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TEC21 2007|23
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TEC21 2007|23
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Umstrittenes Projekt

Der Ilisu-Staudamm ist Teil eines grossen Infrastrukturprojektes im Südosten der Türkei, mit dem die türkische Regierung die wirtschaftliche Entwicklung einer der ärmsten Regionen des Landes fördern will. Am Bau sind auch vier Schweizer Firmen beteiligt, denen der Bundesrat Ende März eine Exportrisikogarantie zusagte. Nichtregierungsorganisationen kritisieren das Projekt seit Jahren.

4. Juni 2007
Das so genannte Südostanatolienprojekt (GAP) umfasst den Bau von insgesamt 22 Staudämmen und 19 Wasserkraftwerken im Euphrat-Tigris-Becken entlang der syrischen und der irakischen Grenze im Südosten der Türkei. Mit dem in den 1970er-Jahren gestarteten Projekt will die türkische Regierung den steigenden Strombedarf des Landes decken und gleichzeitig das Entwicklungsgefälle der Region zum Rest der Türkei ausgleichen. Das gesamte GAP wird 32 Mrd. US-Dollar kosten und soll 2015 abgeschlossen sein. Dann soll es 20 % des gesamten Strombedarfs der Türkei abdecken und 1.7 Mio. ha Land bewässern.

Bisher wurden 9 Staudämme in Betrieb genommen. Der grösste ist der 1992 fertig gestellte Atatürk-Staudamm am Euphrat (Kapazität 2400 MW, Leistung 8900 GWh), der zugleich der fünftgrösste der Welt ist. 13 weitere Staudämme sind in Planung.
Der Ilisu-Staudamm wird zu den grössten gehören und ca. 1.52 Mrd. US-Dollar kosten.

Dafür wird der Tigris auf einer Länge von 136 km aufgestaut und eine Fläche von maximal 313 km2 überflutet. Der Ilisu-Staudamm soll ausschliesslich zur Energiegewinnung genutzt werden, nicht zur Bewässerung.

Schon 1997 wurde ein Unternehmerkonsortium unter der Leitung des Schweizer Unternehmens Sulzer Hydro mit dem Bau beauftragt. Daran beteiligt waren auch ABB Power Generation sowie die UBS für die Finanzierung des Staudamms. Als das Projekt wegen seiner ökologischen und sozialen Auswirkungen und der Missachtung internationaler Standards in diesen Bereichen immer stärker in die Kritik geriet, zogen sich einige der Firmen vom Auftrag zurück, darunter auch die UBS. 2005 bildete sich ein neues Konsortium, das Exportrisikogarantien in Österreich, Deutschland und der Schweiz beantragte. Dabei betonen die beteiligten Unternehmen, dass man klare Verbesserungen beim Projekt erreicht und für hohe westliche Standards gesorgt habe.

Als der Bundesrat Mitte Dezember 2006 den vier beteiligten Schweizer Firmen Alstom (ehemals ABB Power Generation), Colenco, Stucky und Maggia eine Exportrisikogarantie von 225 Mio. Franken zusagte, begründete Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard denn auch den positiven Entscheid damit, dass das Projekt gemäss internationalen Standards realisiert werden könne. Auch Deutschland und Österreich stimmten der Exportrisikoversicherung zu. Die endgültige Garantie wurde an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Diese stützen sich auf Vereinbarungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über Umwelt und Exportkredite von 2001, welche wiederum auf Weltbank-Standards beruhen. Ein Teil dieser Bedingungen musste erfüllt sein, bevor der Bundesrat Ende März 2007 seine definitive Zusage gab. Dass auch die übrigen Bedingungen erfüllt werden, überwacht ein Expertenkomitee. Derzeit bemüht sich die Türkei bei Banken um die Finanzierung des Projekts.

Die strenge Überprüfung durch die Exportkreditagenturen habe bestätigt, dass das Projekt den erforderlichen internationalen Standards entspreche und viele positive Auswirkungen auf die Region und die Menschen vor Ort haben werde, schreibt das Baukonsortium in einer Medienmitteilung. Ganz anders äusserte sich die entwicklungspolitische ­Organisation Erklärung von Bern (EvB). Sie kritisiert den Bundesratsentscheid scharf, weil viele internationale Standards nicht eingehalten würden (siehe Artikel S. 29).

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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