Bauwerk

Senferei
Julia Kick - Lustenau (A) - 2024
Senferei, Foto: Angela Lamprecht
Senferei, Foto: Angela Lamprecht
30. Oktober 2025 - vai
Da der alte Standort mitten im Siedlungsgebiet aufgegeben werden musste, entschloss sich die traditionsreiche Senferei für die Neuansiedlung im noch jungen Lustenauer Betriebsgebiet „Heitere“. Die Eigentümerfamilie legte bei der Neukonzeption der Gebäude großen Wert auf Ökologie und Nachhaltigkeit. Architektin Julia Kick entwickelte einen Holzständerbau, dessen enger, quadratischer Raster das Gebäude „taktgebend“ strukturiert. Das für einen Industriebau vergleichsweise eng gesetzte Konstruktionsschema ermöglichte niedrigen Materialverbrauch mit geringen Holzquerschnitten und schlanken Deckenplatten. Der Stahlverbrauch bei Verbindungsteilen wurde minimiert, Kopfplatten wurden etwa teilweise durch Einlagen aus Eichenholz ersetzt. Statisch notwendige Wandscheiben wurden in holzsparende Diagonalstreben aufgelöst.

Neben dem zentralen Verkaufsraum sollte ein von der Produktion unabhängiger Betriebsrundgang geschaffen werden. Aufgrund der äußerst kleinen Belegschaft des Familienbetriebs sollten sich Kund:innen eigenständig durchs Gebäude bewegen können und dabei Einblicke in Lager, Produktion, Firmengeschichte und zu diversen Themen um Senfplanze und -produktion erhalten (Gestaltung: Super BFG / Robert Rüf). Die visuelle Durchlässigkeit des Gebäudes unterstützt zugleich die Kommunikation und Koordination im Betriebsablauf. Ein für die Öffentlichkeit nicht zugängliches Treppenhaus ermöglicht kurze interne Wege. Sämtliche technische Einrichtungen und Installationen sind sichtbar an Decken und Wänden geführt. Das Gebäude soll sich verändern dürfen, die Technik flexibel bleiben. Bewusst wurden Raumreserven für die weitere Betriebsentwicklung geschaffen. Möglichst minimiert wurde hingegen die überbaute Fläche: Ein hochwertiges Verschubregallager sparte mehr als sechs Meter Gebäudelänge und damit kostbaren Grund und Boden. Für den Verkaufsraum entwickelten die Architekt:innen vielfältig bespielbare Möbel, die – einzeln oder zur großen Tafel gruppiert – als Verkaufs- und Präsentationsfläche oder für Senfverkostungen genutzt werden können. An einer Senftheke können Kund:innen in Selbstbedienung verschiedene Senfsorten zum Mitnehmen abfüllen.

Für Verkostungen oder ähnliche Veranstaltungen ist über dem Verkaufsraum im Obergeschoss Platz. Ausgeführt in Vollholz mit Linoleumoberflächen und ausgestattet mit großen, massiven Buchentischen und Bänken lädt dieser Küchenraum Firmenangehörige wie Gäste zum Verweilen ein. Hier wird einmal pro Woche für die gesamte Belegschaft zu Mittag gekocht, hier finden kleine Feiern, Besprechungen und Termine mit Kund:innen statt. Die angrenzende Dachterrasse erweitert den Aufenthaltsbereich ins Freie, ein Rankgerüst bietet Entfaltungsraum für schattenspendene Pflanzen. Das Gerüstelement taucht auch beim Haupteingang auf: Es trägt den Logo-Schriftzug, ist zugleich Fahrradständer und Rankhilfe für Kletterpflanzen. Durch Einschnitte erhält das quaderförmige Gebäude überdachte Außenbereiche für Eingang und Anlieferung sowie straßenseitig ein abgesetztes, intensiv begrüntes Dach als Übergang zur Landschaft. Durch unterschiedliche Leistenbreiten der Holzverschalung sind außenliegende und zurückspringende Fassadenteile differenziert. Zusammen mit den großen Öffnungen gliedern sie den Baukörper im Takt des Rasters. Textilscreens in der Farbe „Pfeffer“ vervollständigen das Erscheinungsbild und lassen auch in geschlossenem Zustand gefilterte Ausblicke zu.

Neben Fassadengrün, Biodiversitätsdächern und extensiver Begrünung unter der Solaranlage am Hauptdach sieht das Grünraumkonzept von Landschaftsplanerin Gudrun Sturn auch im Umfeld des Gebäudes naturnahe, klimafitte Begrünungen vor, die zu den angrenzenden Riedflächen stimmig sind. Im Osten bietet ein offenes Retentionsbecken als Biotop die geforderten Ausgleichslebensräume für die zugeschütteten Riedgräben im Betriebsgebiet. (Text: Tobias Hagleitner, nach einem Text der Architektin)

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Für den Beitrag verantwortlich: Vorarlberger Architektur Institut

Ansprechpartner:in für diese Seite: Verena Konradvk[at]v-a-i.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Lustenauer Senf Bösch GmbH

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie