Veranstaltung

Architektur, Menschen und Ressourcen
Ausstellung
11. Oktober 2007 bis 13. Januar 2008
Pinakothek der Moderne
Barer Straße 40
D-80333 München


Veranstalter:in: Architekturmuseum der TU München

Vorarlberger Weltsprung

Die Architekten Baumschlager Eberle in der Pinakothek der Moderne in München

Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle sind neben Coop Himmelb(l)au wohl die erfolgreichsten Architekten Österreichs. Eine Ausstellung in München dokumentiert die Erfolgsgeschichte der Vorarlberger.

9. November 2007 - Jürgen Tietz
Die kleinteilige Landschaft zwischen Bodensee und Alpen liegt seit einigen Jahren schon nicht mehr im Zentrum der baukünstlerischen Recherche von Carlo Baumschlager und Dietmar Eberle. Mit ihren jüngsten Bauten und Projekten drängen die beiden Architekten, die einst als Heroen des Vorarlberger Regionalismus gefeiert wurden, nicht nur in die Welt hinaus, sondern auch in die Höhe. Da bleibt wenig Raum für die sinnliche Materialität ihrer frühen Werke, für die sie gerne zart ergrauende Schindeln oder Holzlamellen wählten. Stattdessen beherrschen fast nur noch Glas, Stein und Ziegel die jüngsten Arbeiten. Für Eberle ist damit kein programmatischer Wandel verbunden, sondern lediglich ein Massstabwechsel: «Bei den grossen Projekten der letzten Jahre bot es sich nicht an, Holz zu verwenden.»

Ungebremste Bauwut

Unter dem Titel «Architektur, Menschen und Ressourcen» präsentiert das Architekturmuseum der TU in der Münchner Pinakothek der Moderne einen Überblick über das neuste Schaffen von Baumschlager Eberle aus den vergangenen sechs Jahren. Die Schau verdeutlicht den Sprung der Architekten vom europäischen Regionalismus in die globalisierte Welt. Rund 70 Projekte sind derzeit im Bau oder in Planung. Neben Europa bildet dabei China einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit: Mit den modisch-marktgängig als Moma (2005) und PopMoma (2007) benannten Wohnhochhäusern haben sie in Peking eine architektonische Visitenkarte mit Fassaden im Schachbrett-Muster hinterlassen.

Weit wichtiger, als am grossen China-Kuchen der Global Players der Architekturszene zu knabbern, ist es für Baumschlager Eberle, im boomenden Reich der Mitte nachhaltige, energieoptimierte Architektur zu verwirklichen. Um den Energiebedarf für die individuelle Klimatisierung der grosszügig geschnittenen Wohnungen in den Moma-Hochhäusern zu reduzieren, setzen sie Betondecken als Wärme- und Kältespeicher ein. Zudem wird Frischluft über das Dach in die Wohnungen geleitet. Ziel von Baumschlager Eberle ist es, mit den vorhandenen baulichen Instrumenten eine für den jeweiligen Ort und seine klimatischen Voraussetzungen optimale Energiebilanz zu erzielen.

Die klar gegliederte Münchner Schau stellt die Projekte anhand von Fotos, Plänen und Modellen vor. Grosse Fotowände mit älteren Bauten unterstreichen derweil, wie sehr sich die Architektursprache der Vorarlberger gewandelt hat, die in den neunziger Jahren mitunter mit teilweise oval geschwungenen Projekten auf die postmoderne Wiener Schule um Hans Hollein anspielten. Gleichzeitig widmeten sich Baumschlager Eberle wie kaum ein anderes Büro dem Einfamilienhaus. Dabei entwickelten sie eine Leidenschaft für vollständig zu verschliessende Holzkuben aller Art. Nun zeigen ihre völlig ohne Holzfassaden auskommenden chinesischen Projekte, wie sie ihr aus dem Thema Regionalismus abgeleitetes Entwurfsprinzip zu globalisieren wussten. Indem sie nach dem Ort und seiner spezifischen klimatischen und kulturellen Voraussetzung fragen, wird ihr Ansatz zwar nicht stilistisch, aber dafür methodisch übertragbar.

Riesenbauten und eine Miniatur

Allerdings zeigt ihr Büro auch bei der architektonischen Handschrift Leitmotive. Etwa die eleganten, aber auch ein wenig manieriert wirkenden Glasfassaden aus schindelartig sich überlappenden Scheiben – bald ganz in Weiss, wie bei einem bahnhofsnah gelegenen Wohnhaus in Winterthur, bald ganz in Schwarz, wie beim neuen Flughafen in Wien, der 2009 fertig gestellt werden soll. Beim Hotel «Cube» in Savognin entschieden sie sich hingegen für eine grafische Aussenhaut, die einen strengen Akzent in der alpinen Landschaft setzt. Den räumlich spannungsvollsten Einsatz der Fassadengestaltung haben die Architekten mit dem Verwaltungsgebäude für die Weltgesundheitsorganisation und das Aids-Koordinierungsprogramm der Vereinten Nationen in Genf verwirklicht. Der Clou des Hauses ist das komplexe räumliche Vexierspiel von Innen- und Aussenräumen, von Höfen und Hallen, die durch die gläserne Architektur miteinander zu verschmelzen scheinen. Mit dem Gebäude für die Münchener Rück in München haben sie ein weiteres Zukunftsthema architektonisch besetzt: die Umnutzung und Erweiterung eines schlichten Verwaltungsgebäudes der siebziger Jahre, das nach der Transformation zum Schmuckstück avancierte.

Neben all diesen Bauten im Massstab gross bis extragross finden Baumschlager Eberle aber auch immer wieder Zeit für kleine Projekte wie das Klubhaus am Hafen von Fussach, wo sie – unweit der Mündung des Rheins in den Bodensee – bereits im Jahr 2000 ein Hafengebäude verwirklichen konnten. Beim neuen Klubhaus legen sie eine gläserne Hülle um eine sich baumartig verzweigende Betonstruktur. Das Ergebnis ist eine jener delikaten baukünstlerischen Arbeiten, mit denen Baumschlager und Eberle ihren Ruf begründet haben.

[ Bis 13. Januar 2008 im Architekturmuseum der TU in der Münchner Pinakothek der Moderne. Katalog: Architektur, Menschen und Ressourcen. Baumschlager-Eberle 2002–2007. Hrsg. Winfried Nerdinger. Springer-Verlag, Wien 2007. 231 S., € 39.–. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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