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TEC21 2007|42-43
Energie-Zukunft
TEC21 2007|42-43
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Klima und Energie

Eine Klimaerwärmung beeinflusst sowohl die Energienachfrage als auch das Stromangebot in der Schweiz. Studien des Bundesamtes für Energie untersuchen die produktions- und leistungsseitigen Auswirkungen auf das Angebot und die Versorgungssicherheit bis ins Jahr 2035.

22. Oktober 2007 - Michel Piot
Um die energiepolitischen Optionen der Schweiz aufzuzeigen, hat das Bundesamt für Energie (BFE) Energieperspektiven mit einem Zeithorizont 2035 erarbeitet1. Es wurden vier verschiedene grundsätzliche Entwicklungspfade untersucht, die für die Zukunft möglich sind (Szenarien I bis IV). Dabei flossen als Rahmenentwicklung oder sogenannte exogene Einflussfaktoren unter anderem das Wirtschaftswachstum, der Ölpreis sowie das Klima in die Modelle ein. Um die Abhängigkeit der Ergebnisse von Veränderungen dieser Rahmenentwicklungen zu untersuchen, wurden jeweils Sensitivitätsrechnungen durchgeführt. Der erwartete Klimawandel wirkt sich gemäss der in Bild 1 aufgezeigten Wirkungskette auf die Stromproduktion in der Schweiz aus.

Klimaerwärmung und Wasserabfluss

Die verwendeten Klimamodelle sind sehr komplex. Auf globaler Ebene kommen «Atmospheric – Ocean General Circulation Models» (AOGCM) zum Einsatz, die mit Emissionsszenarien, die das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) ausgearbeitet hat, gekoppelt werden. Da die Gitternetzauflösung sehr grob ist, werden die Ergebnisse mit ­regionalen Klimamodellen weiterverarbeitet. Für den Alpenraum entspricht das globale Plus-1 °C-Szenario einem erwarteten Jahresmitteltemperaturanstieg von 1.2 °C bei gleichzeitiger Reduktion der Jahresniederschlagsmenge um 2 % zwischen der Referenzperiode 1961 – 1990 und dem Zeitraum 2020 – 2049. Eine saisonale Betrachtung zeigt, dass die erwarteten Niederschlagsmengen im Winter (Dezember – Februar) um 6 % zunehmen, im Sommer (Juni –August) hingegen um 8 % abnehmen werden. Im Frühjahr ist die Entwicklung unklar, im Herbst wird tendenziell mit einer Reduktion gerechnet[3].

Der Wasserabfluss aus dem Alpenraum wird um rund 7 % reduziert, obschon der Anteil der Vergletscherung in den untersuchten Gebieten um rund 50 % zurückgehen wird. Die Niederschlagsszenarien zeigen eine Reduktion des Sommerhalbjahresabflusses (April – September), während sich der Winterhalbjahresabfluss (Oktober – März) leicht erhöht. Die Abflussspitze verlagert sich, bedingt durch die frühere Schneeschmelze, um rund einen halben Monat nach vorne. Bild 2 zeigt die Verschiebung der Abflussspitzen exemplarisch am Beispiel des Rosegbachs im Oberengadin und der Verzasca im Tessin4. Der Abfluss des Rosegbachs weist einen typischen Verlauf für ein Gebiet mit Vergletscherung auf. Im Gegensatz dazu zeigt der Abfluss der Verzasca, stellvertretend für ein nicht vergletschertes Gebiet in den Südalpen, eine zusätzliche Spitze als Folge starker Niederschläge im Herbst.

Auswirkungen auf die Stromproduktion

Die Klimaerwärmung hat sowohl einen Einfluss auf die Wasserkraft als auch auf die thermischen Kraftwerke (Bild 1), wobei bei der Wasserkraft vor allem die Produktionseinbussen (Einheit kWh), bei thermischen Kraftwerken aber Leistungsreduktionen (Einheit kW) von Bedeutung sind. Für die Wasserkraftproduktion wurden als Folge des verringerten Wasserabflusses aus dem Alpengebiet für die Perspektiven folgende Annahmen getroffen:
– Die Produktion der Laufwasserkraftwerke wird um 7 % abnehmen. Dabei wird in erster Näherung davon ausgegangen, dass eine allfällig verstärkte Verdunstung im Mittelland das Wasser­angebot weiter schmälern könnte und die Überläufe im Sommer reduziert.
– Bei den Speicherkraftwerken hat die geringere Wasserabflussmenge eine um 7 % reduzierte Produktion zur Folge. Da die monatlichen Schwankungsbreiten der tatsächlichen Erzeugung in den Speicherkraftwerken über die Jahre sehr gross sind, wird nur eine Differenzierung der Ergebnisse nach Sommer- und Winterhalbjahr vorgenommen.
– Die Abflussminderung bei Pumpspeicherung hat keinen Einfluss auf die Produktionsmenge, da Pumpspeicherkraftwerke kurzfristige Regelleistung zur Verfügung stellen und für die Spitzenbedarfsdeckung eingesetzt werden.
Verschärfte Restwasserbestimmungen sind in diesen Berechnung nicht berücksichtigt. Leistungsseitig kann die klimaerwärmungsbedingte Reduktion im Gegensatz zur Produk­tionseinbusse als gering eingestuft werden.
Bei den thermischen Kraftwerken ist für die Schweiz zwischen kühlturm- und flusswassergekühlten Kernkraftwerken zu unterscheiden:
– Bei Kernkraftwerken mit Kühlturm ist die Nettoleistung abhängig von der Temperatur der trockenen Aussenluft. Dabei beträgt die Leistungsreduktion (für das Beispiel des Kernkraftwerks Leibstadt) bis zu einer Lufttemperatur von 24 °C rund 2 MW pro °C. Liegt die Lufttemperatur über 24 °C, nimmt die Leistung um rund 10 MW pro °C ab.
– Bei flussgekühlten Kernkraftwerken hängt die Nettoleistung von der Flusstemperatur ab. Die Leistungsreduktion beträgt 5 – 10 % pro °C, wenn das Wasser wärmer als 23 °C ist.
Produktionsseitig ist der Einfluss einer Klimaerwärmung auf die thermische Produktion als gering einzustufen, und eine erhebliche Leistungsreduktion bei Kernkraftwerken tritt erst bei länger anhaltenden Hitzewellen auf.

Bei extremer Hitze wird es eng

Da eine Klimaerwärmung nicht nur mit einem Rückgang der Stromproduktion5 verbunden ist, sondern als Folge des vermehrten Kühlbedarfs auch mit einer Zunahme der Stromnachfrage6, vergrössert sich die im Szenario I («Klima wärmer») erwartete Stromlücke gegenüber dem Referenzszenario (Szenario I Trend) für das Jahr 2035 von 22.3 TWh auf 27.0 TWh, was einer Zunahme um 21 % entspricht (Bild 3).

Nebst dieser produktionsseitigen Betrachtungsweise wurden zusätzlich noch verschiedene Hitzewellenszenarien definiert. Dabei ging es vor allem um die Klärung der Frage, ob trotz dem erhöhten Leistungsbedarf durch die stark steigende Nachfrage nach Kühlung bei gleichzeitiger Leistungsreduktion der thermischen Kraftwerke die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Dabei wurde angenommen, dass ein grosser Kernkraftwerksblock planmässig in Revision ist und für mehrere Wochen ausfällt. Die anderen Blöcke müssen ihre Produktion den hohen Temperaturen entsprechend im Tagesverlauf reduzieren. Die Laufwassermengen sind generell gering und die Speicherseen sind unterdurchschnittlich gefüllt. Auf der Verbraucherseite wird gegenüber dem Mittelwert die Grundlast um 5 % (nächtliche Auskühlung und Durchflutung) und die Spitzenlastnachfrage um 10 % (mittägliche Klimatisierung) erhöht.

Es zeigt sich, dass auch ein Teil der Grundlastnachfrage durch Speicher-, also Spitzenlastkraftwerke, abgedeckt werden muss. Dank der grossen Leistungsverfügbarkeit des schweizerischen Speicherkraftwerkparks können aber auch unter diesen Bedingungen die Leistungs- und Produktionsanforderungen erfüllt werden. Es zeigt sich allerdings, dass die Belastung der Speicher als kritisch einzuschätzen ist. Bild 4 zeigt die Maximalwerte (Kurve «Hoch») und die Minimalwerte (Kurve «Tief») des mittleren Füllungsgrades der Schweizer Speicherseen der letzten 30 Jahre. Der Füllungsgrad Anfang August beträgt auch in trockenen Jahren mindestens 60 %. Der rote Pfeil in Bild 4 beschreibt die Auswirkungen einer fünfwöchigen Hitzewelle von Ende Juni bis Anfang August: Die durch die Hitzewelle bedingte zusätzliche Wasserentnahme führt zu einer Entleerung der Becken von zirka 42 % Füllungsgrad Ende Juni auf 39 % Anfang August, was deutlich unterhalb der Untergrenze der üblichen Schwankungen innerhalb dieser Jahreszeit liegt[2]. Es ist daher damit zu rechnen, dass die «Erholung» der Speicher mehrere Jahre benötigt. Zwei solcher Extremsommer hintereinander könnten somit kritisch werden und die Versorgungssicherheit sowohl leistungs- als auch produktionsseitig beeinträchtigen.

[ Dr. Michel Piot, Energiewirtschafter, Bundesamt für Energie BFE ]
Literatur:
erhältlich unter www.energie-perspektiven.ch:
[1] BFE: Die Energieperspektiven 2035 – Band 1 Synthese. Bern, 2006.
[2] BFE: Die Energieperspektiven 2035 – Band 4 Exkurse. Bern, 2006.
[3] Hohmann R., Neu U.: Klimaentwicklung in der Schweiz bis 2050 Ein kurzer Überblick. OcCC, Bern, 2004.
[4] Horton P. et al.: Prediction of climate change impacts on Alpine discharge regimes under A2 and B2 SRES emission scenarios for two future time periods. BFE, Energiewirtschaftliche Grundlagen. Bern, 2005.
[5] Rits V., Kirchner A.: Energieperspektiven 2035 – Band 5 Analyse und Bewertung des Elektrizitätsangebotes.
Prognos, Basel, 2007.
[6] Kirchner A.: Energieperspektiven 2035 – Band 2 Szenarien I – IV. Prognos, Basel, 2007.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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