Veranstaltung

„Neues Bauen für alle!“
Ausstellung
30. Oktober 2005 bis 8. Januar 2006
Direktorenwohnhaus
Magnusstrasse 5
D-29221 Celle


Veranstalter:in: Bauhaus Dessau
Eröffnung: Samstag, 29. Oktober 2005, 17:00 Uhr

Reformbaukunst und Funktionalismus

Der Architekt Otto Haesler - eine Ausstellung in Dessau

30. September 2005 - Jürgen Tietz
«Bravo!» So lautete der knappe Kommentar, den der Basler Hannes Meyer über die soeben fertiggestellte «Glasschule» von Otto Haesler ins Gästebuch der Celler Volksschule schrieb. Gemeinsam mit Studenten hatte der Direktor des Dessauer Bauhauses 1928 Celle besucht. Die Bauten jener Jahre bildeten den Höhepunkt im Werk von Otto Haesler (1880-1962). Ausgehend von der Reformarchitektur der Jahrhundertwende, die noch deutlich unter dem Einfluss des Jugendstils stand, fand Haesler ab 1925 zu einer funktionalen und formal reduzierten Formensprache. Dabei gelang ihm das besondere Kunststück, die niedersächsische Kleinstadt Celle auf der Weltkarte der Architektur zu verankern.

Wohnungsbau

Aus Anlass des 125. Geburtstages von Haesler findet nun im Dessauer Meisterhaus Schlemmer eine erste Gesamtausstellung zum Schaffen des gebürtigen Münchners statt, der längst gleichberechtigt mit Bruno Taut oder Ernst May als herausragender Reformer des Wohnungsbaus der Weimarer Republik gilt. Kuratorin Simone Oelker, die bereits 2002 eine schöne Haesler-Monographie veröffentlicht hat, führt an zeitgenössischen Fotografien und Plänen sowie einigen neu angefertigten Architekturmodellen die Entwicklung von Haeslers Werk vor.

Beim 1925 fertiggestellten Ladengeschäft für Harry Trüller, dem «ersten modernen Bau Celles», sind an den kubischen Fenstern noch deutliche Anleihen beim Expressionismus jener Jahre spürbar. Gleichwohl erregte der Bau Aufsehen. Der Architekturkritiker Heinrich de Fries nahm ihn 1926 in seine wegweisende Sammlung «Junge Baukunst in Deutschland» auf. Im Zentrum der Ausstellung stehen jedoch Haeslers Siedlungsbauten. Allen voran die Siedlung Georgsgarten, wiederum in Celle. Mit ihr verwirklichte er 1926 erstmals in der Weimarer Republik eine konsequent in Zeilenbauweise errichtete Siedlung im Stil des Neuen Bauens. 1928/29 folgte die Mitarbeit an der Siedlung Dammerstock in Karlsruhe. Vor dem Hintergrund des Wohnens am Existenzminimum reduzierte Haesler immer weiter Wohnungsgrundrisse und Formenrepertoire seiner experimentellen Bauten bis hin zur Siedlung Blumläger Feld 1930/31. Umbau und Teilabriss dieser Siedlung stehen für den allzu achtlosen Umgang, den das Werk Haeslers leider in den letzten Jahren erfahren hat.

Haesler stand in engem Austausch mit bedeutenden Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit. So auch mit Kurt Schwitters, der Haeslers Bauten in einer Besprechung im «Hannoverschen Tageblatt» höchst treffend charakterisierte: «In dem Dreieck Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin ist Haesler der einzige Architekt, der konsequent den rationellen internationalen Baustil schafft.» Und weiter: «Jedes Jahr, wenn man nach Celle kommt, kann man wieder Fortschritte zu neuer grösserer Straffheit bei seinen Bauten feststellen.»

Kontakte zum Bauhaus

Auch der Kontakt mit dem Bauhaus blieb für Haesler nicht ohne Folgen. So arbeiteten Ende der zwanziger Jahre gleich mehrere Ex-Bauhäusler in Haeslers Büro. Und nach der Entlassung Hannes Meyers schlug Walter Gropius Haesler als neuen Leiter des Bauhauses vor. Doch der lehnte ab. Ohnehin hatte Haesler zu Beginn der dreissiger Jahre den Zenit seines Schaffens überschritten. Hinzu kam, dass ihm als überzeugtem Vertreter der Moderne in Celle nach der nationalsozialistischen Machtergreifung ein eisiger Wind entgegenwehte. Haesler übersiedelte nach Eutin und baute dort im traditionalistischen Stil. Noch einmal schien sein Stern zu steigen, als er nach 1945 den Wiederaufbau von Rathenow in Brandenburg im Stil der Moderne plante. Doch nur Teile seines Konzeptes wurden ausgeführt. Gleichwohl blieb Haesler in der DDR - was der Rezeption seines Werkes im Westen lange Zeit nicht unbedingt zugute kam.

[ Die Ausstellung «Otto Haesler - Neues Bauen für alle!» ist bis zum 9. Oktober im Meisterhaus Schlemmer in Dessau und anschliessend vom 30. Oktober bis 8. Januar 2006 im Direktorenwohnhaus in Celle zu sehen. - Monographie: Simone Oelker: Otto Haesler. Eine Architektenkarriere in der Weimarer Republik. Verlag Dölling und Galitz, Hamburg 2002. 340 S., Fr. 69.- (Euro 30.- in der Ausstellung). ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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