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TEC21 2007|22
Kühlen
TEC21 2007|22
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zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Gebäudekühlung in der Zukunft

Während der Lebensdauer heute erstellter Gebäude wird das Klima deutlich wärmer werden. Im Forschungsprojekt «Bauen, wenn das Klima wärmer wird» wird untersucht, welche Zunahme der mechanisch belüfteten und gekühlten Gebäudefläche dadurch zu erwarten ist und mit welchen Massnahmen ein Anstieg des Elektrizitätsverbrauchs vermindert oder vermieden werden kann.

Der Uno-Weltklimarat IPCC kam in seinen kürzlich veröffentlichten Berichten1 zu einem klaren Schluss: Die vom Menschen verursachte Freisetzung von Treibhausgasen ist hauptverantwortlich für die Klimaerwärmung. Im Moment sind wir in unseren Breitengraden bei einer Zunahme der Jahresmitteltemperatur von etwa 0.2 K pro 10 Jahren, Tendenz steigend. Ohne drastische Gegenmassnahmen müssen wir uns also darauf vorbereiten, dass die Tendenz der Erwärmung anhält. Notwendig sind daher gleichzeitige Anstrengungen zur Verminderung der Treibhausgas-Emissionen, zur Schadensminderung und zur Anpassung an die neue Klimasituation.
Die Klimaerwärmung hat teilweise auch positive Effekte. Betrachtet man beispielsweise den Energiebedarf von Gebäuden, so führt die Klimaerwärmung hierzulande im Winter zu einem geringeren Raumwärmeverbrauch. Die Erwärmung gibt uns heute allerdings noch nicht die Möglichkeit, geringere Auslegetemperaturen für die Heizung zu wählen, weil ihre Volatilität zu hoch und Extremereignisse häufiger geworden sind.

Höherer Strombedarf im Sommer

Dagegen werden im Sommer künftig viele Gebäude häufiger und länger unangenehm hohe Innentemperaturen aufweisen. Dabei werden sich bei vielen Gebäuden starke thermische Komfortmängel zeigen, die einige Gebäude zeitweise gar unbenutzbar machen. Anderseits werden wärmere Sommer eine Welle der Nachrüstung mit Raumklimageräten auslösen, die im Bürobereich und neu auch im Haushaltbereich grosse Märkte erschliessen wird. Im Bürobereich werden vorhandene Lüftungsanlagen schrittweise zu Teilkühl- und Klimaanlagen aufgerüstet. Dadurch wird der Elektrizitätsbedarf für den Raumklimabereich im Sommer merklich steigen.

Spitzenlastsituationen werden dann im Hochsommer und nicht mehr nur im Winter auftreten. Dieser sommerliche Mehrverbrauch wurde hierzulande lange als ­problemlos eingeschätzt, weil wir sozusagen im Wasserstrom schwimmen und diesen im Sommer zu schlechten Preisen exportieren müssen. Inzwischen werden an den Strombörsen in Europa und auch in der Schweiz mitunter die stärksten Preisausschläge für Elektrizität im Sommer verzeichnet. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf Versorgungsengpässe bei der Produktion und in der Verteilung.

Entwicklung der gekühlten Gebäudeflächen

Das vom Bundesamt für Energie und weiteren Stellen unterstützte Forschungsprojekt «Bauen, wenn das Klima wärmer wird» hat zum Ziel, die erwartete Zunahme des Elektrizitätsverbrauchs in den Sommermonaten zu quantifizieren und aufzuzeigen, mit welchen Massnahmen diese Entwicklung vermindert oder vermieden werden kann. Um den zusätzlichen Elektrizitätsbedarf im Sommer abschätzen zu können, wurden in einem ersten Schritt die Entwicklung des Gebäudebestandes und dessen Technisierung betrachtet. Die Entwicklung der Gebäudeflächen von 1990 bis 2035 im Bereich Wohnen, Dienstleistungen und Industrie wurde im Rahmen der schweizerischen Energieperspektiven 2000 bis 2035 untersucht3. Sie geht von einer Nettozunahme (d. h. Zubau minus Abbruch und Zweckentfremdung) der Energiebezugsfläche (EBF) von 0.8 % p.a. aus.

Über den Anteil der Gebäudeflächen mit mechanischer Lüftung und mit Kühlung liegen keine gesicherten Grundlagen vor. Im beschriebenen Forschungsprojekt wurde mit zwei verschiedenen Szenarien gerechnet. Im Szenario «Basisentwicklung» (ohne Klimaerwärmung) wird bei den Wohn- und Büronutzungen die relative Bedeutung der drei Technisierungsstufen bei der Gebäudetechnik (natürlich belüftet, mechanisch belüftet ohne Kühlung bzw. mit Kühlung) gemäss Bild 2 angenommen. Ein zweites Szenario «Entwicklung mit warmen Sommern» (mit Klimaerwärmung) nimmt ab dem Jahr 2000 eine zusätzliche Zunahme der mechanisch belüfteten und gekühlten Gebäudeflächen an (Bild 3).

Elektrizitätsverbrauch im Sommer

Jahrzehntelang war die Engpassleistung der Elektrizitätsversorgung in der Schweiz und in Europa insgesamt auf tiefe winterliche Aussentemperaturen konzentriert, weil elektrische Heizungsanlagen den Spitzenbedarf verursachten. Betrachet man die Veränderung des monatlichen Stromverbrauchs im Jahr 2003 verglichen mit dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2004 (Bild 4), so zeigt sich hier eine neue Entwicklung, bei der die Sommermonate Juni ( 11.6 %), Juli ( 12.3 %) und August ( 11.2 %) die höchsten Zuwachsraten aufweisen.
Ein weiteres Indiz für die Zunahme des sommerlichen Kühlbedarfs liefert die Korrelation der Monatsverbrauchswerte für Elektrizität der vier Jahre 2000 bis 2003 in der Stadt Zürich. Bei Monatsmitteltemperaturen über 17 °C nimmt der monatliche elektrische Energieverbrauch um ca. 2.6GWh / K zu (Bild 5). Diese markante Zunahme kann durch verschiedene sommerliche Tätigkeiten (u. a. zusätzlicher gewerblicher Kältebedarf und Raumkälte) erklärt werden.

Im Rahmen der Energieperspektiven des Bundesamtes für Energie sind summarische Ab-schätzungen für den zusätzlichen elektrischen Energiebedarf für Raumkälte im Haushalt- und im Dienstleistungssektor bis 2035 gemacht worden.6 Danach bewirkt die Klimaerwärmung angeblich einen bis zu 4 % höheren Stromverbrauch sowohl im Referenzszenario I «Weiter wie bisher» (2.9 TWh / a) als auch im Szenario IV «2000-Watt-Gesellschaft» (1.9 TWh / a). Da die Grundlagen für diese Berechnungen ungenau sind, ist dieser Wert wohl zu hoch. Die Entwicklung der Gebäudeflächen basiert auf der gleichen Berechnungsgrundlage. Die Entwicklung der Stufen der Technisierung und die Möglichkeiten der technischen Anpassungen auf der Gebäude- und Haustechnikseite wurden dabei aber nicht weiter untersucht.

Entwicklungsszenarien

Im Forschungsprojekt werden die folgenden Entwicklungsszenarien betrachtet:
– Gebäudebestand: Entwicklung wie oben beschrieben
– Technisierung: Szenario 1 «Basisentwicklung» gemäss Bild 2 und Szenario 2 «Entwicklung mit warmen Sommern» gemäss Bild 3.
– Energieeffizienz: Szenario 1 «Status quo» und Szenario 2 «Anwendung von energieeffi­zienten Lösungen für die mechanische Belüftung und Kühlung».
Die heutige Situation wird anhand des Zustandes im Jahr 2005 beschrieben. Die Berechnung des sommerlichen Energiebedarfs erfolgt für das Jahr 2035 mit den oben beschriebenen Szenarien. Auf der Basis der Angaben in der neuen Norm SIA 382 / 17 (siehe Artikel Seite 28) werden für die Abschätzung des elektrischen Energiebedarfs die Kennwerte nach den Tabellen 6 und 7 verwendet.

Beurteilung und Massnahmen

Da das Forschungsprojekt noch nicht abgeschlossen ist, liegen vorerst nur qualitative Ergebnisse vor. Die detaillierten Resultate werden Anfang 2008 als SIA-Dokumentation ­publiziert. Unabhängig von der Klimaerwärmung wird in den nächsten Jahren die mechanisch belüftete und gekühlte Gebäudefläche in der Schweiz zunehmen aufgrund der Vergrösserung der spezifischen Gebäudeflächen, der Bevölkerungszunahme und der allgemeinen Zunahme der Komfortansprüche. Durch die Klimaerwärmung wird diese Entwicklung zusätzlich beschleunigt. Ohne kompensatorische Massnahmen ist damit eine deutliche Zunahme des Elektrizitätsverbrauchs vor allem in den Sommermonaten verbunden.

Die Untersuchungen im Forschungsprojekt «Bauen, wenn das Klima wärmer wird» zeigen aber, dass mit heute zur Verfügung stehenden energieeffizienten Techniken eine Zunahme des Elektrizitätsverbrauchs für die Lüftung und die Kühlung vermindert oder sogar vermieden werden kann. Im Vordergrund stehen die folgenden Massnahmen:
– Besserer Schutz vor äusseren Wärmelasten durch einen guten beweglichen äusseren Sonnenschutz mit mindestens fassadenweiser Steuerung
– Gebäude mit tiefen Grundrissen der Haupträume (> 6 m) und nicht übermässiger Fensterfläche (< 0.3 Af / EBF) können wesentlich besser gegen hohe sommerliche Aussentemperaturen geschützt werden.
– Reduktion der inneren Wärmequellen durch die Verwendung von energieeffizienten ­Geräten und Beleuchtungsanlagen inkl. bedarfsgerechten Betriebs und Vermeidung von Stand-by-Verlusten.
– Energieeffiziente Luftförderung durch die Verwendung angepasster Luftvolumenströme, kleine Druckdifferenzen (kleine Luftgeschwindigkeiten, kurze Kanalnetze etc.), gute Wirkungsgrade der Kältemaschinen und der Luftförderung sowie bedarfsgerechten Betrieb.
Die entsprechenden technischen Vorgaben sind in der neuen SIA 382  /  1, Ausgabe 2007, enthalten7.
Die Klimaerwärmung ist unvermeidlich, die Zunahme des elektrischen Energieverbrauches für Raumkühlung in der Schweiz aber nicht. Angepasste Baustandards können die Zunahme auf null reduzieren und garantieren trotzdem die thermische Behaglichkeit der Benützerschaft.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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