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TEC21 2007|41
Zu Fuss
TEC21 2007|41
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Unterwegs

Das Gehen zu Fuss ist die natürlichste Fortbewegungsart. (Fast) alle sind täglich zu Fuss unterwegs. Als Autofahrerin, Velofahrer oder Benutzerin des öffentlichen Verkehrs legt man täglich mehrere Etappen zu Fuss zurück. Attraktive, sichere und direkte Fusswege sind die Voraussetzung dafür, dass sie benützt werden. Eine vorausschauende Planung und eine gute Umsetzung sind dabei zentral.

8. Oktober 2007 - Marlène Butz
Fussgänger und Fussgängerinnen möchten, wie alle Verkehrsteilnehmenden, zügig und ungehindert vorwärtskommen. Da das Gehen nicht nur zweckgerichtet ist, brauchen sie neben direkten, sicheren Fusswegen auch Aufenthaltsbereiche, in denen sie vom Fahrverkehr ­ungestört im Gehen innehalten können. Die FussgängerInnen bringen unterschiedliche ­Voraussetzungen mit, die in die Verkehrsplanung einbezogen werden müssen. Kinder sind den Gefahren der Strasse mangels Erfahrung besonders stark ausgesetzt. Sie können Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht abschätzen und sich nicht auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren. Bei Menschen mit (auch zeitweiser) Gehbehinderung sinkt die Geschwindigkeit der Fortbewegung und Reaktionsfähigkeit. Personen mit Sehbehinderung sind in erhöhtem Masse darauf angewiesen, dass Hindernisse und Störungen auf Gehflächen minimiert werden. Eine Hörbehinderung wird für andere Verkehrsteilnehmende nicht als Gefahr erkannt. Ältere Menschen können von mehreren der genannten Einschränkungen betroffen sein. Sie reagieren nicht mehr so schnell wie früher. Unerwartete Ereignisse können zu Unentschlossenheit und Unsicherheit führen.

Fusswege Planen

Die Bedürfnisse der Fussgänger und Fussgängerinnen werden oft als zweitrangig angesehen und in Verkehrsplanungen nicht angemessen berücksichtigt. Es gibt systematische Fehler und Schwachstellen im Netz. Fehlende Verbindungen, die zu Umwegen zwingen, Fusswege entlang stark befahrener Strassen, Trottoirs, die unvermittelt enden, oder Orte, wo das Queren nicht möglich oder sehr gefährlich ist, senken die Sicherheit und die Attraktivität eines Fusswegnetzes. Für die Verbesserung ist hier eine systematische Planung notwendig. Fusswegnetze müssen attraktiv, direkt, sicher und komfortabel sein. Eine Fusswegplanung darf sich nicht auf die Zentrumsgebiete beschränken. Handlungsbedarf besteht insbesondere in Aussenquartieren, an Siedlungsrändern und in Umnutzungsgebieten. Zu berücksichtigen sind vor allem die Bedürfnisse der Kinder: Schulwege und Freizeitwege sind mehr als eine Überwindung der Distanz zwischen Wohnung und Schule oder Spielplatz. Für die motorische, psychische und soziale Entwicklung der Kinder ist es wichtig, dass sie selbstständig zur Schule gehen, im Quartier Freundinnen und Freunde besuchen und im Freien spielen können.
In Siedlungskernen und anderen geeigneten Gebieten empfiehlt es sich, Fussgängerzonen einzurichten. Diese bieten die höchste Aufenthaltsqualität für die Fussgänger. In Fussgängerzonen gilt Fahrverbot. Die mittels Ausnahmeregelung ausgenommenen Fahrzeuge fah-ren im Schritttempo, und die Fussgängerinnen haben Vortritt. Ist dies nicht möglich, kann durch die Einrichtung einer Begegnungszone und eine attraktive Gestaltung eine ähnlich hohe Qualität geschaffen werden. In Begegnungszonen gilt Tempo 20, und die Fussgänger haben überall Vortritt. Begegnungszonen eignen sich auch für die Verkehrsberuhigung in Wohnquartieren. Sie sollten allerdings so gestaltet sein, dass spielende Kinder nicht durch parkierte Autos behindert werden. In den übrigen Wohnquartieren sind flächendeckend Tempo-30-Zonen vorzusehen.

Schwachstellen entscheiden über die Attraktivität

Es sind «Kleinigkeiten», die darüber entscheiden, ob es angenehm ist, zu Fuss zu gehen. Oft wird das Trottoir bloss als Ausweich- und Restfläche behandelt. Personen, die mit Kinderwagen oder Gepäck unterwegs sind, müssen sich an Fahrzeugen vorbeiquetschen, die unerlaubterweise auf dem Trottoir stehen – oder sie sind gezwungen, auf die Fahrbahn auszuweichen, was nicht nur eine Komforteinbusse darstellt, sondern auch ein beträchtliches ­Sicherheitsrisiko. Baustelleninstallationen verstellen die Gehwege, und häufig wird leider vergessen, dass bei Baustellen auf öffentlichem Grund nicht nur für die Motorfahrzeuge Ausweichmöglichkeiten angeboten werden sollten, sondern auch für die FussgängerInnen. Im Winter kommt eine jahreszeitlich bedingte Schwachstelle hinzu: Zuerst werden die ­Fahrbahnen vom Schnee befreit. Die Schneeberge werden dabei häufig auf dem Trottoir «entsorgt».
Dabei kann bereits mit kleinen Massnahmen eine grosse Qualitätssteigerung erreicht werden. Eine Schwachstellenanalyse hilft, die Potenziale zu erkennen. Sie ist besonders aus­sagekräftig, wenn engagierte Gruppierungen aus dem betreffenden Quartier (z. B. Elternvereinigungen, Quartiervereine etc.) in die Analyse miteinbezogen werden. Sie kennen aus der alltäglichen Erfahrung die Probleme.

Fussgängerstreifen und andere Querungsmöglichkeiten

Die Attraktivität eines Fusswegnetzes hängt auch von sicheren Querungsmöglichkeiten ab. Fussgängerstreifen gelten gemäss dem Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege (FWG) als Verbindungsstücke im Fusswegnetz. Fehlende Fussgängerstreifen stellen also eine Lücke im Fusswegnetz dar, was mit dem FWG nicht zu vereinbaren ist.
Fussgängerstreifen sind für Zufussgehende vortrittsberechtigte Querungsstellen, und sie «markieren» die Präsenz von Fussgängerinnen und Fussgängern. Die gelbe Markierung auf der Fahrbahn wirkt unmittelbar. Fussgängerstreifen leiten Zufussgehende zu den Querungsstellen, die bezüglich Sicherheitsanforderungen optimiert sind. Sie dienen somit der Erhöhung der Sicherheit und der Attraktivität des Fusswegnetzes. Personen mit eingeschränkten Fähigkeiten, die sich nicht sicher genug im Verkehr bewegen können, sind auf vortrittsberechtigte Querungen angewiesen.

Tempo 30 und Fussgängerstreifen – ein Widerspruch?

In Fussgänger- und Begegnungszonen braucht es keine Fussgängerstreifen, weil die FussgängerInnen auf der ganzen Fläche Vortritt haben. Etwas komplizierter sieht es bezüglich Tempo-30-Zonen aus. Bei der Einführung von solchen Zonen steht regelmässig der Erhalt bzw. die Entfernung von Fussgängerstreifen zur Debatte. Artikel 4 der «Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen» lautet: «Die Anordnung von Fussgängerstreifen ist unzulässig. In Tempo-30-Zonen dürfen jedoch Fussgängerstreifen angebracht werden, wenn besondere Vortrittsbedürfnisse für Fussgänger dies erfordern, namentlich bei Schulen und Heimen.» Der Bund hat bei der Abfassung der Verordnung also Spielraum vorgesehen, sodass an wichtigen Orten auch in Tempo-30-Zonen Fussgängerstreifen markiert werden können. Es liegt bei den Kantonen bzw. bei den für die Signalisation zuständigen Stellen, die gemäss Bundesrecht vorgesehenen Ausnahmen in der Praxis umzusetzen. Eine einheitliche Praxis konnte bisher nicht etabliert werden. Es gibt Bewilligungsstellen, die sehr restriktiv verfahren, andere sehen «besondere Vortrittsverhältnisse» als vielerorts gegeben. «Fussverkehr Schweiz» empfiehlt, dass bei wichtigen Querungsstellen den FussgängerInnen weiterhin der Vortritt gewährt wird.

Anstelle von oder ergänzend zu Fussgängerstreifen kommen auch andere Fussgängerschutzmassnahmen in Frage, namentlich an Orten, wo die Sichtbeziehungen zu den Warte-räumen eingeschränkt sind. Als Kombination von Verkehrsberuhigung und Querungssicherung wirken Fahrbahnerhöhungen (Aufpflasterungen) geschwindigkeitsdämpfend und bieten dadurch einen hohen Schutz. Fahrbahneinengungen (Trottoirnasen) verbessern die Sichtverhältnisse und verkürzen die Querungsdistanz. Ein Kreuzen der Fahrzeuge ist an der Querungsstelle nicht mehr oder nur noch langsam möglich.

Das Erstellen von Unter- oder Überführungen wird nicht empfohlen, da diese mit erheblichen Nachteilen verbunden sind wie beispielsweise Umwege, Vandalismus und Verschmutzung oder problematisch sind in Bezug auf mangelnde Behindertengerechtigkeit und Sicherheit vor Übergriffen. Der Fussverkehr soll als gleichberechtigter Verkehrspartner in Erscheinung treten und sich ebenerdig fortbewegen können.

Konflikte zwischen FussgängerInnen und Velofahrenden

Bei einer Verkehrsplanung muss stets auch die Beziehung zwischen Velofahrenden und Fussgängern und Fussgängerinnen einbezogen werden. Obwohl beide Verkehrsarten gefördert werden sollen, da sie gesund, platzsparend und umweltfreundlich sind, haben sie sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Sie sollten deshalb nur in Ausnahmefällen auf der gleichen Fläche geführt werden. FussgängerInnen brauchen Bereiche, in denen sie sich ungestört vom Fahrverkehr aufhalten können. Velos sind Fahrzeuge, und als solche gehören sie auf die Fahrbahn. Veloprobleme sollen auf der Fahrbahn gelöst werden, indem den Velos ausreichend Platz zur Verfügung gestellt wird, auch durch Spurreduktionen zu Lasten des motorisierten Verkehrs. Die Schaffung gemeinsamer Fuss- und Radwege oder die Freigabe von Gehflächen für Velofahrende hat für diese zwar den Vorteil einer erhöhten Durchlässigkeit, doch schmälern Konfliktsituationen mit Zu-Fuss-Gehenden die Attraktivität dieser Routen für beide Verkehrsarten.

[ Marlène Butz, dipl. Geografin, Projektleiterin bei «Fussverkehr Schweiz» ]
Anmerkungen
«Fussverkehr Schweiz» und «Pro Velo Schweiz» haben eine Broschüre mit dem Titel «Fuss- und Veloverkehr auf gemeinsamen Flächen – Empfehlungen für die Eignungsbeurteilung, Einführung, Organisation und Gestaltung von gemeinsamen Flächen in innerörtlichen Situationen» erarbeitet. Bezug: für Fr. 25.– bei den beiden Verbänden oder als Download unter: www.fussverkehr.ch/publikationen.php oder www.pro-velo.ch/brosch/index_d.php

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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