Veranstaltung

Peter Zumthor
Ausstellung
29. September 2007 bis 20. Januar 2008
Kunsthaus Bregenz
Karl Tizian Platz 1
A-6900 Bregenz


Veranstalter:in: Kunsthaus Bregenz
Eröffnung: Freitag, 28. September 2007, 19:00 Uhr

Raffen oder dehnen?

Einmal Bregenz, einmal Wien: Zwei große Ausstellungen widmen sich den Werken von Peter Zumthor und Coop Himmelb(l)au. Mit unter-schiedlichen Konzepten – und in beiden Fällen nicht frei von Aura und Pathos.

6. Januar 2008 - Walter Zschokke
Obwohl beide gern Zigarren rauchen, könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Wolf D. Prix, Frontmann von Coop Himmelb(l)au, und Peter Zumthor, Haldenstein. In Form groß angelegter Ausstellungen blicken beide auf ihr Werk zurück. Zumthor in dem von ihm entworfenen Kunsthaus in Bregenz, Prix im von Peter Noever geleiteten Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien. Beide genießen in gewisser Weise Heimvorteil, doch die Grenzen des Mediums „Architekturausstellung“ sind für jeden Anlass genug, deren Eigengesetzlichkeiten auch als spezielles Projekt zu verstehen. Ausstellen heißt herzeigen. Je nach Temperament ist daher die Inszenierung heftiger oder unterkühlter.

In Bregenz füllt Peter Zumthor das ganze Haus, das wie nebenbei, als originales Werk aus seiner Hand die Ausstellung umfängt. Im Erdgeschoß sind es große Modelle, etwa jenes zum Kunstmuseum Kolumba in Köln, in das man den Kopf hineinstecken kann, um sich einen Eindruck des dortigen Raumes zu erarbeiten. Ja, erarbeiten, denn das Modell hat einen kleineren Maßstab als das Original, und diese Distanz gilt es mit der eigenen Vorstellungskraft zu überbrücken. Natürlich hat so ein Modell auch als Objekt an sich eine nicht unwesentliche Ausstrahlung, aber das kann vom architektonischen Sachverhalt, für das es als Arbeitsinstrument diente, auch ablenken.

Die nächsten beiden Geschoße gehören den Filminstallationen von Nicole Six und Paul Petrisch. Die beiden Künstler haben zwölf Bauwerke Zumthors aus den vergangenen 20 Jahren filmisch aufgenommen. Das konsequent durchgehaltene Konzept sah jeweils sechs feste Kamerastandpunkte vor, von denen gleichzeitig gefilmt wurde. In den Ausstellungsräumen werden die laufenden Bilder in derselben Konstellation auf große, den Raum gliedernde Leinwände projiziert. Von allein wird man diese Zusammenhänge kaum merken, umso mehr, als die Bilder auch auf den Rückseiten – spiegelverkehrt – zu sehen sind. Aber das tut nichts zur Sache, denn ausstellungsdidaktisch handelt es sich um eine hochinteressante Innovation. Die Bilder scheinen vielleicht anfangs festgefroren, als wären sie Fotografien. Doch Blätter und Zweige bewegen sich im Wind und Menschen gehen durch die Räume, einmal schleicht auch eine Katze vorüber. Sonst passiert eher wenig. Aber die Filmbilder werden von der originalen Tonspur begleitet. Dies liefert ein unschätzbares Indiz des Dreidimensionalen, das den Betrachter von den analog zur Aufnahmesituation aufgestellten Projektionsflächen nicht mit der gleichen Direktheit erreicht. Das Ohr verhält sich eben anders als das Auge. Als Normalbesucher wird man es allerdings kaum schaffen, alle zwölf, 40 Minuten lang laufenden filmischen Sequenzen anzuschauen, man wird sich ein- und wieder ausklinken und erhält gleichzeitig den Eindruck des Beiläufigen (die Sicht) wie den des Monumentalen (das Konzept).

Im obersten Geschoß werden Arbeitsmodelle, Skizzen und Pläne auf hohen, einfachen Tischen und Podesten präsentiert. Sie geben Einblick in die synthetisierende Arbeitsweise des Architekten und dokumentieren nebenher den Abschied von Reißschiene und Dreieck aus den Ateliers. Bei einigen der perfekt gezeichneten Pläne kommtschlicht Wehmut auf.

Im Wiener MAK gelangt man von der Weiskirchnerstraße in den zentralen Raum für Wechselausstellungen. Eine eigens errichtete Tribüne erlaubt den Blick auf eine große, von einer schräg laufenden Gasse geteilte, transluzente Plattform, auf der über 300 Modelle unterschiedlichen Maßstabs und Arbeitsfortschritts zum Schaubild einer Stadt arrangiert sind. Entlang den Rändern und an der Diagonale lassen sich die auf Augenhöhe befindlichen Modelle studieren. Für wissbegierige Besucher sind sie auch minimal beschriftet.

Bald einmal wird es jedoch finster, und es setzt eine Video- und Lichtschau ein. Die Plattform beginnt blau zu leuchten, Blitze zucken, und an der Wand gegenüber der Tribüne setzt eine Videoprojektion ein. Alles geht sehr schnell, kaum angetippt, haben die Aspekte auch wieder gewechselt. Dazwischen gibt ein jovialer Wolf D. Prix Kleinodien der Erkenntnis aus seinen 40 Jahren Praxis preis. Man erfährt etwa, dass die wesentlichen architektonischen Entscheide beim Entwurf gefällt werden. Das wird man sich merken müssen.

In autonom bestimmter Wahrnehmungsgeschwindigkeit kann man im dreiseitig anschließenden Galerieraum die drei wichtigsten Werke von Coop Himmelb(l)au der jüngsten Zeit betrachten: BMW-Welt, München; Musée des Confluances, Lyon; Europäische Zentralbank, Frankfurt am Main. Hier lässt sich der Werdegang und die weitere Entwicklung der Projekte studieren. Und es zeigt sich, wie aufwendig es bei diesen Größenordnungen ist, die Konstruktion architektonisch nicht in gewohnten Bahnen verlaufen zu lassen und Sehgewohnheiten auszutricksen. Etwas enttäuscht nimmt man zur Kenntnis, dass das Bild der luftigen Wolke, das man von den Renderings des Musée des Confluances in Erinnerung hat, sich in der weiteren Bearbeitung verändert hat: Schwer ist sie geworden und zu Boden gegangen. Aber Modelle sind ja nicht das Bauwerk.

Im Vergleich verzichten beide Ausstellungen nicht auf Aura und Pathos. Bei Zumthor sind es das bedächtige Wesen des Baumeisterarchitekten, des unbeirrbaren Arbeitens an der Idee, am Material, an beider Wirkung und dann an der Herstellung, bis das Bauwerk lapidar und selbstverständlich dasteht und für zeitgenössische Architektur erstaunlich breiten Anklang findet. In Summe, als Projekte nebeneinander gestellt und versuchsweise im Kopf zu ihrer architektonischen Größe zur Vorstellung gebracht, kann das mitunter anstrengen, fast zu viel werden. Aber Zumthor, in seiner großväterlichen Geduld, lässt dem Besucher die Zeit.

Für Wolf D. Prix scheint sich in seinem Avantgardeverständnis wenig verändert zu haben. Mit „Architektur muss brennen“ meint er weniger den platten Vergleich als den Widerspruch, der ausgelöst werden soll. Er pflegt das Image des Rebellischen, und wie die älter gewordenen Rockstars ihre Songs, mischt er mit der gleichen Selbstverständlichkeit ältere und neuere Werke, bringt sie parallel und synchron an die Rampe, um die Zugehörigkeit zur immerwährenden Avantgarde zu beteuern. Er lässt mit seiner Inszenierung dem Betrachter jedoch kaum Zeit um wahrzunehmen. Er vermittelt eine Stimmung, doch Architektur bleibt etwas anderes. Man muss sie weiterhin an Ort und Stelle besichtigen.

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