Zeitschrift

hochparterre 12|2007
Zeitschrift für Architektur und Design
hochparterre 12|2007
zur Zeitschrift: hochparterre

Italianità auf der Nase

Diese Sonnenbrillen sind gut gestartet. Sie verbinden Stil und Funktion: Ihr Bügel lässt sich wie eine Haarklammer biegen und macht die Brille flach; praktisch zum Verstauen. Trotzdem lässt sich stets etwas verbessern und für die nötige Aufmerksamkeit muss gesorgt werden.

19. Dezember 2007 - Meret Ernst
Im Januar ging der Zweipersonenbetrieb an den Start. Strada del Sole sind die Industrial Designerin Sandra Kaufmann und der Optikermeister Markus Dudli (HP 8/07). Ihre erste Kollektion umfasst sieben Sonnenbrillen in verschiedenen Ausführungen. Aufsehen erregt sie, weil sie dank Bügel aus geschlitztem Federstahl enorm flach zusammengelegt werden kann: Mit einem Klick schmiegen sich die Bügel an die gewölbte Kurve der Brillengläser, die sich so in jede Gesässtasche schieben lassen. Was hat sich im letzten halben Jahr getan? Die Markteinführung ist gelungen, Strada del Sole wird wahrgenommen, auch international. Der Auftritt stimmt, der Name verfängt und sachte beginnen die beiden Unternehmer darüber nachzudenken, was Strada del Sole als Label sonst noch bieten kann – ausser dem Kaffee, den sie aus Lust an der Italianità in silbern verpackten Beuteln verkaufen.

Doch den Brillen gehört ihre erste Leidenschaft. Dass die Kollektion Strada del Sole 001 – 007 ankommt, bestätigen ihnen die Einkäufer, die sie an zwei internationalen Messen trafen. Im Januar waren sie an der Opti München, im Oktober an der Silmo Paris, an der ihre Brillen in der Kategorie ‹Montures innovation technologique› für ihre technologische Neuerung an der Fassung nominiert waren. Frisch wirkt der Stand, den Bob Klenk für die Messe-auf-tritte gestaltete: eine blendend weisse Konstruktion, bevölkert von weissen Sori Yanagi-Hockern, auf der hellen Wand hebt sich das Logo ab. Auf dem Empfangstisch blitzt die Kaffeemaschine, dahinter arbeitet der Barista. Die Idee: süditalienische Mittagssonne, so hell, dass sich die Kunden schnell die Sonnenbrillen aufsetzen, die in Präsentationskartons bereit liegen.

Zurücklehnen können sich die beiden nicht. Die Modelle 008 – 014 sind am Start. Sonnenbrillen sind ein saisonales Geschäft, alle halbe Jahre braucht es Neuheiten. Für Strada del Sole dienen die neuen Modelle auch dazu, die Kollektion zu überprüfen, auf Anregungen von Optikern und Kundinnen einzugehen. Für Industrial Designerin Sandra Kaufmann ist das normal: Ein Produkt kann stets optimiert werden. Dabei geht es ihr um funktionale Verbesserungen. So rückte sie die Ansatzstelle der Nasenpads etwas hoch, wodurch man den Sitz der Brille auf der Nase richten kann. In diese Pads werden Silikonprofile geschoben, die man je nach Brei-te der Nase dünner oder dicker wählt. Eine Silikon-einlage erhielten auch die beiden Bügel-enden, damit die Brille besser sitzt.

Das Material und dessen Bearbeitung haben Sandra Kaufmann und Markus Dudli auch überprüft. Verwendet wird immer noch Federstahl. Aber sie haben den Lieferanten und den Härtegrad gewechselt. Ausserdem behandeln sie die Oberflächen anders: Statt geschliffen werden diese nun inwendig sandgestrahlt, womit bis hin zu den Scharnieren eine homogene Fläche erreicht wird und keine Lötflecken mehr sichtbar sind. Mit dem zusätzlichen Vorteil, dass so die Oberfläche resistenter gegen Schweiss wird; so lösen sie ein Hauptproblem bei Brillenfassungen.

Der Optiker rät

Formal haben sich die Modelle 001 – 007 bewährt. Doch der eine oder andere Typ fehlte, etwa die sportliche Brille für das breite Gesicht. Der Vergleich zeigt: 008 – 014 treten entschiedener auf – sowohl die klassischen Brillentypen, als auch die extremen Formen. Die Pilotenbrille lässt die Erinnerung an klassische Ray Bans hinter sich und wirkt zeitgemässer; die schmalen Formen werden noch schmaler, der toughen Geschäftsfrau ins Gesicht geschnitten. Was Sandra Kaufmann von den Optikern hörte, die die Modelle verkaufen, freut jede Designerin: Der klappbare Bügel und die Klammer, mit der die Gläser in der Fassung gehalten werden, wurden zwar als zeitgemäss, die Formen der Brillenfassung jedoch als eher konservativ beurteilt. Sie nimmt es als Aufruf, formal mehr zu wagen, das Sortiment mit extravaganten Modellen zu ergänzen.
Die Kollektion soll nicht vergrössert, sondern laufend aktualisiert werden. Dabei tauschen Sandra Kaufmann und Markus Dudli schwächere Modelle mit besseren aus, tüfteln an der Farbe des Glases. Auch das Material steht zur Debatte: Nach Paris nahmen sie vier Brillen in Rotgold mit. Die sind gut angekommen, obwohl Gold in diesem Segment als unmögliche Wahl gilt. Sicher ist nur: Für die Metallkollektion behalten sie den Bügel mit dem Klick bei. Wie wird die nächste Kollektion aussehen? Sandra Kaufmann denkt an eine Brille aus Kunststoff, welche die Formensprache von Strada del Sole aufnimmt.

Und wann kommt die Korrekturbrille? Die Nachfrage ist da. Doch Strada del Sole will langsam wachsen. Der Markt für Korrekturbrillen ist viel grösser, da müssten sie rund zehn Mal mehr Brillen produzieren. Ausserdem trägt man im Unterschied zur Sonnenbrille eine Korrekturbrille im Schnitt vier Jahre, 14 Stunden täglich. Also soll erst die Sonnenbrille perfekt sein, bevor sie sich an die anspruchsvolle Korrekturbrille wagen wollen.

Vereinfachtes Produzieren

Doch es geht auch darum, das Geschäftsrisiko im Griff zu halten. Denn mit der Erweiterung der Kollektion hat sich die Bestellmenge vergrössert. Sandra Kaufmann und Markus Dudli produzieren selbst und finanzieren die Produktion vor. Von den Optikern verlangen sie eine handelsübliche Mindestabnahme von fünfzehn Stück. Obwohl sie Arbeit für zwei Mitarbeiter hätten, stecken sie noch in der Aufbauphase, können sich das nicht leisten.

Die gesamte Produktionszeit einer Brille von der Materialbestellung bis zur Konfektion beträgt bis zu drei Monaten. Das liegt an den verschiedenen Schweizer Zulieferfirmen und daran, dass sie den Schnappbügel – Herzstück der Brille – immer noch selbst herstellen. Doch das wird beim derzeitigen Volumen problematisch, der Gedanke, die Produktion auszulagern, vielleicht nach Japan, drängt sich auf. Liegt es da nicht nahe, grösser zu werden, Kapital aufzunehmen? Der Gang zur Bank ersparen sie sich, im Wissen darum, dass in Handwerk, wie sie sagen, kaum investiert wird. Und Investoren, die sich an der Firma beteiligen, möchten sie keine, denn die Beispiele von Designern, die ihre Firma vergrösserten und am Schluss auf der Strasse standen, schrecken sie ab. Lieber unabhängig bleiben. Sandra Kaufmann und Markus Dudli, die je genau hälftig beteiligt sind, mögen den kurzen Dienstweg. Gibt es Probleme, wird so lange diskutiert, bis die Lösung gefunden ist. Sandra Kaufmann kümmert sich um Design, Markus Dudli um Vertrieb und beide um Produktion und Marketing. Immerhin, mit Bob Klenk und Reto Gehrig, dem Ausstellungsgestalter und dem Grafiker, die Logo, Webauftritt und Kundeninformationen gestalten, haben sie sich zusätzliche Köpfe ins Boot geholt. So tüfteln sie daran, wie die Produktion vereinfacht, wie Verkauf und Vertrieb verbessert werden können. Denn beiden ist klar: Ohne die Erfindung Schnappbügel hätten sie weniger Aufwand, aber auch weniger Kunden.

Sonnenbrillen 001 – 007 und 008 – 014
Strada del Sole ist ein junges Brillenlabel aus Zürich, das mit einer äusserst flachen Sonnenbrille diesen Frühling auf den Markt kam.
--› Design und Hersteller: Strada del Sole, Zürich
--› Preis: ab CHF 350.–

Kommentar der Jury:
Wer mit Sonnenbrillen sein Geschäft machen will, muss sich zwischen Gucci, Prada und Polaroid auf einem label-gesättigten Markt bewähren. Kommt dazu, dass Strada del Sole, hinter dem die Industrial Designerin Sandra Kaufmann und der Optikermeister Markus Dudli stecken, in der Schweiz produziert. Gefragt war eine Idee, die diese Kollektion von den vielen hundert bestehenden Kollektionen unterscheidet. Sandra Kaufmann und Markus Dudli setzen auf den funktionalen Mehrwert, der durch den flexiblen, geschlitzten Bügel aus Federstahl entsteht: Er schmiegt sich, klickt man ihn wie eine Haarspange ein, der gewölbten Kurve der Brillengläser an. Damit wird die Brille flach und lässt sich in jeder Gesässtasche gefahrlos transportieren. Die Jury freute sich an der intelligenten funktionalen Lösung, die die Brille einzigartig macht. Ebenso überzeugt ist die Jury von der feinmechanisch perfekten Fertigung und der überzeugend durchdachten Kollektion.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

Tools: