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TEC21 2007|11
Energie aus der Tiefe
TEC21 2007|11
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Gedämpfte Hoffnungen

Die Stromproduktion aus Erdwärme scheint eine vielversprechende Option für die Zukunft zu sein. Mit einem Pilotprojekt soll in Basel die prinzipielle Machbarkeit eines Geothermiekraftwerkes demonstriert werden. Nachdem die Stimulation des Gesteins unerwartet starke Erdbeben ausgelöst hatte, geriet das Projekt im letzten Dezember in Schieflage.

12. März 2007 - Felix Würsten
Es war kurz vor sechs Uhr abends, als am 8. Dezember 2006 die Region Basel von einem Erdbeben erschüttert wurde. Ausgelöst wurde das Ereignis, das auf der Richterskala eine Stärke von 3.4 ­erreichte, durch die Arbeiten auf der Baustelle des ersten Geothermiekraftwerks der Schweiz in Kleinhüningen. Das Beben erschreckte nicht nur die Bevölkerung, sondern versetzte auch den Hoffnungen, in der Schweiz könne in absehbarer Zeit Strom aus Erdwärme erzeugt werden, einen argen Dämpfer. Ob und in welcher Form die Pilotanlage in Basel realisiert werden kann, ist zurzeit noch unklar. Das Projekt wurde sistiert, nachdem sich am 6. und 16. Januar sowie am 3. Februar 2007 noch weitere Erdstösse mit einer Magnitude von mehr als 3 ereignet hatten. Der Bohrturm auf der Baustelle ist inzwischen demontiert, die Arbeiten sind weitgehend eingestellt. Die Basler Regierung will in den nächsten Monaten mit einer Risikoanalyse abklären, in welcher Form das Projekt weitergeführt werden kann.

Dabei verlief eigentlich zunächst alles nach Plan. Mit dem sogenannten Hot-Fractured-Rock-Verfahren (HFR) schien man über eine weitgehend risikofreie Technik zu verfügen, mit der auch in Regionen ohne aktiven Vulkanismus Erdwärme zur Stromproduktion genutzt werden kann. Während in verschiedenen Ländern mit aktiven Vulkanen – beispielsweise Italien, Indonesien, Costa Rica, Mexiko oder Island – schon heute Strom aus Erdwärme produziert wird (Tabelle 6), beschränkt sich die Nutzung der Geothermie in Mitteleuropa bisher auf die Wärmegewinnung. Die Idee des HFR-Verfahrens ist es, Bohrungen in rund 5000 Meter Tiefe abzuteufen und damit in Gesteinsschichten vorzustossen, die für eine Stromproduktion genügend heiss sind. Durch das Einpressen von Wasser wird das vorhandene Kluftsystem des Gesteins erweitert, um dann einen Wasserkreislauf in Betrieb nehmen zu können: Wasser wird durch ein Bohrloch in die Tiefe gepumpt. Dort strömt es durch den Fels, heizt sich auf rund 200°C auf und wird anschliessend durch weitere Bohrlöcher wieder an die Erdoberfläche gepumpt, wo es zur Strom- und Wärme­produktion genutzt wird.

Viele Vorteile

Die Vorteile eines solchen geothermischen Kraftwerks liegen auf der Hand: Es braucht nur wenig Platz auf der Erdoberfläche, beeinträchtigt das Landschaftsbild nicht, produziert keine Abfälle oder Abgase und basiert auf einer beinahe unbegrenzt verfügbaren Energiequelle. Die Anlage in Basel beispielsweise ist so konzipiert, dass das durchströmte Gestein während mindestens
30 Jahren genügend Wärme liefern sollte, erklärt Thomas Mégel von der Firma Geowatt in Zürich. Danach müssten die Bohrlöcher versetzt werden, damit sich die Temperatur im abgekühlten Fels in den nächsten rund 60 Jahren wieder regenerieren kann. Ein wichtiger Vorteil der tiefen Geothermie ist schliesslich, dass sie – im Gegensatz etwa zur Wind- oder Sonnenenergie – Band­energie liefert, also zu jeder Tages- und Jahreszeit zur Verfügung steht. Die erwarteten Produk­tionskosten bewegen sich dabei auf einem durchaus konkurrenzfähigen Niveau. Die Initianten des Basler Projekts rechnen mit Gestehungskosten von 15–25Rp. / kWh bei einer Amortisationszeit von 25 Jahren. Die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) kommt in der kürzlich veröffentlichten Studie «Road Map Erneuerbare Energien Schweiz» zum Schluss, dass in der Schweiz im Jahr 2050 2.1TWh Strom aus der tiefen Geothermie erzeugt werden könnten (Tabelle 6), im Endausbau jährlich bis zu 6.9TWh. Letzteres entspricht ungefähr der
Produktion eines der grösseren Schweizer Kernkraftwerke.
Trotz der unbestrittenen Vorteile ist gegenwärtig schwer abschätzbar, ob sich die tiefe Geothermie neben anderen erneuerbaren Energiequellen als Standardtechnologie etablieren kann. Obwohl Erdwärme prinzipiell überall verfügbar ist, ist der Bau von HFR-Anlagen längst nicht überall möglich. Besonders geeignet sind aus geologischer Sicht Regionen mit einem hohen Energiefluss. Das ist im Jurabogen von Genf bis Schaffhausen der Fall und auch entlang des Mittellandes, in den Zentralalpen und im Südtessin. Eine derzeit laufende Studie untersucht diese Regionen nun detaillierter (siehe Kasten S. 20). Dass die Pilotanlage just in Basel gebaut werden soll, ist also kein Zufall: Die Region befindet sich am südlichen Rand des Rheintalgrabens, der einen besonders hohen Erdwärmefluss aufweist. Da der Wirkungsgrad der Stromerzeugung mit etwa 15% sehr niedrig ist, ist das bestehende Fernwärmenetz in Basel eine weitere wichtige Bedingung für die kommerzielle Nutzung der Geothermie.

Teure Pilotanlage

Ein zweiter kritischer Punkt ist, dass sich die Machbarkeit eines Geothermiekraftwerkes nicht mit kleinen Versuchsanlagen demonstrieren lässt. Die Pilotanlage in Basel beispielsweise ist für eine Leistung von 6MW (Strom) bzw. 17MW (Wärme) ausgelegt und soll im Betrieb jährlich 31000MWh Strom und 48 000MWh Wärme liefern. Das entspricht dem Strombedarf von rund 10 000 Haushalten und dem Wärmebedarf von rund 2700 Haushalten. Dementsprechend sind auch die Investitionskosten alles andere als bescheiden. Die Firma Geopower Basel, welche die Pilotanlage in Kleinhüningen realisiert, hat bis jetzt 56 Millionen Franken investiert. Sie rechnet damit, dass sich die Investitionskosten insgesamt auf 108 Millionen Franken belaufen werden. Risikoreich ist aus Sicht der Investoren, dass es bei der Realisierung zu kostspieligen Fehlbohrungen kommen kann. So musste beispielsweise 1999 eine erste Sondierbohrung für das Basler Projekt abgebrochen werden. Auch der jetzige Unterbruch dürfte nach Angaben von René Kindhauser, Kommunikationsbeauftragter von Geopower, Zusatzkosten von mehreren Millionen ­ver­ursachen.

Abschreckend ist für mögliche Investoren zudem, dass die technische Machbarkeit eines HFR-Kraftwerkes noch nicht restlos geklärt ist. Zwar gibt es im französischen Soultz-sous-Forêts ein europäisches Projekt, das bereits weit fortgeschritten ist und bei dem – wenn alles nach Plan läuft – dieses Jahr mit der Stromproduktion begonnen werden kann. Ob die dort gemachten ­Erfahrungen sich ohne Weiteres auf andere Standorte übertragen lassen, ist aber noch unklar.

Stimulationsversuche als technische Hürde

Die grosse technische Herausforderung beim HFR-Verfahren ist, dass das Wasser in 5000 m Tiefe nicht ohne Weiteres durch das Gestein strömen kann. Aus diesem Grund muss der Fels zwischen den Bohrlöchern künstlich durchlässig gemacht werden. Dies geschieht, indem Wasser mit hohem Druck in die Bohrlöcher gepresst wird. Dadurch, so die Idee, werden in der Tiefe bereits
bestehende Klüfte geöffnet und die Durchlässigkeit des Gesteins erhöht.

Genau an diesem Punkt war man Anfang Dezember in Basel angelangt. Am 2. Dezember wurde in Kleinhüningen mit den Einpressversuchen begonnen. Vorgesehen war, das Gestein während maximal 21 Tagen zu stimulieren. 50 000 m³ Wasser sollten in den Untergrund gepresst werden. Wie erwartet nahm die mikroseismische Aktivität rund um das Bohrloch mit zunehmendem Wasserdruck zu. Als am 8. Dezember um vier Uhr früh ein seismisches Ereignis mit der Magnitude 2.7 ­registriert wurde, reduzierten die Betreiber die Fliessrate zunächst. Später stellten sie die ­Wasserzufuhr ganz ein und öffneten die Bohrung, sodass das Wasser wieder auslaufen konnte. Bis am 6. Januar lief von den ursprünglich injizierten 11 500 l ein Drittel wieder aus.
Die überraschend starken Erschütterungen haben das Projekt in Basel nun in Schieflage gebracht. Dass es zu spürbaren Erschütterungen kommen wird, habe man erwartet, betont Geo­power. Beim Projekt in Soultz-sous-Forêts etwa wurden Erdstösse bis zu einer Magnitude von 2.9 registriert. Dennoch geriet die Firma in die Kritik. Die Kommunikation der möglichen Risiken sei mangelhaft gewesen, kritisierte etwa der Schweizerische Erdbebendienst, der die Arbeiten seismisch überwacht. Aufgeworfen wurde auch die Frage, ob das Risiko vertretbar sei, in einer dicht besiedelten Region, in der sich potenziell schwere Erdbeben ereignen könnten, die Klüftung der Gesteine und damit den Spannungszustand des Untergrundes zu beeinflussen.

Die Firma Geopower wiederum hält ihren Kritikern entgegen, die Stimulation des Untergrundes sei prinzipiell keine neue Technik, sondern werde beispielsweise von der Erdölindustrie routinemässig eingesetzt, um die Durchlässigkeit der rohstoffhaltigen Schichten zu verbessern. Auch wenn das Verfahren in diesen Fällen nicht genau gleich sei wie dasjenige, das man nun in Basel angewendet habe, seien die dort gewonnenen Erkenntnisse doch anwendbar. Weltweit gebe es kein einziges Beispiel dafür, dass durch eine Stimulation des Untergrundes Erdbeben ausgelöst werden, die signifikante Schäden verursachen.

Nicht genügend erforscht

Tatsache ist, dass die bisherige Stimulation noch nicht ausreichend ist, um eine HFR-Anlage zu betreiben. Sollte das Projekt in Basel weiterverfolgt werden, wird eine erneute Injektion von Wasser nötig sein, um die Durchlässigkeit des Gesteins zu erhöhen. Nach Ansicht von verschiedenen Experten, die nach dem Vorfall vom 8. Dezember zum Projekt in Basel Stellung genommen haben, sollte aufgrund der nun gemachten Erfahrungen das Konzept der Anlage nochmals überdacht werden. Dem Projekt, so bemängelte etwa Keith Evans vom Geologischen Institut der ETH Zürich, fehle es an wissenschaftlichem Input. Nach Ansicht der Schweizerischen Vereinigung für Geothermie (SVG) rächt es sich nun, dass in der Schweiz die Nutzung der tiefen Erdwärme nicht umfassend erforscht wird. Man wisse heute noch nicht genügend gut, wie man das Gestein in derart grosser Tiefe durchlässig machen könne, erklärt Geschäftsführer Roland Wyss. Auch über die möglichen Risiken wisse man noch zu wenig. Dass der Bau eines «Durchlauferhitzers» tief in der Erde keine einfache Angelegenheit ist, zeigt sich auch beim Projekt in Soultz-sous-Forêts. Die Durchflussraten, die man dort inzwischen erreicht, sind nicht so hoch, wie man sich das ursprünglich erhofft hatte. Die SVG forderte deshalb Mitte Januar, dass umgehend ein Nationales Forschungsprogramm zur tiefen Geothermie lanciert wird.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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