Bauwerk

Salzwelten Salzburg
tnE Architects - Bad Dürrnberg (A) - 2021

Wo das Salz herkommt

An die 220.000 Interessenten strömten vor Covid in die Salzwelten Salzburg – die Anlage war dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Nach der Umgestaltung erwartet die Besucher nun ein zukunftsfähiges Schaubergwerk.

9. April 2022 - Isabella Marboe
Schon vor etwa 2600 Jahren bauten die Kelten auf dem Dürrnberg in Hallein Salz ab, seit dem Mittelalter zählte es zu den wichtigsten Einnahmequellen der Salzburger Erzbischöfe. Dem Salz verdankt die Stadt ihre barocke Pracht. Früh keimte Tourismus auf, der erste Eintrag im Gästebuch datiert auf 1607, es ist das älteste Schaubergwerk der Welt. 1989 stellte die Salinen AG die Salzproduktion am Standort ein; als die Kompressoren auf der Pernerinsel abgedreht wurden, trugen alle Mitarbeiter Trauer. Heute sind die „Salzwelten Salzburg“ die letzte verbliebene Arbeitsstätte für Bergleute in Hallein. Derzeit sind 14 dort angestellt, um die Stollen zu warten. „Wir haben eine lange Bergbautradition und sind stolz auf dieses Jahrtausende alte Erbe“, sagt Manfred Mader, der touristische Leiter der Salzwelten GmbH. Rund 220.000 Besucher und Besucherinnen zählten die „Salzwelten Salzburg“ pro Jahr, bevor Corona alles lähmte. Die touristische Infrastruktur war quasi organisch mehr oder weniger improvisiert laufend adaptiert worden. An der Kassa musste man im Freien anstehen, die Abläufe – Ticketkauf, Warten auf die Führung, Aus- und Rückgabe der Schutzkleidung, Ein- und Ausfahrt in den Stollen – waren kompliziert und unbequem für Besuchende und Personal.

Im Oktober 2019 lud die Salinen Austria AG fünf Teams aus Architekten und Kreativen zum Dialogverfahren für die Neugestaltung aus. Das Projekt von The Next Enterprise Architects (TNE), Liquid Frontiers und der Innsbrucker Medienagentur Artfabrik überzeugte. Die Umgestaltung eines der ältesten zu einem zukunftsfähigen Schaubergwerk ist multidisziplinär. Architektur, Ausstellungskonzept, Info-Screens, Illustrationen, Film bedingen und ergänzen einander, jedes Medium greift wie ein Zahnrad ins andere. Dazu zählt auch die „Salzwelten Destination Guide“-App, die dem Selfie einen keltischen Bergmann an die Seite zaubert und viel Überraschendes bietet.

Ein Stück Kulturlandschaft

„Es geht um den Spagat zwischen Information und Unterhaltung“, sagen Marie-Therese Harnoncourt-Fuchs und Ernst J. Fuchs von TNE. „Die Salzwelten sind ein Stück Kulturlandschaft mit öffentlichem Interesse an ihrer Wartung.“ TNE betrachteten sie als Gesamtheit aus Empfangsbauten, der Führung unter Tag und dem Kelten.Erlebnis.Berg. Dieses Freilichtmuseum der 1990er-Jahre stellt aus rekonstruierten Holzhäusern ein Keltendorf nach. „Die Salzwelten sind ein historisch gewachsenes Ensemble aus unterschiedlichen Zubauten, wir wollten es in seiner vielfältigen Eigenheit stärken.“ TNE gingen von Vorgefundenem aus und verfolgten eine Strategie der Inselformationen. Punktuelle Eingriffe sollten Abläufe verbessern – das glückte außerordentlich gut. Den Anfang macht der Info-Terminal beim Parkplatz, orange Punkte auf dem Boden lenken den Schritt zum metall-orangenen Trichter vor dem Eingang ins Besucherzentrum. Dieser Bau spielt eine Schlüsselrolle, war aber immer schon da. TNE entrümpelten ein altes Lagerhaus und legten den solide dimensionierten Holzdachstuhl frei. Einzig ein paar Diagonalstreben mussten verstärkt werden. Die Konstruktion hat viel Patina, sie wurde sandgestrahlt, gebürstet und gekalkt. Das erinnert an den weißen Salzfilm der Pölzungen (Abstützung durch Pfosten) im Berg; zwischen den Säulen ist genug Platz für Bänke, Displays, Menschen.

Orange ist die CI-Farbe der Salzwelten, generell sucht die Architektur den Bezug zum Steinsalzkristall. Der Estrich ist mineralisch platinbeschichtet, Weißaluminium und Stahl schimmern silbrig, Metall verweist auf die Industriegeschichte. Rund um die südwestliche Gebäudeecke des Besucherzentrums breitet sich unter einem Glasdach auf einer Stahlkonstruktion ein Platz aus. Oranges und hellblaues Glas erzeugt flirrende Farbspiele auf dem Boden. Als Oase, Treffpunkt und Verteiler liegt die Plaza günstig. Westwärts kommt man hinauf zum Kelten.Erlebnis.Berg. Im Norden mündet die Brücke ins Bergeinfahrtsgebäude ein. Ein klassisches Nadelöhr, in das TNE das Bistro als Raum-im-Raum-Pavillon implantierten. Ein oranger Lichtkreis über einer runden Wand, innen orange gepolsterte Bänke, in der Mitte 48 Sitzplätze, über dem Mundloch in den Berg mutiert der Verbindungsbau der 1990er-Jahre zur Aussichtsveranda. Was für ein Panorama!

60 Personen bilden eine Gruppe für die Fahrt in den Stollen, alle zehn Minuten startet eine Tour. Flüssig lässt sich die Bistro-Insel umrunden, wandintegrierte Sitz- und Ablageflächen machen das Warten auf die Schutzkleidung erträglich. Ein salzig-weißer Raum mit verspiegelten Säulen ersetzt die vormals muffige Garderobe. Der besondere Clou liegt im Auditorium, das TNE stirnseitig an das Einfahrtsgebäude anbauten. Die gerundete Projektionsfläche und Tribüne bedingen die spezifische Form des orangen Zubaus mit der perforierten Profilmetallfassade, der auch die darunter liegende Rangierfläche der neu gebauten Metallwerkstatt überdacht. Selten sinnstiftend überwindet das Kino mit 65 Plätzen den Niveausprung ins Untergeschoß. Der Image-Film vom Studio Artfabrik erzählt Geschichten vom Salz, fast euphorisch beschreitet man den Steg zum Mundloch.

Heimisches Fleur de Sel

Insgesamt 65,24 Kilometer Stollen durchziehen den Dürrnberg, 12,4 Kilometer davon sind begehbar. Eine Fahrt in den Berg ist auch eine Fahrt durch die Geschichte. Kelten, Mittelalter, Barock, Gegenwart: Davon erzählen die „Salzwelten Salzburg“ auf jeder Ebene. Der authentische Ort spricht für sich – die Pölzungen, die Grenze zu Bayern im Berg, die Rutschen. Exponate und Installationen laden ihn mit Emotion auf. Scherenschnittartige Projektionen der Artfabrik zaubern die Silhouette Salzburgs untermalt mit Barockmusik an einen farbigen Horizont, farbig spiegelt sie sich im Salzsee. Die Tour endet im Shop, den TNE in einem neuen Brückenbauwerk unterbrachten. Es verläuft parallel zur alten Brücke, hat eine Einschnürung in der Mitte, die als Sog wirken soll, und erinnert vom polygonalen Grundriss her an die Wegführung der Stollen unter Tage. „Die Erkennung von Figuren ist sehr wichtig“, sagt Ernst Fuchs. „Für mich sind die Salzwelten ein Projekt der Dächer.“ Die frei geformten Additionen – der Trichter am Eingang, das Glasdach der Plaza, das Auditorium und dieser Brückenbau – fassen die Bestandsbauten zum verbindenden Ganzen zusammen.

Oranges Glas verfremdet die Landschaft und macht den Shop zum magischen Raum. Gegenüber auf dem Kelten.Erlebnis.Berg produziert man in der Salzmanufaktur in vier Becken wieder Salz. Es kommt bei 68 Grad ins Solewasser, kristallisiert in kleinen Salzpyramiden, die auf einem Gitter aufgefangen und aus der Sole gehoben werden. Dieses heimische Fleur de Sel schmeckt sehr mild. Es ist der Bestseller.

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