Veranstaltung

Peter Zumthor
Ausstellung
29. September 2007 bis 20. Januar 2008
Kunsthaus Bregenz
Karl Tizian Platz 1
A-6900 Bregenz


Veranstalter:in: Kunsthaus Bregenz
Eröffnung: Freitag, 28. September 2007, 19:00 Uhr

Räume aus Licht

Das Kunsthaus Bregenz feiert den Architekten Peter Zumthor mit einer fulminanten Retrospektive

Mit wenigen Bauten hat Peter Zumthor sich international einen Namen gemacht. Nun ist eine grosse Schau des Haldensteiner Architekten in dem von ihm errichteten Kunsthaus Bregenz zu sehen.

5. Oktober 2007 - Roman Hollenstein
In einer Zeit, da die computergenerierte Architektur dank Programmen wie CAD, CAM und Catia immer austauschbarer wird, kann ein kleines Bauwerk wie die Bruder-Klaus-Kapelle von Peter Zumthor in der Eifel bereits Verunsicherung auslösen. Wurden doch die als Schalung verwendeten Fichtenstämme des in Stampfbetontechnik errichteten Sakralraums nachträglich mittels eines Köhlerfeuers entfernt, so dass eine dunkle, archaisch wirkende Höhle entstand. Der Architekt, der solches schafft, muss ein Künstler sein, dem die kompromisslose Umsetzung einer Vision wichtiger ist als kommerzieller Erfolg. Deswegen gilt der zur Sturheit neigende Perfektionist Zumthor spätestens seit dem Streit um das aus ideologischen, politischen und bautechnischen Gründen gescheiterte Projekt der Berliner Gedenkstätte «Topografie des Terrors» als unbequem. Verlangt er doch von seinen Bauherren einiges. Das musste auch der Erzbischof von Köln beim Bau des Kolumba-Diözesanmuseums erfahren. Denn während in China oder Dubai Hochhäuser in wenigen Wochen in den Himmel schiessen, feilt Zumthor jahrelang an seinen Bauten. Doch der Lohn für das Warten ist hohe baukünstlerische Qualität, wie das jüngst in Köln eröffnete Museum einmal mehr beweist.

Heimspiel am Bodensee

Nicht nur seiner Bedächtigkeit und seines schmalen Œuvre wegen ist Zumthor eine Ausnahmeerscheinung unter Architekten. Er wehrt sich auch dagegen, simple Dienstleistungen zu erbringen, und baut weder abenteuerlich gefaltete Spiegelfassaden noch modische Blitze oder Blobs. Seine Gebäude erschöpfen sich nicht in schönen Hüllen. Vielmehr sind sie von den Räumen, vom Licht und vom Material her gedacht. Darüber hinaus erweisen sie sich als ökologisch, sind sparsam im Umgang mit den Ressourcen und einfach in der Konstruktion. Intelligent aufgebaute Wände und gezielt angebrachte Öffnungen bewirken ein günstiges Raumklima, aber auch stimmungsvolle Lichtverhältnisse und tragen mithin zum Wohlbefinden der Benutzer bei. Darin liegt das Erfolgsgeheimnis von Zumthors Felsentherme in Vals begründet – oder des Kunsthauses in Bregenz. Hier resultierte aus dem Dialog mit dem Ort ein Meisterwerk, das sich mit aufragendem Kubus und niedriger Dépendance ganz unaufgeregt in den städtebaulichen Kontext einfügt, wobei der Glaswürfel des Museums mit seinem opaken Schuppenkleid über die Altstadt hinweg den schindelverkleideten Martinsturm, ein weiteres Bregenzer Wahrzeichen, grüsst.

Dieser Leuchtturm am Bodensee, mit dem der Meister zum «harten Kern der Schönheit» vorgedrungen ist, darf als Schlüssel zu Zumthors Œuvre bezeichnet werden. Alle Eigenschaften, die man mit seinem Schaffen verbindet, sind in diesem Bau vereint: Stille, Askese, Emotion und eine durch Licht und Schatten bestimmte Aura des Sakralen. Der Respekt vor dem Ort, die handwerkliche Gründlichkeit und die Empfindsamkeit gegenüber Raum und Materialien erinnern zudem an jenes protestantische Ethos, auf dem einst die neue Schweizer Einfachheit aufbaute. Das Kunsthaus ist deshalb der ideale Ort für die neuste Zumthor-Retrospektive.

Strebte die letzte Werkpräsentation vor knapp zehn Jahren in Chur nach Verklärung, so wird einem in Bregenz nun eine klärende Gesamtsicht geboten. Und dies in Form einer grandiosen Schau, die ähnlich wie die in aller Welt gezeigten Ausstellungen von Frank Gehry, Herzog & de Meuron, Rem Koolhaas, Miller & Maranta oder Renzo Piano beweist, dass Architektur sich im Museum höchst suggestiv inszenieren lässt. Im Erdgeschoss hat der Ausstellungskurator Thomas Durisch sechs grosse Modelle – darunter das tonnenschwere, betretbare Betongebilde des Kolumba-Museums, eine verkleinerte Wand- und Oberlichtkonstruktion des Kunsthauses Bregenz und die kohlengraue Wiedergabe der Landschaft von Almannajuvet an der norwegischen Küste, wo ein vierteiliges Zinkminen-Museum entstehen soll – zu einem Lob des Skulpturalen vereint. Nach diesem gewichtigen Einstieg wirft das Wiener Künstlerduo Nicole Six und Paul Petritsch in den nächsten beiden Ausstellungsgeschossen mittels zweier aus bewegten «Grossfotos» bestehender Videoinstallationen einen Blick von aussen auf zwölf bedeutende Bauten von Zumthor.

Plötzlich diese Übersicht

Den eigentlichen Höhepunkt aber bildet die Werkschau im dritten Stock. Eine Vielzahl von zarten, fast konstruktivistisch anmutenden Farbzeichnungen, von Plänen und Modellen, die auf drei überlangen Arbeitstischen und eng zusammengerückten Podesten aufgereiht sind, verdichtet sich plötzlich zu einer grossen Übersicht. Leider vermisst man – ähnlich wie auf den publizierten Werklisten – Zumthors frühe Fingerübungen. Wohl um die Mythenbildung zu fördern, setzt die Retrospektive des 1943 geborenen Baslers, der sich als gelernter Schreiner erst 1979 entschied, in Haldenstein bei Chur ein Architekturbüro zu eröffnen, nicht mit dem 1983 eingeweihten Schulhaus «Witiwäg» in Churwalden ein. Den Auftakt bilden vielmehr zwei 1986 vollendete Arbeiten: das Atelierhaus in Haldenstein und die Schutzbauten über römischen Ruinen im Churer Welschdörfli, welche den gleichsam aus dem Nichts aufgetauchten Meister bereits auf der Höhe seines Könnens zeigen. Seither steht jeder Bau für ein neues Experiment, wobei gewisse Grundthemen immer wieder aufklingen. So verwandeln sich die Holzlatten der Schutzbauten in das Beton-Stabwerk der «Topografie des Terrors», um sich schliesslich zur Batterie des Schweizer Klangkörper-Pavillons auf der «Expo 2000» in Hannover zu verdichten.

Vorbei am überraschend einfachen Kartonmodell der Kapelle Sogn Benedetg in Sumvitg, die ihren Schöpfer 1988 international bekannt machte, gelangt man zu einer poetischen, aus grünlichem Gneis gefertigten Miniatur der Felsentherme in Vals. Sie kündet wie das Original davon, dass «Architektur eine sinnliche Kunst» ist. Die kantig-minimalistischen Formen dieses Baus kehren im Kunsthaus Bregenz ebenso wieder wie im Kolumba-Museum oder im Entwurf der Herz-Jesu-Kirche, für deren Realisierung sich die Münchner 1996 leider nicht erwärmen konnten. Dafür erhielt Zumthor wenig später den Auftrag für die Bruder-Klaus-Kapelle, in der sich in aller Stille eine formale Öffnung ankündigte. Deutlicher manifestierte sich diese 2001 im amöbenartig gewellten Innenhof eines Projekt gebliebenen Apartmentblocks im finnischen Jyväskylä und im pilzförmigen Baukörper eines spanischen Weinguts, der wiederum im Restaurantpavillon auf der Ufenau nachhallt. – Es bleibt zu hoffen, dass diese subtile Intervention trotz Opposition vonseiten des Heimatschutzes realisiert werden kann. Dies umso mehr, als unlängst in Luzern auf den Bau einer spannenden, neokubistisch fragmentierten Wohnsiedlung zwischen Bahnhof und Werft verzichtet wurde. Denn Zumthors «auf das Wesentliche reduzierte» Gebäude, die «im Idealfall zu strahlen beginnen», sind wichtige und nötige Statements gegen die fortschreitende Banalisierung der Architektur – auch wenn der weiterhin auf das Handwerk setzende Baukünstler von seinen bauwütigen, ganz in das Spektakel verliebten Kollegen als etwas antiquiert belächelt werden mag.

[ Bis 20. Januar im Kunsthaus Bregenz. Begleitbroschüre gratis. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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