Bauwerk

Oper Kopenhagen
Henning Larsen Architects - Kopenhagen (DK) - 2004

Missklänge vor dem ersten Ton

Henning Larsens neues Opernhaus in Kopenhagen

Das neue Kopenhagener Opernhaus ist das Geschenk eines Privatmannes. Mehr als 500 Millionen Franken hat es gekostet, denn es durfte an nichts fehlen. Doch nun ist der Neubau, der heute mit einer Galavorstellung eingeweiht wird, Ziel heftiger Kritik. Zuletzt hat sich auch der Architekt Henning Larsen von seinem Projekt distanziert.

15. Januar 2005 - Marc-Christoph Wagner
Dass es Streit geben würde, war allen Beteiligten wohl von Beginn an klar. Jahrelang hatte das Hafengebiet im Herzen Kopenhagens verwahrlost dagelegen. Als man sich zu Beginn der neunziger Jahre daranmachte, dessen südlichen Teil, Kalvebod Brygge, zu entwickeln, entschied man sich für den Bau gewaltiger Firmendomizile, die die Stadt vom Wasser trennten, anstatt sie zu diesem hin zu öffnen. Bis heute ist die Rede von einer verpassten Chance, gar einem städtebaulichen Desaster. Vor diesem Hintergrund musste jedes Gebäude auf Holmen, einem alten, teilweise naturgeschützten Dockgelände inmitten des Kopenhagener Hafens, zu öffentlichen Diskussionen führen. Der Ort hat grosse symbolische Bedeutung. Nicht allein liegt er direkt gegenüber Schloss Amalienborg, dem Sitz der königlichen Familie. Er bildet das Ende einer weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten architektonischen Achse, die sich von der Marmorkirche durch die achteckige Rokoko-Palastanlage mit der Reiterstatue Frederik V. im Zentrum hinüber auf die andere Seite des Wassers erstreckt. Gott, König, Vaterland - diese drei Pfeiler dänischen Selbstverständnisses erhielten hier einen städtebaulichen Ausdruck.

Ein einflussreicher Mäzen

Der Bauherr der neuen Oper, der 91-jährige Reeder und Milliardär Mærsk McKinney Møller, war sich der Bedeutung des Ortes von Anfang an bewusst. Nur hier sollte sein 520 Millionen Franken teures Geschenk an den dänischen Staat entstehen. Die Vollendung der Achse sei ein lange gehegter Traum gewesen, gestand Møller in einem Interview mit dem staatlichen Rundfunk. Diesen Traum hat Møller mit Vehemenz verfolgt - zu vehement, wie viele meinen. Nicht allein wurden bei der Genehmigung des Projektes grundlegende demokratische Spielregeln übergangen; nicht nur musste sich der dänische Staat zur Übernahme der Betriebskosten des Hauses verpflichten; auch in architektonischen Fragen hat der Mäzen in einem Grad mitbestimmt, als ob es sich um die Bepflanzung eines abseits gelegenen Schrebergartens handelte. Die Oper sei ein Geschenk, antwortete Møller auf derlei Vorwürfe, kein Gutschein, für den ein jeder bekommen könne, was er wolle.

Møller selbst hatte sich für den bekannten dänischen Architekten Henning Larsen entschieden. Eine Ausschreibung für das Projekt hatte es nie gegeben. Mit Larsen, hiess es zur Begründung, habe man bei anderen Projekten stets gute Erfahrungen gesammelt. Bei ausländischen Architekten hingegen sei es unsicher, ob diese die strengen Zeit- und Kostenanforderungen einhalten könnten. Nach vier Jahren, so Møllers Vorgabe, musste das Opernhaus fertig stehen. An manchen Bauabschnitten wurde bereits gearbeitet, während andere noch projektiert wurden.

Dass es zwischen dem Bauherrn und dem Architekten zum Zerwürfnis kam, lag jedoch nicht am Zeitdruck allein. Larsens ursprünglicher Entwurf für das Opernhaus sah eine Glasfront zum Wasser hin vor: Von innen sollte sich dem Besucher eine ganz neue Perspektive auf den Hafen und die Innenstadt eröffnen. Passanten draussen sollten am Geschehen drinnen teilhaben und einen ungehinderten Blick auf das mit feinstem Ahornholz verkleidete Foyer werfen können. Der Bauherr allerdings widersetzte sich diesen und anderen Vorstellungen des Architekten diametral. Mit der Begründung, die Besucher sollten sich von äusseren Blicken frei bewegen können, forderte Møller eine nahezu geschlossene Fassade.

Er hätte die weitere Bauausführung hingeworfen, sagte Larsen in einem Fernsehinterview zu Beginn der Woche, wenn dies nicht die Entlassung von über hundert Mitarbeitern oder gar den finanziellen Ruin seines Unternehmens bedeutet hätte. Über den Fassadenkompromiss, der an die Brücke eines grossen Containerschiffes erinnert, sei er betrübt. Dem Vorwurf aber, der Bau habe insgesamt eine zu grosse Dimension, müsse er nachdrücklich widersprechen. Immerhin sei die Oper vom Königspalast und von der Marmorkirche durch das Wasser räumlich getrennt.

Ein Hauch von Luzern

Mit dieser Meinung aber steht der dänische Stararchitekt ziemlich allein auf weiter Flur. Kritiker liessen verlauten, der Königspalast wirke nun im Vergleich zur Oper wie eine Miniatur aus Legoland. Von der Marmorkirche her gesehen, erscheine Frederik V. wie ein Mann, der seinem Gefängnis entfliehe. Und auch dem Bau selbst fehle es an Konsequenz. Das über 32 Meter auskragende Schwebedach, deutlich inspiriert von Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum in Luzern, drücke das Gebäude nach unten, anstatt ihm die angestrebte Leichtigkeit zu verleihen. Die vulgäre Rundung der Glasfront finde an keiner anderen Stelle des Gebäudes bzw. in dessen Umgebung eine Entsprechung. Kurz und knapp urteilte die Tageszeitung «Politiken»: «Das Opernhaus ist eine Missgeburt. Seine übergeordnete Formsprache ist Machwerk. Im Stadtbild ist es anmassend. Und sein wesentliches Charakteristikum, das Dach, ist unoriginal.»

So heftig die Kritik an der äusseren Erscheinung des Neubaus auch sein mag, zeigt man sich doch von dessen innerer Gestaltung überzeugt. Die Akustik in dem rund 1500 Besucher fassenden, hufeisenförmigen Saal wird vom musikalischen Leiter des Hauses, Michael Schønwandt, als einzigartig bezeichnet. Die insgesamt sechs untereinander austauschbaren Bühnen böten künstlerische Möglichkeiten, wie man sie bisher nicht gekannt habe. Im Foyer fangen insbesondere vier Bronzereliefs Per Kirkebys sowie drei Lichtskulpturen Olafur Eliassons das Augenmerk des Besuchers. Vor diesem Hintergrund entbehrt es nicht der Ironie: Bei der Ausformung ihrer Werke hatten beide Künstler offenbar völlig freie Hand.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Chastine und A.P. Møller