Zeitschrift

TEC21 2007|22
Kühlen
TEC21 2007|22
TEC21 2007|22
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Mit Wärme Kälte produzieren

Bei solarthermischen Kälteanlagen treibt Solarwärme einen Absorptions- oder Adsorptionsprozess an. Neben Wärme fällt dabei Kälte an. Bislang sind in der Schweiz und in Europa nur wenige Anlagen installiert, doch das Potenzial für diese Art des solaren Kühlens ist immens.

29. Mai 2007
Auf 12.7% schätzt die Internationale Energie-Agentur IEA die jährliche Zunahme der Kälteproduktion zur Gebäudeklimatisierung. Die immense Steigerung ist allerdings weniger auf die Temperaturveränderung aufgrund des Klimawandels als auf die gestiegenen Komfortansprüche, den Trend zu hohen Glasanteilen in Fassaden und die Bautätigkeit in warmen Regionen zurückzuführen. Für die konventionelle Kälteerzeugung mit elektrischen Kompressoren bedingt dieser Zuwachs entsprechende Infrastrukturen, insbesondere von Kraftwerken und Verteilnetzen. Bei der solaren Kühlung von Bauten und Anlagen dagegen stammt die Antriebsenergie für die Kältemaschinen aus Sonnenkollektoren. Als Vorteil ­erweist sich, dass der Kältebedarf der Gebäude und die Spitzenwärmeproduktion der Kollektoren weitgehend korrelieren − sowohl im Jahres- als auch im Tagesgang. Zudem lassen sich die Kollektoren während der Heizperiode zur Raumwärmeproduktion nutzen.

Zwei Technologien

Bei der solarthermischen Kälteproduktion sind zwei Technologien zu unterscheiden: Absorption und Adsorption. Der Absorptionsprozess kommt rund um den Globus millionenfach in Kleinkühlschränken, vorab in Hotels und Campingfahrzeugen, zum Einsatz. Im Hotelzimmer ist der lautlose Betrieb das Kriterium (die Maschine läuft ohne Kompressoren), im Camper der Mangel an elektrischer Leistung. Denn Absorptionsmaschinen lassen sich mit thermischer Energie − zum Beispiel aus Gasflaschen oder Sonnenkollektoren − antreiben. Noch besser für die solare Kühlung eignet sich die Adsorption, weil dieser Prozess mit tieferen Antriebstemperaturen arbeitet. Ob Adsorption oder Absorption, Kältemaschine und Kollektoranlage bilden sozusagen eine Schaukel: Bei hohen Temperaturen des Antriebsmediums bringt die Kältemaschine eine hohe Leistungszahl, die Kollektoren dagegen ernten nur mit vermindertem Wirkungsgrad. Bei tiefen Temperaturen ist es umgekehrt. Wichtig ist deshalb die geschickte Einbindung der Komponenten in das Gesamtsystem «solare Kühlung» und dessen Optimierung.

Drei Kollektorarten

Die Optimierung fängt allerdings schon bei der Wahl der Komponenten an. Denn die Kollektortypen arbeiten in unterschiedlichen Temperaturbereichen. Flachkollektoren liefern Wärme bis ungefähr 90 °C, Röhrenkollektoren bis 130 °C, und Systeme mit Parabolreflektoren erzeugen Temperaturen von einigen hundert Grad. Noch stärker als die Temperaturen steigen allerdings die spezifischen Investitionskosten zur Erzeugung von Solarwärme. Dies ist mit ein Grund, weshalb in unseren Breitengraden Kühlsysteme in Kombination mit Flachkollektoren häufig entscheidende Kostenvorteile aufweisen.

Vier Anlagen in der Schweiz

Auf dem Weingut Schloss Salenegg im Bündner Rheintal erzeugen schon seit Jahren 70 m² Flachkollektoren Wärme für Heizung und Warmwasser. Ausserhalb der Heizperiode fällt Überschusswärme an, die früher nicht verwertet wurde. In diesen sommerlichen Zeiten besteht auf dem Gut ein Kühlbedarf für die Weinproduktion, der seit 2006 über eine Absorptionskältemaschine gedeckt wird (Bild 2). Bei einem Wärmeeintrag von 21kW bei 75 °C und einer Kühlleistung von 15kW bei 11 °C soll die Maschine eine Leistungszahl von 0.7 ausweisen. Für die vom Bundesamt für Energie unterstützte Pilotanlage in Salenegg ist eine mehrjährige Messkampagne vorgesehen; zurzeit sind noch keine Daten verfügbar.[1,2]
Nach dem gleichen Prinzip arbeitet die Kältemaschine am SPF Institut für Solartechnik an der Hochschule für Technik Rapperswil. Die Kühlleistung beträgt 10kW, die Kollektorfläche misst 30 m², und die Leistungszahl liegt zwischen 0.6 und 0.8. Die Rapperswiler Testanlage arbeitet mit Flachkollektoren im Temperaturbereich von 55°C bis 95°C. Die Forscher setzen für die Optimierung weite Systemgrenzen: Da zwischen stärkster Solarstrahlung und höchstem Kühlbedarf aufgrund der Gebäudemasse eine zeitliche Verschiebung von drei bis vier Stunden wirksam ist, liefert eine konsequente Orientierung der Kollektoren nach Südwesten eine bessere Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage. Der in Rapperswil installierte Pufferspeicher mit einem Inhalt von 1500l Wasser stellt Antriebsenergie für die Kältemaschine nach Sonnenuntergang zur Verfügung.[3] Weitere Anlagen sind in Gebäuden des Migros Genossenschaftsbundes am Limmatplatz in Zürich und der Berner Kantonalbank in Thun installiert. [4]

Wertigkeit der Energie

Die Leistungszahl, in der Literatur häufig als Wärmeverhältnis bezeichnet, ist der Quotient aus Kälteproduktion und Wärmeeintrag und naturgemäss von der Antriebs- und der Kühltemperatur abhängig. Bei einstufigen Absorptionsmaschinen liegen die Leistungszahlen üblicherweise zwischen 0.6 und 0.7. Bei zweistufigen Geräten sind Werte zwischen 1.1 und 1.4 möglich, weil die Wärme nach der ersten Stufe − mit tieferer Temperatur − wieder in den Prozess zurückgeführt wird.[5] Neben den beiden Parametern Antriebs- und Kühltemperatur beeinflusst die Temperatur der Wärmeabfuhr aus dem Absorber die Effizienz der Maschine erheblich. Dies zeigt ein Vergleich an der Maschine im Schlossgut Salenegg: Bei sonst gleichen Verhältnissen steigt die Leistung um rund 30 % und die Leistungszahl von 0.54 auf 0.69, wenn sich die Temperatur der Wärmeabfuhr von 33 °C auf 30 °C verringert.2 Für Planer von solaren Kühlanlagen ist deshalb die Dimensionierung und Ausrüstung der Kühltürme für die Wärmeabfuhr sehr wichtig. In der Regel werden die Kühleinrichtungen mit Wasser berieselt, um den Kühleffekt der Verdunstung zu nutzen.

Der Markt

Kälte wird überwiegend mit elektrischen Kompressoren produziert. Ein japanischer Branchenverband gibt für das Jahr 2006 einen weltweiten Absatz von 63Mio. Kühlgeräten an, für Europa von 5.4Mio. Im Jahr 2008 sollen es bereits 69Mio. respektive 6.1Mio. Geräte sein.[6] In Europa ist die Marktdurchdringung von Kältemaschinen im Wohnungsbau mit 2 % vergleichsweise gering. In Japan sind 70 % und in den USA 55 % der Wohnungen mit Kältemaschinen ausgerüstet. Das dürfte sich bald ändern. Schon heute steigen die Installations­raten im südlichen Europa sehr stark an.6 Absorptionsmaschinen bilden einen verschwindend kleinen Anteil und kommen fast ausschlieslich in industriellen und gewerblichen Prozessen zur Nutzung von kostengünstiger Abwärme zum Einsatz. Solarthermische Kälteanlagen schliesslich sind äusserst selten, in der Schweiz sind vier Anlagen installiert.

Aufgrund der hohen Anlagekosten produzieren solarthermische Kälteanlagen keineswegs günstig; in der Regel ergeben sich hohe spezifische Wärmekosten. Anders sieht die Rechnung aus, wenn sich eine Kollektoranlage über die Wärmeproduktion für Heizung und Wassererwärmung amortisiert und Überschusswärme im Sommer quasi gratis anfällt. Solarthermische Kälteanlagen stehen zudem − auch unter ökologischen Gesichtspunkten − in Konkurrenz mit solarelektrischen Anlagen. Zwar sind die spezifischen Investitionskosten in die Fotovoltaikanlage deutlich höher im Vergleich zu Kollektoranlagen, aber die elekt­rische Kältemaschine ist kostengünstiger bei gleichzeitig besserer Leistungszahl. (Text: Othmar Humm)
Anmerkungen:
[1] Ökozentrum Langenbruck, Bernd Sitzmann, Langenbruck
[2] EAW Energieanlagenbau, Westenfeld
[3] Hochschule für Technik Rapperswil, Institut für Solartechnik, Rapperswil
[4] Bundesamt für Energie, Bereich Solarenergie
[5] Recknagel: Heizung- + Klimatechnik. München 2006.
[6] Jakob Ulli und Ursula Eicker: Solare Kühlung in Gebäuden. Energietag Rheinland-Pfalz. Bingen, September 2006.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

Tools: