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hochparterre 12|2007
Zeitschrift für Architektur und Design
hochparterre 12|2007
zur Zeitschrift: hochparterre

Am Strand von Opfikon

Sandburgen bauen und Streckenschwimmen. Beach-Volleyball und Skaten auf der fünf Meter hohen Rampe. Am offenen Feuer Würste und Steaks braten oder einfach nur unter Platanen einen Schwatz halten. Der Opfikerpark zwischen Zürich und dem Flughafen bietet alles.

19. Dezember 2007 - René Hornung
So hat noch keine Schweizer Gemeinde ein entstehendes Quartier den Investoren übergeben: Mit einem funktionierenden ‹Herz›, einem Park mit Sportanlagen, Räumen für Begegnungen und Sandstrand. Der Opfikerpark war fertig, als die ersten Mieter in die neu erstellten Wohnungen einzogen: Umgebung vor Hochbauten.
Opfikon, Zürichs Nachbarstadt im Glattal, hat gehandelt, als in den Neunzigerjahren klar wurde, dass das Oberhauserriet nach rund 50 Jahren Planungsdiskussionen – oft war die Rede von der «teuersten Wiese Europas» – nun überbaut wird. Der Ort war ziemlich unwirtlich. Eine ehemalige Sumpffläche, für die Landwirtschaft drainiert, lag offen hinterm Fernsehstudio und den Bürobauten Leutschenbachs. Am Nordrand die sechsspurige Autobahn, im Osten die Kläranlage und der Ausbildungsplatz für den Zivilschutz, flankiert von der begradigten und kanalisierten Glatt – kaum eine Spur von Natur.
2001 wurde ein Wettbewerb für eine regionale Parkanlage ausgeschrieben, die zum Zentrum des künftigen Stadtquartiers werden soll. ‹Agglos Traum› hiess das Siegerprojekt von Gabriele G. Kiefer aus Berlin, einer der zur Zeit führenden deutschen Landschaftsarchitektinnen. Sie hat hier ihr Credo umgesetzt: «Wenn es um die Entwicklung in der Peripherie geht, muss Landschaftsarchitektur ein Stück Urbanität schaffen.» So ist aus dem freien Feld in Opfikon ein klar strukturiertes Gebiet geworden. – In der Schweiz sei eine konsequente Ausführung einer solchen Planung deutlich einfacher umzusetzen als in Deutschland, «wo auch bei der Planung immer alle dreinreden», zieht Gabriele G. Kiefer zufrieden Bilanz.

Aushub als Lärmschutz

Die Akzeptanz des Parks bei den Nutzern ist hoch. Schon im ersten Sommer waren hier nicht nur die neu zugezogenen Quartierbewohner anzutreffen, sondern auch Leute aus der Umgebung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fernsehstudios und der Bürokomplexe rundum nutzen den 400 Meter langen See zum Streckenschwimmen. Andere kommen zum Joggen oder einfach nur zum Ausruhen. Die Jugend hat die Sportplätze in Beschlag genommen und die fünf Meter hohe Steilrampe am Autobahn-Lärmschutzwall wird mit allem befahren, was Räder hat. Hauptattraktivität des Parks ist der See mit seiner urbanen Klarheit, überspannt von drei Brücken und den zwei unterschiedlich gestalteten Ufern – hier Sandstrand, dort Schilf. Damit dem See das Wasser nicht ausläuft, mussten zuerst die alten Drainagerohre ausgegraben und der Grund abgedichtet werden. Nur noch in ihrem obersten Teil sichtbare, massive Betonmauern – bis zu sieben Meter hoch – stehen am Ufer. Über die Höhe der Mauerbrüstungen gabs einige Diskussionen. Gabriele Kiefer erinnert sich, wie sich Haftungs- und Gestaltungsfragen in die Quere kamen: «Während es an natürlichen Seen selbstverständlich ist, dass Ufermauern keine Absturzsicherung Kunstprodukt.» Die Kanzelbrüstungen, die darauf montierten massiven Rohre, aber auch der nur sanft abfallende Sandstrand sind solche Sicherheitselemente, die zusammen mit der Beratungsstelle für Unfallverhütung entwickelt wurden. In der Mitte ist der See allerdings schwimmtauglich – immerhin drei Meter tief.
Und auf Ökologie wurde geachtet. Der Seegrund wurde mit dem Ton aus dem vorhandenen Aushubmaterial abgedichtet, der insgesamt zehn Meter hohe Autobahn-Lärmschutzwall wurde ebenfalls aus diesem Material aufgeschüttet und ist als Magerpflanzen-Gebiet angelegt. Die Steine am Schilfufer des Sees lagen ebenfalls vor Ort im Boden. «Nur den Sandstrand haben wir mit zugeführtem Material verfeinert», so Projektleiter Patrick Altermatt, Partner im Zürcher Landschaftsarchitekturbüro Hager, das das Projekt vor Ort leitete.

Regulierter Wasserstand

In den Schilfgürteln wachsen Seerosen und Iris und hier nisten Enten und Vögel und das Schilf reinigt das Wasser. Es wird vom Westwind durch die Wurzeln gedrückt, dahinter abgesogen und ans Nordende des Sees gepumpt. Von dort fliesst es durch eine Sandschicht wieder zurück. Der Schilfgürtel, der die Nährstoffe aus dem Wasser aufnimmt, wird künftig im Sommer teilweise gemäht. Sollte die Algenbildung zu intensiv werden, kommt – wie in den Uferpartien der grossen Seen – das Saugboot zum Einsatz. Der Wasserstand im neuen See schwankt bis zu 50 Zentimeter. Gespiesen wird er unter anderem vom Meteorwasser der Überbauung. Sinkt der Pegel zu tief, wird nachgepumpt, steigt er zu hoch, sorgt ein Überlauf für den Abfluss in die Glatt. Dort, in Flussnähe, wurden die Wald-Restparzellen durch typische Flussufer-Gehölze ergänzt. Die Kanzeln am See und die nördliche Promenade sind mit geschnittenen Platanen bepflanzt, die rasch ein geschlossenes Dach bilden werden.
«Der Park kann mit den Bedürfnissen wachsen», erläutert Patrick Altermatt. Es können nicht nur mehr Bänke aufgestellt oder Feuerstellen eingerichtet werden. Die nicht mehr genutzten Teile der Kläranlage mit den runden Absetzbecken sollen später Teil der Anlage werden. Die Betonmauer über der Rampe am Nordabschluss kann für eine später zu bauende Velo- und Fussgängerbrücke über die Autobahn geöffnet werden. Insgesamt wird der Nutzungsdruck noch markant steigen, denn in der Umgebung werden in wenigen Jahren rund 10 000 Menschen arbeiten und wohnen, was Gabriele G. Kiefer allerdings wundert, «in die-ser peripheren Lage und bei so viel Fluglärm».

Schweizer vorsichtiger

Der grosszügige Opfikerpark war im Wettbewerbsprojekt noch vielfältiger. Der Kostendruck zwang zu einigen Abstrichen. Die 23 beteiligten Grundeigentümer haben zwar den Boden gratis abgetreten, doch die Perimeter-Beiträge reichten nicht aus, das Projekt voll zu finanzieren. Wäre das ursprüngliche Wettbewerbsprojekt umgesetzt worden, hätte das rund 24 Mio. Franken gekostet. Schliesslich standen 10 Millionen von Grundeigentümern und 7,5 Millionen aus der Stadtkasse Opfikon zur Verfügung. Schritt für Schritt soll die Anlage dennoch weiter ausgebaut werden. Die Rede ist von einem Kiosk- und WC-Bau bei der Haltestelle ‹Fernsehstudio› der Glattalbahn.

Entstanden ist der Park im grossen Team mit Bau- und Wasserbauingenieuren, mit Licht- und Elektroplanern. Gabriele G. Kiefer arbeitete ihrerseits mit dem Zürcher Landschaftsarchitekturbüro Hager zusammen, für das sie selbst zuvor in Berlin eine Bauleitung übernommen hatte. Obwohl man sich lange kennt, waren für die Zusammenarbeit mit so vielen Beteiligten ein paar Übersetzungshilfen nötig. Gabriele G. Kiefer: «Trotz scheinbar gleicher Sprache verstanden wir manchmal Unterschiedliches. Mitunter hab ich vor allem die Herren vom Amt wohl auch etwas überfahren, denn bei uns sind die Diskussionen kontrovers und heftig – bei euch in der Schweiz ist alles viel vorsichtiger, langsamer.» An eine solche kurze Auseinandersetzung mit einem Bauleiter erinnern sich die Beteiligten «Erklären sie mir, wie ich das machen soll», ergänzte aber umgehend: «Ich machs dann sowieso anders».


Kommentar der Jury:
Der Opfikerpark liegt in einem ehemaligen Sumpfgebiet, das sich in einen urbanen Stadtteil wandelt. Der Park beeindruckt durch seine Grösse, die für die Schweiz ein Novum ist, und seine schlichte Gestaltung. Die lang gestreckte Wasserfläche bildet eine Zäsur zwi--schen den Wohnüberbauungen und dem freien Raum der Wiese dahinter. Dank der frühzeitigen Realisierung des Opfikerparks reagierte die entstehende Stadt auf den Freiraum, um möglichst vielen Wohnungen den Bezug zum Wasser zu geben. Kontrovers diskutiert wurden die Lage und die Gestaltung der Brücken: Sie sind relativ massiv, zerschneiden die Perspektive und brechen dessen Grosszügigkeit.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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