Veranstaltung

Josef Plečnik
Ausstellung
28. Juni 2006 bis 15. September 2006
WIENER STÄDTISCHE Versicherung AG
Schottenring 30
A-1010 Wien


Veranstalter:in: Vienna Insurance Group
Eröffnung: Dienstag, 27. Juni 2006, 18:30 Uhr

Moderne Manierismen

Joze Plečnik überstrahlt den Architektursommer an der Donau

Im Wiener Sommer häufen sich alljährlich die Architekturereignisse. Obwohl es sich dabei meist nur um kleinere Ausstellungen handelt, verdichten sie sich jeweils zu einem neuen Bild. Diesmal lenkt eine Joze-Plečnik-Retrospektive den Blick auf das manieristisch Übersteigerte.

27. Juli 2006 - Roman Hollenstein
Wie ein riesiges Füllhorn erscheint Wien all jenen, die sich für das Gebaute interessieren. Das beeindruckte schon Joze Plečnik (1872-1957), nachdem er sich 1892 von Ljubljana über Graz in die Donaumetropole vorgetastet hatte. Damals war die Ringstrassen-Architektur en vogue - und stellte mit ihrem Pomp eine Herausforderung für den strengen Slowenen dar. Aus heutiger Sicht darf sie denn auch als Nährboden der Wiener Moderne gelten, selbst wenn die unlängst von Wien Tourismus herausgegebene Architekturbroschüre «Vom Jugendstil bis zur Gegenwart» kein Auge für die Bauten von Hansen, Semper oder Ferstel hat. Dafür verweist das kleine, in sechs Kapitel gegliederte Heft nicht nur auf Ikonen wie das Loos-Haus, sondern auch auf weniger bekannte Meisterwerke wie den Ringturm von Erich Boltenstern, das Hauptwerk der Wiener Nachkriegsarchitektur, in welchem die Sachlichkeit von Adolf Loos weithin sichtbar weiterlebt. Im Ausstellungsraum der Ringturm-Lobby wird nun das Werk von Plečnik präsentiert, der anlässlich der grossen Pariser Retrospektive von 1986 «wiederentdeckt» wurde und seither vielen als erster postmoderner Architekt gilt.

Plečniks übersteigerte Klassik

Die Ausstellung dokumentiert Plečniks Schaffen in Wien, Prag und Ljubljana anhand von reproduzierten Plänen, Zeichnungen und Fotos. Weiter sind kunsthandwerkliche Gegenstände, Stühle und Zeichnungen aus Privatbesitz zu sehen. Die fulminanten Blätter aus dem Ljubljaner Nachlass aber fehlen. Mit solchen Skizzen feierte der ursprünglich zum Tischler ausgebildete Plečnik in Wagners Atelier erste Erfolge, um sich dann 1901 nach seiner prägenden Italienreise in Wien selbständig zu machen. Die Unabhängigkeit von Wagner demonstrierte er mit der am französischen Jugendstil inspirierten, von einem Rosenteppich überzogenen Villa Langer. Ihr folgten das von Sempers Bekleidungstheorie ausgehende Zacherl-Haus und 1913 die tempelartige Heilig- Geist-Kirche, ein früher Betonbau, der dem Thronfolger missfiel und Plečnik letztlich um eine Wiener Professur brachte. Stattdessen unterrichtete er in Prag, wo er seine Ruhmestaten - die Umgestaltung der Burg und den Bau der in einen «Hermelinpelz» aus Klinker und Stein gehüllten Herz-Jesu-Kirche - erst nach der Übersiedlung in seine Heimat realisieren konnte.

Dort setzte er alles daran, das verschlafene Ljubljana zusammen mit dem Stadtbaumeister Matko Preslowšek in eine mediterran angehauchte Metropole zu verwandeln, indem er bauliche Juwelen wie die Ljubljanica-Brücken, das Wehr, den Markt, die Universitätsbibliothek, das Bügeleisenhaus und den Friedhof ale schuf. Daneben entstanden eigenwillige Gotteshäuser wie die Michaelskirche im Laibacher Moor, bei der er die rurale Bautradition neu interpretierte und mit einer Balkendecke all'antica seiner Theorie einer Abstammung der Slowenen von den Etruskern Nachdruck verlieh. All diese Werke zeigen, dass Plečnik, dem jede Ironie beim Bauen abging, im Grunde mit der Postmoderne nichts zu tun hat. Denn «Geschichte war für ihn Gegenwart», wie Friedrich Achleitner in der Einführung zum kleinen, attraktiv bebilderten Katalog feststellt. Näher steht Plečnik der mitunter ebenfalls aus Wiener Quellen schöpfenden lombardischen Novecento-Architektur. Doch anders als etwa Gio Ponti, der die antiken Vorbilder surrealistisch umdeutete und schliesslich zu einer geschliffenen Moderne fand, flüchtete sich Plečnik in seinen letzten Jahren im sozialistischen Jugoslawien in eine religiös parfümierte Dekorationskunst.

Zacherl-Haus und Donau-City-Center

Auf Plečnik Bedeutung für Wien wird gegenwärtig auch im Architekturzentrum (AZW) hingewiesen. Die im Museumsquartier angesiedelte Institution präsentiert neu als Dauerausstellung ein A-Schau genanntes «Schaufenster zur baukulturellen Identität» Österreichs der letzten 100 Jahre, zu der Ende August bei Birkhäuser ein Katalog erscheinen soll. Auftakt zu der 420 Bauten von 170 Architekten umfassenden Synopse macht Plečniks Zacherl-Haus am Bauernmarkt, das bereits 1905, also sechs Jahre vor dem Loos-Haus, mit seiner nüchternen Fassade, den stilisierten Atlanten und dem vorkubistischen Gesims die moderne Architektur in Wien ankündigte. In einen internationalen Kontext gestellt werden die Bauten mittels Vergleichsabbildungen, unter denen sich auch die Bibliothèque Nationale de France von Dominique Perrault findet.

Dieser Franzose wird nun in der «Alten Halle» des AZW mit der Ausstellung «Meta- Buildings» geehrt. Anlass zu der vier neue Projekte zelebrierenden «Personale» gab das in der Wiener Donau-City im Bau befindliche, aus zwei «auseinander gezogenen Torsi» bestehende Doppelhochhaus. In den mit 220 und 160 Metern Höhe vergleichsweise kleinen Glastürmen will Perrault erstaunlicherweise seine Theorie der Meta-Buildings verkörpert sehen, welche «die Dimension herkömmlicher Bauten sowohl massstäblich als auch konzeptionell zugunsten der Umgebung» überschreiten und eine neue stadträumliche Qualität schaffen sollen. Nach einem ähnlich exaltierten Raumausdruck - wenngleich in weitaus bescheidenerem Massstab - streben auch Wiener Designbüros wie Checkpointmedia, welches für das frische Ausstellungskonzept des Wiener Mozart-Hauses zeichnet, oder das für seine Raumexperimente bekannte Architektenteam AllesWirdGut. Sie kommen in diesen Tagen im Designforum (gleich beim AZW) zum Zug, wo unter dem Titel «360° Design Austria» insgesamt 36 in den Bereichen Graphic, Industrial, Multimedia, Interior und Experimental Design tätige Büros vorgestellt werden.

Während die von einem opulenten Katalog begleitete Schau nur Abbildungen zeigt, kann die Studiensammlung des Museums für Angewandte Kunst (MAK) die 80-jährige Geschichte des Freischwingers mit kostbaren Originalen von Mies van der Rohes Klassikern bis hin zu den Verrücktheiten von Luigi Colani oder Ron Arad illustrieren. Nicht weniger exzentrisch als die heutigen Designer war Yves Klein, dessen zukunftsoptimistische «Luftarchitekturen», die er zusammen mit dem Architekten Claude Parent um 1960 entwickelte, derzeit in der MAK-Galerie zu sehen sind. Zeichnungen aus Privatbesitz wie «Eingang ins technische Eden» vergegenwärtigen vollklimatisierte Städte, in denen die Menschen in Bauten aus Feuer und heisser Luft ihr Glück hätten finden sollen.

Österreicher im MAK

Gleichsam die Antithese zu Kleins Luftkunst stellt der die Festigkeit der Semper-Schule verkörpernde Ringstrassen-Palast des MAK selbst dar. Der Genese dieses von der italienischen Renaissance beeinflussten Gesamtkunstwerks geht die intime «Stadtumbau»-Ausstellung im Kunstblättersaal des MAK nach. Zeichnungen und Modelle belegen die Zusammenarbeit des Architekten Heinrich von Ferstel mit Kunsthistorikern, Freskenmalern und Bildhauern ebenso wie die von Peter Noever initiierten Neuerungen und Erweiterungen von 1989. Das damals von Hermann Czech im Nordflügel des Ferstel-Baus eingerichtete MAK-Café musste jüngst einem neuen Innenraumkonzept Platz machen.

Dieses stammt vom unkonventionellen Wiener Büro Eichinger oder Knechtl, das schon 1998 mit dem Café im Palmenhaus Aufsehen erregt hatte. Dem etwas düster zum Nobelrestaurant «Österreicher im MAK» umgestalteten Saalbau antwortet der an diesen mittels einer balgenartigen Passerelle angedockte luftig heitere Pavillon, den man als Glanzlicht der neusten Wiener Baukunst bezeichnen darf. Durch das pastellfarbene, an einen Diner erinnernde Interieur, das mit Schiebedächern zum Himmel geöffnet werden kann, weht der Geist der fünfziger Jahre. Doch nach aussen gibt sich der Anbau, der mit seinem kubisch gebrochenen Fensterkranz über dem eingezogenen Sockelgeschoss zu schweben scheint, ganz zeitgemäss. Dabei beherrschen Eichinger oder Knechtl die Kunst der manieristischen Überspitzung ähnlich gut wie Plečnik. Nur dass die Wiener statt mitteleuropäischer Schwere mit heutigen Materialien und Detaillösungen eine poppig-barocke Atmosphäre erzeugen.

[ «Joze Plečnik» bis 8. September, Katalog 22 Euro. - «A-Schau» permanent, Katalog erscheint Ende August. - «Dominique Perrault» bis 23. Oktober, Katalog Euro 26.80. - «360° Design Austria» bis 3. September, Katalog Euro 19.80. - «Freischwingen» bis 29. Oktober, Katalog 21 Euro. - «Yves Klein - Air Architecture» bis 24. September, Katalog Euro 24.80. - «Raumplanung» bis 29. Oktober, kein Katalog. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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