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TEC21 2007|41
Zu Fuss
TEC21 2007|41
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

In Bewegung

Für eine nachhaltige Personenmobilität will der Bund die Potenziale des Langsamverkehrs besser nutzen. Neben dem motorisierten Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr soll er als dritte Säule der schweizerischen Personenverkehrspolitik gestärkt werden.

8. Oktober 2007 - Gabriele Gsponer
88 Minuten ist die Bevölkerung der Schweiz im Durchschnitt täglich unterwegs, davon 35 Minuten zu Fuss. Die in diesen 35 Minuten zurückgelegten Wege haben unterschiedlichste, teilweise miteinander kombinierte Zwecke und Ziele wie Schule, Arbeit, Einkaufen oder Freizeit. Diese Ziele werden jedoch nicht alle ausschliesslich zu Fuss erreicht. Oft setzt sich ein Fussweg aus einer Vielzahl von kürzeren und längeren Wegetappen in Kombination mit anderen Verkehrsmitteln (kombinierte Mobilität) zusammen. Die Bedeutung eines attraktiven, sicheren und zusammenhängenden Fusswegnetzes als Grundlage für den Fussverkehr wurde bereits 1979 erkannt. Volk und Stände haben an der Urne mit grosser Mehrheit einen entsprechenden Grundsatzentscheid gefällt und mit Artikel 88 in der Bundesverfassung verankert. Der Nationalrat wollte seinerzeit auch die Velowegnetze in den Verfassungstext aufnehmen, scheiterte damit aber in der Differenzbereinigung. Mit Blick auf die heutigen Forderungen, den CO2-Ausstoss des ganzen Verkehrssystems erheblich zu reduzieren, wäre die Wiederbelebung dieser «alten» Idee eine zentrale Vo­raussetzung, den Veloverkehr zu stärken. Vor bald 30 Jahren lag der Fokus darauf, die Wanderwege zu erhalten und zu schützen, in erster Linie gegen die fortlaufende Asphaltierung und Öffnung für den motorisierten Verkehr. Doch auch die Fusswege wurden vorausschauend in die Verfassung und die nachfolgenden gesetzlichen Regelungen aufgenommen. Das auf den 1. Januar 1987 in Kraft gesetzte Fuss- und Wanderweggesetz (FWG) bildete lange Zeit die einzige Grundlage für die Aktivitäten des Bundes.

Der Langsamverkehr in der Agglomerationspolitik

Seit der Abstimmung im Jahr 2004 über die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen NFA (Art. 86 Abs. 3 BV) hat der Bund die Kompetenz und den Auftrag, sich zusammen mit den Kantonen auch im Agglomerationsverkehr zu engagieren. Dieser Auftrag wurde mit dem Infrastrukturgesetz (IFG) präzisiert. Damit erhält die Bundesgesetzgebung erstmals eine Grundlage, Bundesbeiträge an Infrastrukturen des Langsamverkehrs auszurichten. Die Verkehrssysteme in den Agglomera­tionen stossen heute vielerorts an Kapazitätsgrenzen und beeinträchtigen Bevölkerung und Umwelt. Der Langsamverkehr ist deshalb konsequent materiell und formell als dritte Säule des Personenverkehrs in alle Elemente der Agglomerationsprogramme zu integrieren. Auf der Suche nach politisch und finanziell tragfähigen Lösungen, um den Agglomerationsverkehr zu reduzieren, bietet der Langsamverkehr ein beträchtliches, bisher zu wenig genutztes Potenzial. Fuss- und Veloverkehr können in den Agglomerationen als eigenständige Mobilitätsformen einen erheblichen Anteil der Kurzstreckenmobilität direkt abdecken. Bei längeren Distanzen ist die flächendeckende Feinerschliessung für diese beiden Fortbewegungsarten – quasi die «first and last mile» der Verkehrspolitik – ein wesentlicher Faktor für die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des kombinierten Personenverkehrs. Mit Blick auf diese Basisfunktion des Langsamverkehrs bilden der vollständige Einbezug und die Verankerung adäquater Massnahmenpakete für den Fuss- und ­Veloverkehr (inkl. Wandern für den Bereich Naherholung) eine der Grundanforderungen des Bundes an die Mitfinanzierung der Agglomerationsprogramme. Die Rahmenbedingun­gen zur Förderung des Fussverkehrs zu verbessern ist damit eine Verbundaufgabe. Bund, Kantone und Gemeinden sind gemeinsam verantwortlich, dass ein attraktives, sicheres, zusammenhängendes und hinreichend dichtes Fusswegenetz geschaffen und erhalten wird. In den nächsten zwanzig Jahren stehen sechs Milliarden Franken Bundesbeiträge für Verkehrsinfrastrukturen des öffentlichen Verkehrs, des motorisierten Individualverkehrs sowie des Fuss- und des Veloverkehrs in Städten und Agglomerationen zur Verfügung. Der Ball für die optimale Förderung des Fuss- und Veloverkehrs in den Agglomerationen liegt zurzeit bei den kantonalen und kommunalen Behörden. Sie erstellen die Agglomerationsprogramme, um sie nachher beim Bund zur Genehmigung und Mitfinanzierung einzureichen. Um diese Bestrebungen zu unterstützen, hat das Bundesamt für Strassen (Astra) in allen drei Landessprachen die Arbeitshilfe «Der Langsamverkehr in den Agglomerationsprogrammen» verfasst.

Vision und Strategie des Bundes

Der Langsamverkehr soll dazu beitragen, dass die heutigen und die künftigen Mobilitätsbedürfnisse möglichst umweltschonend, gesundheitsfördernd und volkswirtschaftlich effizient befriedigt werden können. Dazu wird das Grundanliegen, den Langsamverkehr neben dem motorisierten Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr zu einem gleichberechtigten dritten Pfeiler einer effizienten Personenverkehrspolitik zu entwickeln, konsequent weiterverfolgt. Der Stärkung des Fussverkehrs unter Beachtung der Bedürfnisse von Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist dabei vor allem in urbanen und periurbanen Räumen eine hohe Beachtung zu schenken.

[ Gabriele Gsponer, Dipl. Ing. agr., Bundesamt für Strassen (Astra), Abteilung Strassennetze, Bereich Langsamverkehr, Spartenleiterin Fussverkehr und Wandern ]
[1] Keller, H.; Hauser, M.: Verfassungsgrundlagen des Langsamverkehrs, Teil 1 (Bestehende Bundeskompetenzen und gebotene Verfassungsänderungen). Bundesamt für Strassen (Hrsg). Materialien Langsamverkehr Nr. 111, Bern 2006.
[2] Bundesgesetz vom 4.10.1985 über Fuss- und Wanderwege (FWG).
[3] Bundesgesetz vom 6.10.2006 über den Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstrassennetz sowie Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen (Infrastrukturfondsgesetz, IFG); wird voraussichtlich auf den 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt.
[4] Bundesamt für Strassen (Astra): Der Langsamverkehr in den Agglomerationsprogrammen. Bern 2007 (www.langsamverkehr.ch).

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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