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TEC21 2007|24
Zooarchitektur
TEC21 2007|24
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Auf Augenhöhe

Der Zoologische Garten Basel wird zunehmend zu einem von Tieren bewohnten Landschaftsgarten. Die Verwaltung baut im so genannten Sautergarten aus den 1950er-Jahren eine asiatische Biotop-Grossanlage namens «Fuss des Himalayas». Indische Panzernashörner und der Grosse Panda sollen längerfristig die Hauptattraktionen sein. Die Innenräume der Nashornanlage wurden bereits im September 2006 nach der Sanierung wiedereröffnet, die Aussenanlage soll nun bis Herbst 2007 folgen.

11. Juni 2007 - Katinka Corts-Münzner
Als der Basler Zoo 1870 vor den Toren der Stadt gegründet wurde, war er der erste Tierpark in der Schweiz. Auf dem Gelände, das die Stadt dem Tierpark zur Verfügung stellte, wurden ab Sommer 1874 vor allem europäische Tiere und die Alpenfauna der Bevölkerung vorgestellt. Bereits zehn Jahre nach der Eröffnung musste das Gelände zum ersten Mal erweitert werden. 1934 konnte die Zooverwaltung mit einem Legat von Ulrich Sauter ein Stück Land zwischen der Elsässerbahn und dem Dorenbachviadukt erwerben. Das neue Areal wurde 1939 als «Sautergarten» eröffnet, in dem sich unter anderen das Steinbockgehege und die Pinguinanlage befanden.

Ein Haus für die Panzernashörner

Die Architekten Max Rasser und Tibère Vadi bauten mit dem Ingenieur Heinz Hossdorf das Nashornhaus 1959 im Sautergarten. Das Gebäude planten sie als lang gestreckten Riegel, der sich am Bahndamm der Zugtrasse entlangzieht. Das schmale Gebäude wirkt sehr dynamisch, weil es im Grundriss ein um 17° geneigtes Parallelogramm darstellt und auch alle Wände im Innenbereich diese Neigung übernehmen (Bilder 6 und 7). Vermutlich lehnten sich Rasser und Vadi dabei an Skizzen von Le Corbusier an, mit dessen Arbeiten sie sich beschäftigten. Den abgewinkelten Grundriss mit indirekt belichteten Räumen thematisierte Le Corbusier 1940 für die Ausstellung «France d’outre-mer» in Paris[1].

Die Zoobesucher betreten das Gebäude an der Stirnseite. Der Raum dahinter ist der Länge nach geteilt, etwa ein Viertel der Raumbreite ist als Besucherbereich begehbar, der Rest gehört den Tieren. Die Nashörner hielten sich vor der Sanierung jeweils in einer der vier Einzelboxen auf, deren Boden leicht erhöht war, damit die Besucher die Tiere besser über den Trennungsgraben hinweg betrachten konnten. Auf der Stirnseite, die gegenüber dem Eingang lag, konnten die Besucher in einen kleinen eingeschobenen Grünraum schauen und dann über eine Treppe zu den Zwergflusspferden im Obergeschoss und in den oberen Gartenbereich gelangen. Die Architektur überdauerte die Zeit, die Haltungsbedingungen für Panzernashörner jedoch veränderten sich. Mit der bestehenden Anlage konnte der Basler Zoo in den letzten Jahren die gesetzlichen Auflagen der Tierschutzverordnung und die Empfehlungen zur Tierhaltung nicht mehr erfüllen. Als Zuchtbuchführerin für die Panzernashörner wollte die Zooverwaltung jedoch eine vorbildliche Nashornanlage vorweisen und entschied sich 2004 für den Umbau des gesamten Geheges und der Aussenanlagen.

Sanierung im Bestand

Bei der Sanierung sollte die Architektur weitgehend erhalten werden. Gleichzeitig musste aber mehr Raum für die Tiere geschaffen und das Gebäude weiterhin mit dem Aussenraum verbunden bleiben, damit die Besucher vom Gehege direkt die Aussenanlage erreichen. Die Um- und Ausbaumassnahmen konnte der Architekt Peter Stiner aus Basel zum Teil im bestehenden Gebäudevolumen bewerkstelligen. Mit dem Einbau einer Spundwand zum Bahndamm hin erweiterte er das Gebäude und schuf Platz für ein grösseres Männchengehege. Um das Innengehege der Nashornweibchen zu vergrössern, wurden die Boxentrennwände herausgeschnitten (vgl. gelbe Wände in den Bildern 6 und 8) und je zwei Boxen zusammengelegt. Dadurch entstanden grössere Bewegungsbereiche für die einzelnen Tiere, die sich hier auch gemeinsam mit ihren Jungtieren aufhalten können. Die Betonwände in den Gehegen wurden zum Schutz und zur Körperpflege für die Tiere mit Holz beplankt (Bild 2 Bestand, Bild 3 im sanierten Zustand). Da sich Nashörner in der Freiheit vorwiegend auf weichen Böden von Wald- und Wiesenbereichen aufhalten, wurde auch der Boden des Geheges mit einer Schicht aus Holzhäckseln gedeckt.

Den Graben, der ursprünglich Besucher und Tiere trennte, entfernte Stiner. Er senkte den Boden des Geheges ab, damit Mensch und Tier auf gleicher Augenhöhe zueinander stehen, und er ersetzte den Graben durch ein gläsernes Besuchergeländer sowie eine innere Abgrenzung aus Metallstangen. Zwischen diesen beiden Barrieren bleibt zwar ein schmaler Sicherheitsabstand, optisch fällt dieser jedoch weniger ins Gewicht als der vorher bestehende Graben. Nachdem die Grabenmauer abgebrochen und die Innenwände entfernt waren, veränderte sich die Statik im Gebäude. Die zweigeschossigen Stützen am Besuchergang wurden nach altem Vorbild erstellt und den heutigen Anforderungen angepasst. Der schmale Querschnitt der Wände konnte beim Umbau dank einer stärkeren Armierung erhalten werden. Für die Sichtbetonoberflächen wurden Schalungsbretter statt -platten verwendet, um ein einheitliches Bild von Bestand und Erweiterung zu erhalten.

Am Ende des Ganges können die Besucher in die neu entstandene Badezone der Nashornkühe schauen. Das Gehege des Männchens und die Verbindungsgänge liegen dahinter im neu gebauten Bereich und sind für Besucher nicht einsehbar. Im Obergeschoss sind nicht mehr die Zwergflusspferde untergebracht, das Gehege wurde in einen Ausstellungsbereich umgebaut. Wie auch vor der Sanierung wird der Besucher nach der Fertigstellung der Erweiterung hier das Gebäude verlassen und in den Aussenbereich der Anlage gelangen.

Grüne Inseln und Lichtungen

Mit der Planung und Gestaltung der Aussenanlage wurden nach einem Evaluationsverfahren die Landschaftsarchitekten Schweingruber Zulauf aus Zürich beauftragt. Die gesamte Anlage sollte an die aktuellen Tierhaltungsempfehlungen angepasst und zusätzlich erweitert werden. Gerade die Erweiterung erwies sich als problematisch, da der Zoo mitten in der Stadt liegt und keine neuen grossen Aussenbereiche erwerben kann. Um die Männchenanlage auf mindestens 500 m² und die Weibchenanlage auf mindestens 1000 m² erweitern zu können, mussten andere bestehende Anlagen verlegt oder entfernt werden. Dazu gehörten die Rentier- und Teile der Flusspferdanlage sowie diverse Volieren. Nach dem Abbruch der Anlagen wurde die bisherige Abgrenzung zum Birsig entfernt und die Grenzmauer näher am Fluss wieder aufgebaut. Von der neuen, 5 m hohen Aussenmauer werden die Besucher nach der Fertigstellung nur etwa 1 m wahrnehmen, da die Mauer vorgeschüttet und bepflanzt werden soll. Auch einige alte Bäume mussten dem Projekt bereits weichen, als Ersatz werden am neu gestalteten Ufer andere Bäume gepflanzt. Durch die Verschiebung der Zoobegrenzung um 1 bis 7 m konnten die Landschaftsarchitekten 220 m² Fläche für die Nashornanlage und die dazugehörige Erschliessung für Personen und Fahrzeuge gewinnen.

Entsprechend dem Landschaftsparkkonzept mussten Schweingruber Zulauf für die Gestaltung der neuen Aussenanlage eine ausgewogene Mischung von vegetativen Kulissen, Erschliessungszonen und Tieranlagen finden. Die Lage für die Männchen- und die Weibchenbereiche war weitgehend durch die Ein- und Ausgänge im Gebäude definiert. Die Landschaftsarchitekten entwickelten ein Aussenraumkonzept, das den BesucherInnen den Eindruck einer zusammenhängenden Anlage vermittelt und dennoch eigene Bereiche für Männchen und Weibchen bietet. Die Besucher betreten den Sautergarten durch die Unterführung und sollen sich zukünftig in einer Graslandschaft wiederfinden. Schweingruber Zulauf verwenden hochwüchsigen Chinaschilf (Miscanthus sinensis giganteus), der an die Graslandschaft in der Heimat der Nashörner erinnert und den Besuchern den direkten Blick auf die Tiere und die Gebäude vorerst versperrt.

Entsprechend der Zoophilosophie in Basel sollen die Gehege nicht durchblickt werden können. Die Zoobesucher können vielmehr in einzelne Lichtungen der künstlich geschaffenen Graslandschaft schauen, in der die Tiere leben. Mit der räumlichen Gliederung, den an das Grasland im Kaziranga erinnernden Grüninseln und den Sand- und Kiesbankformationen, die der Ufersituation am Bramaputra entlehnt sind, wollen die Landschaftsarchitekten den natürlichen Lebensraum des Nashorns glaubwürdig vermitteln. Die künstlichen Nagelfluhfelsen, die in allen Gehegen des Basler Zoos vorkommen und ein einheitliches Bild schaffen, werden im Zusammenspiel mit unterschiedlich hohen Gräsern und den Wasserflächen der Badestellen die natürliche Umgebung – Überschwemmungsland, Sumpf, Röhricht und Feuchtwiesen – wiedergeben. Ergänzt wird das «Grasland» durch einzelne Bäume, die den Besucherweg begrenzen. In die Anlage werden Totbäume eingesetzt, die auch in der Natur den Nashörnern unter anderem als Kratzstellen und zur Körperpflege dienen. Die Anlagen von Männchen und Weibchen sind grundsätzlich durch Barrieren im hinteren Bereich getrennt, müssen aber in der Paarungszeit auch zueinander geöffnet werden können. Ein grosses Wasserbecken mit diskreter Barriere wird beide Bereiche an der Oberfläche verbinden, damit die Tiere miteinander Kontakt aufnehmen können. Wie auch im Innenbereich wird der Boden aus einem lockeren Bodensubstrat bestehen, das der Tierpfleger dennoch gut und sicher begehen kann. Als Untergrund wird eine einschichtige Asphaltdecke eingebracht, in der Entwässerungsrinnen verlaufen und Bodeneinläufe liegen. Darauf liegt eine Drainageschicht, die Wasser ableitet und den Untergrund elastisch macht. Nach einer Reihe von Versuchen hat sich herausgestellt, dass der 40 cm starke Weichbelag zu einem grossen Teil aus Rindenschnitzeln und kalkfreiem Sand aufgebaut werden soll, in den Suhlen wird dünnflüssiger Opalinuston verwendet.

tierische wohngemeinschaft

Zusammen mit den Panzernashörnern werden Zwergotter und Muntjaks, eine asiatische Hirschgattung, die etwa einen halben Meter hoch wird, die Anlage bewohnen. Die unter-
irdischen Behausungen, die für die Kleintiere bereits im Zuge der Gebäudesanierung im Nashornhaus integriert wurden, sind mit der Aussenanlage über ein Röhrensystem verbunden. Auf den Vegetationsinseln haben die Muntjaks eigene Rückzugsbereiche, die die Nashörner nicht erreichen können. Ausserdem sind in den Grüninseln – wieder unsichtbar für die Besucher – drei beheizte Otterburgen integriert. Für die Zwergotter wird ein Bachlauf am Gehege entlanggeführt, damit die Tiere ein sauberes Fliessgewässer entsprechend ihrem natürlichen Habitat zur Verfügung haben. Hier wechseln sich, ähnlich wie in natürlichen Bächen, Tief- und Seichtwasserbereiche ab. Der künstlich geschaffene Bach hat eine naturnahe Sohle mit Lehmdichtung. Die Wasserbereiche speist der Rümelinbach an der Westgrenze des Sautergartens. Eine Schieberanlage soll den Zufluss für die Flusspferdanlage, den Bach und die Wasserbecken steuern. Die Haus- und Filtertechnik für das gesamte Asienbiotop fand im neuen Untergeschoss des Nashornhauses ihren Platz. Das Wasser der beiden innen liegenden Badebecken wird durch Überläufe und einen grossen Rüttelfilter, der grobe Bestandteile ausscheidet, in das Filter- und Ausgleichbecken geführt. Darin wird es gereinigt und erwärmt, um dann wieder in die Badebecken eingeleitet zu werden. Die Aussenanlagen werden nicht an die Reinigungsanlage angeschlossen, die abgesetzten Schlämme stattdessen periodisch entfernt. Die Wassertümpel und künstlich geschaffene Kiesbänke nutzen die Landschaftsarchitekten auch als Abgrenzung zum Besucherbereich. Die Tümpel sind an den Aussengrenzen der Anlage 1.50 m tief und damit unüberwindbar für die Tiere, wodurch auf sichtbare Zäune und Gräben verzichtet werden kann. Nur am Besuchereingang wird eine 2 m hohe Stützmauer nötig sein, diese wird aber durch die Vegetationsinseln in der Anlage weitestgehend verdeckt.

Die Erweiterung der Aussenanlage verspricht einen – den beengten Zooverhältnissen entsprechend – angemessenen Lebensraum für die Panzernashörner. Fertig gestellt werden soll der Nashornbereich im Herbst 2007 – und vielleicht ist der Basler Zoo bis dahin auch dem Wunsch nach dem Riesenpanda als Panzernashornnachbar am «Fuss des Himalayas» ein Stück näher gekommen.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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