum einer Tanzschule, von Luger & Maul der ehemaligen Reithalle der Welser Dragonerkaserne eingeschrieben; die Neufassung, mit der Jabornegg & Palffy ein Baudenkmal, das Linzer Schauspielhaus, an zeitgemäße Vorstellungen von Komfort herangeführt haben: Sie stehen für das in der Architektur verwirklichte Zusammenspiel von Technologie, Funktionalität und Ästhetik, das unsere Welt auch aus hygienischer Sicht besser macht. Es ist, obwohl es Vitruv schon vor 2000 Jahren in seinen Büchern beschworen hat, noch immer nicht zur Selbstverständlichkeit geworden. Das hätte man Ihnen früher sagen sollen? Die gerade aus einer Fülle möglicher Beispiele ausgewählten wurden allesamt im „Spectrum“ der „Presse“ und/oder in „Architektur Aktuell“ besprochen. Hoffen wir einfach, dass wir uns tatsächlich gerade auf einem guten Weg aus der Pandemie bewegen. Wie aber lauten die drängendsten Fragen der Zukunft? Die Klimakatastrophe hält keineswegs den Atem an. Eine Wende zu gelebter Nachhaltigkeit wird nötig sein, wenn wir überleben wollen. Aus unserer derzeitigen misslichen Lage lernen wir: Es gibt Meilensteine wie Impfungen und viele kleine Schritte bis zum Ziel. Das Bekenntnis zur Baukultur ist einer dieser Schritte, die wir alle jederzeit setzen können.

Das Krafthaus Zwenewaldbach, das Schneider & Lengauer Architekten 2017 in Hopfgarten im Osttiroler Defereggen geplant haben, ist ein schönes Beispiel dafür, wie ein kleines Objekt nicht nur Themen wie Technik, Wirtschaftlichkeit und angemessenes Bauen im Landschaftsraum in sich vereint. Es steht auch für den Wert dezentraler Versorgung mit erneuerbarer Energie und schließt eine schöne Erzählung von direkter Demokratie und mutigem Widerstand mit ein. Der Bau eines Kraftwerks am Zwenewaldbach wurde gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs von der Gemeinde Hopfgarten in Angriff genommen und von praktisch allen Gemeindebürgern durch Robotleistungen mitgetragen. Der in den 1960er-Jahren gegründeten Elektrowerkgenossenschaft Hopfgarten, die das Kraftwerk von da an betreiben sollte, traten nahezu alle Abnehmer des Stromes bei. Sie waren es, die sich im gleichzeitig geführten Kampf der Übernahme der Stromversorgung durch die übermächtige Tiroler Wasserkraft AG widersetzten. Den erforderlichen Neubau nun nicht einfach einem spezialisierten Unternehmen, sondern einem Architekturbüro anzuvertrauen, erscheint da fast schon als Selbstverständlichkeit. Tatsächlich aber ist das kleine Osttiroler Bergbauerndorf auch in seiner Rolle als Bauherrschaft ein weit leuchtendes Vorbild.

Passgenau gearbeitetes Werkstück

Das Kraftwerk erhebt sich in einer kleinen Aufweitung des Tales am Ufer des Zwenewaldbaches. Wie ein passgenau gearbeitetes Werkstück haben Schneider & Lengauer das Haus in den knapp bemessenen Bauplatz gefügt. Es reagiert mit seinem abgewinkelten Körper auf die gegebenen Zufahrten und wahrt so die Möglichkeit zur Anlieferung von Turbinen und Transistoren. Auch der schräge, mit Metall belegte Einzug der Fassade, der auf den in der Innenecke geschützten Mitarbeiterzugang zuläuft, die Überhöhung des Daches über dem Knick zur Aufnahme von Lüftungsöffnungen, das eine große Fenster, mit dem die Turbinenhalle den Fluss überblickt, und auch die gebäudehohen Portale an den Stirnseiten des Baukörpers sind allesamt dem reibungslosen Arbeitsablauf geschuldet. Gleichzeitig ergeben sie in ihrer Gesamtheit ein plastisch durchgeformtes Bauwerk, das sich mit größerer Selbstverständlichkeit in die Landschaft fügt als manches mit vermeintlich alpin-ländlichen Applikationen versehene Objekt. Das feine Schalungsbild des Sichtbetons, der Umsicht des Poliers zu verdanken, hält Schritt mit der sorgfältigen Planung der Gesamtanlage. Im Selbstbewusstsein seiner Funktionstüchtigkeit und der Qualität seiner Komposition stellt sich das Kraftwerk dem Dialog mit der Natur, dem rauschenden Wasser, den steil aufragenden Felswänden, dem dunklen Nadelwald.

Der gewonnene Kampf eines Dorfes um seine Versorgungshoheit und ein gelungenes Beispiel der Verbindung von Technik, Landschaft und Baukultur machen weder eine „Energiewende“ noch lösen sie die Strukturprobleme des ländlichen Raumes. Doch gerade in der Überschaubarkeit ihres Maßstabes sind Leistungen wie der Neubau des Kraftwerks am Zwenewaldbach vorbildhaft und richtungsweisend.

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