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TEC21 2007|24
Zooarchitektur
TEC21 2007|24
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Abschied vom Käfig?

Zoos und Tierparks sind weltweit Publikumsmagneten. Doch ihre Gestaltung hat sich verändert. Grosszügige, naturnah gestaltete Gehege lösten im Laufe der Zeit die engen Käfige ab. Die Besucher tauchen heute scheinbar in den Lebensraum der Tiere ein.

11. Juni 2007 - Daniela Dietsche
Die ersten zooähnlichen Anlagen entstanden schon im zweiten Jahrtausend v. Chr. in Ägypten. Bei den königlichen Palästen wurden wilde Tiere zu rituellen Zwecken gehalten. Legendär war der «Garten des Ammon» der Königin Hatschepsut in Theben. Sie versammelte 1500 v. Chr. in den Tempelanlagen Deir al Bahri Wasserböcke, Antilopen, Gazellen, Strausse, Giraffen und Elefanten. Bekannt ist auch der «Park der Intelligenz», den Kaiser Wu-Wang 1150 v. Chr. errichtete. Der Park am kaiserlichen Hof nahe Peking bestand bis 1900 n. Chr. Auf 400 ha wurden zahlreiche Säugetiere, Vögel, Reptilien und Fische ge­halten.

Menagerien

Im Europa des 16. Jahrhunderts, des Zeitalters der grossen Entdeckungen, begann der weltweite Tierhandel. Fürsten und Königshäuser hielten exotische Tiere zu Repräsenta­tionszwecken in Gärten und Parks. Damit war die Urform des Zoos, die Menagerie, geboren. Die Menagerie beim Schloss Schönbrunn bei Wien, die 1752 eingerichtet wurde, gilt als der älteste Zoo der Welt. Diese Tiergärten der königlichen Höfe waren für das Volk meist nicht zugänglich. Später entwickelten sich «Fahrende Menagerien», und die wilden Tiere wurden als Attraktion auf Jahrmärkten gezeigt. Bis ins 19. Jahrhundert waren Zoos «Menagerien», in denen möglichst viele Tiere aus allen Erdteilen gesammelt wurden. Die Haltung der Tiere spielte keine Rolle, enge Käfige waren die Regel. Zur Zeit der Französischen Revolution wurde Kritik an dieser Art der Tierhaltung laut. 1793 führte die Französische Revolution dazu, die Menagerie in Versailles aufzulösen. Der Tierbestand war die Grundlage für den «Jardin des Plantes». Der Pariser Tierpark war der erste bürgerliche Zoo in Europa, der für alle Volksschichten geöffnet war. Die Gründung des Zoos in London 1828 löste eine Zoogründungswelle in Europa, später auch in Amerika, Japan und Australien aus. Die Besucher konnten nun durch eine Parklandschaft spazieren und die Tiere in ihren mehr oder weniger geräumigen Käfigen bestaunen. Die Tiere waren oft in architektonisch spektakulären Gebäuden untergebracht. Ab 1870 begannen die zoologischen Gärten nordische Holzkirchen für Hirsche, orientalische Maharadscha-Paläste für Elefanten und Burgen für Greifvögel zu bauen. Doch wurden nicht nur Tiere vorgeführt. Es wurden beispielsweise ganze Dörfer eingerichtet, in denen Nubier, Marokkaner oder Singhalesen für Wochen eingesperrt wurden und ihre Kriegs- und Maskentänze oder Schlangenbeschwörungen vorführen mussten. Diese Tier- und Völkerschauen zum Beispiel im Basler Zoo ­erfreuten sich bis 1932 grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung.

Natur imitieren

Eine neue Epoche begann um 1900 mit dem Schweizer Kunststeinpionier und Bildhauer Urs Eggenschwyler und dem Hamburger Menageriebesitzer Carl Hagenbeck. Er hatte die Idee, Tiere in einem möglichst authentischen Lebensraum zu präsentieren. Nach jahrelangen Versuchen zum Sprungvermögen der Tiere eröffnete er 1907 bei Hamburg den ersten «Gitterlosen Tierpark». Es wurden erstmals künstliche Landschaften, Gebirge, Schluchten,
Abstufungen im Gelände, Seen und Wassergräben geschaffen. Diese wirkten zwar immer noch wie Theaterkulissen und waren aus Sicht der Menschen gestaltet. Dennoch stellten sie in Sachen artgerechter Haltung einen Quantensprung dar.[1]

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Verhaltensforschung auf, und man begann vermehrt, Gehege zu bauen, die dem natürlichen Verhalten der Tiere entgegenkamen. 1942 veröffentlichte der Schweizer Zoologe Heini Hediger sein Buch «Grundriss der Tiergartenbiologie». Heini Hediger und der Basler Wildbiologe Rudolf Schenkel widerlegten den Mythos der unbeschränkten Freiheit der Wildtiere. Ihrer Ansicht nach leben Tiere auch in der Wildnis in natürlicher Unfreiheit; in Revieren, in denen es Futter und Wasser geben muss und die von Nahrungskonkurrenten und Artgenossen bedrängt werden. Ihre These war, dass Tiere artgerecht gehalten würden, wenn es gelänge, dieses natürliche Territorium organisatorisch nachzubilden.

Naturnah gestalten

Ab 1950 ermöglichten abwaschbare Baumaterialien wie Fliesen, Edelstahl, Beton und Sicherheitsglas eine hygienischere Tierhaltung. Futter wurde nicht mehr nur auf den Boden geworfen, sondern in Futterkrippen verteilt. Zoos bauten vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren sterile und funktionalistische Gehege. Ab 1980 war ein Wandel spürbar. Aufgrund der veränderten Ansichten der Besucher und didaktischer Überlegungen wurden die Gehege vermehrt naturnah gestaltet. Tiere werden nun in Ausschnitten ihres Lebensraums präsentiert. Grosszügige, natürlich aussehende Freianlagen, in denen Zootiere in Gruppen miteinander leben, lösen langsam die Käfighaltung ab. Der Besucher betritt scheinbar den natürlichen Lebensraum der Tiere. Das Tier soll kein reines Ausstellungsstück mehr sein und hat zum Leidwesen der Besucher auch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen.

Die Gehege und Parks heute

Der Auftrag der wissenschaftlich geführten Zoos («verein zooschweiz») ist es heute, Erholung, Bildung, Forschung und Naturschutz zu vereinen. Sie möchten ihren Besuchern und Besucherinnen die Natur näher bringen und sie für das Verständnis natürlicher Zusammenhänge sensibilisieren. So werden nicht nur die einzelnen Gehege Schritt für Schritt in grosszügige, naturnahe Anlagen umgebaut, auch die gesamte Gestaltung der Parks verändert sich. Sichtbar wird dies durch das Anlegen der Wege und der offenen Flächen. Natursteine, Wasser und Bepflanzung sollen den Zoos eine natürliche Wirkung verleihen. So sind im Laufe der Jahre zum Beispiel viele von Menschen geformte Gartenmotive wie Blumenbeete, geschnittene Hecken und Bäume oder auch gepflegter Rasen verschwunden.

In unserer Zeit dienen die Zoos neben der Erholung auch immer mehr der Forschung und der Erhaltung bedrohter Arten. Denn inzwischen sind auch freilebende Tiere einem «allumfassenden, menschlichen Management unterworfen»[2]. Einziger Unterschied: In der ­Natur überleben nur die Starken, im Zoo bekommen auch die Schwachen eine Chance.
Anmerkungen/Literatur:
[1] Von der Menagerie zum Naturschutzzentrum. Natur- und Tierpark Goldau (Autor unbekannt)
[2] Heini Hediger: Ein Leben mit Tieren. Autobiografie, 1990. Zoos im Wandel. Natur- und Tierpark Goldau (Autor unbekannt)
Brockhaus Enzyklopädie

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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