Zeitschrift

TEC21 2007|33-34
Letzigrund
TEC21 2007|33-34
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Geringe Belastung

20. August 2007 - Martin Schmid
Im Frühjahr 2002 entschied der Gemeinderat der Stadt Zürich, an Stelle des alten Letzigrunds ein modernes, den neusten Ansprüchen genügendes Leichtathletik- und Eventstadion zu bauen. Damit war beschlossen, dass das Stadion im dicht bebauten Kontext des Letzigebiets bleibt. Es musste aber in diesem bereits stark belasteten Umfeld sowohl quartierverträglich wie auch umweltschonend sein.
Schon 2001 untersuchte das Amt für Hochbauten unter Beizug von Experten in der strategischen Planung für das neue Stadion die Themen im Bereich Umwelt. Die wichtigsten Ergebnisse daraus bildeten Rahmenbedingungen für den zweistufigen Gesamtplanungs-studienauftrag, der 2003 / 2004 durchgeführt wurde. Im Rahmen des Vorprojekts fand mit dem Gestaltungsplan eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) statt. Diese Erkenntnisse wiederum flossen in die Baubewilligung ein und waren bzw. sind Bestandteil des Baus und Betriebs des neuen Stadions. Für den Bauprozess wurde ausserdem eine Umweltbaubegleitung (UBB) eingesetzt. Beauftragte der Bauherrschaft begleiteten und überwachten zusammen mit der Totalunternehmung den gesamten Bauprozess auf der Umweltebene. Alle Umweltthemen wurden – eingebettet in das integrale Projektqualitätsmanagement (PQM) – systematisch und periodisch in Sitzungen besprochen. Wenn nötig leiteten die Fachplaner geeignete Massnahmen ein. Zu den wichtigsten Themen bezüglich Umweltschutz während der Bauphase gehörten ein ausgeklügeltes Materialmanagement, der Grundwasserschutz, der Rückbau und das Recycling. Für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Gebäudes spielten Energie und Verkehr eine wesentliche Rolle. Jeder einzelnen Problemstellung wurde entsprechendes Gewicht beigemessen.

Materialmanagement
Mit innovativen Planungsansätzen konnte das Materialmanagement während der Bauzeit optimiert werden. Infolge der Teilversenkung des Stadions fielen insgesamt etwa 350 000 m³
Aushub, Kies und Rückbaumaterialien an (Bild 3). Der daraus verursachte erhebliche Baustellenverkehr musste minimiert werden. Grundsätzlich sollten längere Transporte vermieden und möglichst grosse Mengen auf der Baustelle wiederverwendet werden. So kaufte ein Unternehmen frühzeitig den anfallenden Wandkies, der in einem Zwischenlager mit einer Kapazität von 40 000 m³ nahe der Baustelle gelagert wurde. Dadurch konnten grosse Mengen an Wandkies in der Stadt behalten und wieder verbaut werden. Weitere 40 000 m³ Wandkies wurden vor Ort zu Betonkies trocken aufbereitet und als «Letzibeton» verarbeitet und wieder eingebaut (Bild 2).
Die Unternehmer hatten weitere Auflagen zu erfüllen: Es mussten mindestens 4-Achser mit 32 t Gesamtgewicht eingesetzt werden, mindestens 95 % aller Lastwagen mussten der EURO3-Abgasnorm entsprechen, und es durfte nur schwefelfreier Dieseltreibstoff verwendet werden. Mit diesen Massnahmen konnten rund 7000 Lastwagenfahrten und 600 000 Transportkilometer sowie die entsprechende Luftbelastung vermieden werden. Der CO2-Ausstoss reduzierte sich um 380 t, der NOX-Ausstoss um 4.3 t und der Feinstaub­ausstoss um 110 kg.
Grundwasserschutz
Das Areal des Letzigrundstadions liegt in direkter Nachbarschaft zum Schlachthof Zürich. Da dieser eine eigene Grundwasserfassung besitzt, liegen grosse Teile des Letzigrund­areals in der Gewässerschutzzone. Infolgedessen erarbeitete das Planerteam in Zusammenarbeit mit dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) des Kantons Zürich ein Schutzkonzept. Über ein Messnetz wurden die Schutzzonen in regelmässigen Abständen beprobt. Zusätzlich installierten Fachleute eine automatische Sonde, die im Notfall eine Alarmierung der Verantwortlichen per SMS erlaubt hätte. Allerdings traten keine Probleme auf. Bei Arbeiten in der kritischen Grundwasserzone S2 wurde die Grundwasserfassung während Wochen gänzlich ausser Betrieb genommen, was zu erheblichen Mehrkosten für die Bauherrschaft führte.

Rückbau und Recycling
Insgesamt musste die Bauherrschaft rund 29 000 m³ Material fachgerecht entsorgen lassen (Bilder 4 und 5). Dazu gehörten auch mit Schadstoffen belastete Bestandteile der alten Anlage. Der Laufbahnbelag der alten Tartanbahn beispielsweise enthielt Schwermetalle, die eine Entsorgung problematisch machten. Statt einer zulässigen Verbrennung fand der verantwortliche Unternehmer eine noch bessere Lösung – der Belag wurde zu Lärmdämmmaterial aufbereitet. Im alten Stadion stellte man zudem geringe Mengen an Asbest fest. Diese Bauteile sowie auch die PCB(Polychloridbiphenyl)-Fugen in der alten Tribüne wurden nach einem Überwachungs- und Schutzkonzept entsorgt.

Energie
Nur durch eine ausgeklügelte Wärmeerzeugung kann die gewünschte Nachhaltigkeit erreicht werden. Die notwendige Energie für das Stadion liefern darum zwei Holzpelletskessel, die CO2-neutral Wärme liefern. Ein zusätzlicher Gaskessel deckt den Bedarf in Übergangs- und Spitzenlastzeiten ab. Für die Warmwasservorerwärmung ist auf dem Dach zusätzlich eine Solaranlage mit einer Fläche von 90 m² installiert. Ausserdem entsteht dort auf einer Fläche von ca. 2500 m² die zurzeit grösste Fotovoltaikanlage der Stadt Zürich (Bild 1). Sie erzeugt durchschnittlich eine Leistung von 250 kV/A, was dem Strombedarf von ca. 70 Haushaltungen entspricht. Trotz dem Einsatz regenerierbarer Energieträger konnten die Grenzwerte für Minergie für die Gebäudehülle aufgrund der ungünstigen Tribünengeometrie nicht ganz erreicht werden. Der Standard für die Minergiebeleuchtung wird jedoch erfüllt.

Verkehr
Der öffentliche Verkehr trägt mit seinem attraktiven Angebot wesentlich dazu bei, dass Grossveranstaltungen im Stadion Letzigrund durchgeführt werden können. Der statistische Wert für die Verkehrsmittelwahl (Modal Split) bei Grossveranstaltungen ist aufgrund der geeigneten Erschliessungen sehr gut. Der Neubau des Stadions verkürzt sogar den ­Zugang zur wichtigsten Haltestelle Letzigrund. Das Fuss- und Radwegnetz um die Sportstätte ist bereits gut ausgebaut. Durch die offene Architektur des Sta­dions wird die Durchlässigkeit des Areals zukünftig im Alltag noch verbessert. Für den motorisierten Individual­verkehr wird es auf dem Stadionareal auch in Zukunft keine Parkplätze für Veranstaltungs­besucher geben. Die vorhandenen Abstellplätze dienen nur dem Betrieb. Dadurch sowie mit dem neuen, automatisierten Verkehrsleitsystem verringert sich die Belastung für die Anwohner.

Martin Schmid ist Projektleiter für das Stadion Letzigrund, Amt für Hochbauten der Stadt Zürich

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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