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TEC21 2007|47
Minergiebauten
TEC21 2007|47
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Wärme gut genutzt

Die Wohnüberbauung «Eulachhof» im ehemaligen Sulzer-Areal in Oberwinterthur setzt neue Massstäbe im Wohnungsbau: Neben der konsequenten Nutzung der Wärme aus der Abluft und dem anfallenden Abwasser wurde eine gute passivsolare Nutzung der Südfassade angestrebt. Der auf dem Dach durch Solarzellen erzeugte Strom entspricht dem Jahresbedarf der benötigten Wärmepumpen und des Lüftungssystems.

19. November 2007 - Lukas Denzler
Mit dem ehemaligen Industriegelände von Sulzer steht in Oberwinterthur ein grosses Grundstück für neue Nutzungen zur Verfügung. Nun sind unter dem Namen «Eulachhof» zwei Liegenschaften mit insgesamt 132 Wohnungen errichtet worden. Anfang November sind die ersten Mieter eingezogen. Die beiden Gebäude erfüllen die Anforderungen von Minergie-P-Eco und wurden mit dem diesjährigen Solarpreis ausgezeichnet.

Die Allreal AG als Totalunternehmerin und Projektinitiantin sowie die Investoren setzten bezüglich Energie die Latte hoch. So sollten etwa die Solarzellen über das Jahr gesehen so viel Strom liefern, wie zum Betrieb der Gebäude gebraucht wird. Das Resultat ist eine Nullenergiebilanz für die Raumwärme, das Warmwasser und die Lüftungsanlagen. Laut Dietrich Schwarz von der Zürcher Firma GlassX, die mit der Architektur der Überbauung betraut war, ist ein energetisch so ehrgeiziges Ziel nur mit einer Doppelstrategie zu erreichen. Zum einen gilt es, mit einer guten Isolation die Wärmeverluste zu minimieren, und zum anderen muss über die Südfassade die einfallende Sonnenenergie passiv genutzt werden. Folglich sind die beiden Hauptgebäude gegen Süden ausgerichtet; die Südfassaden sind energetisch optimiert und zu 60% mit Fenstern durchsetzt.

Ein wesentliches Element der Südfassade bilden die speziellen Solargläser, die von der Firma GlassX entwickelt wurden. Die transluzenten Paneele bieten einen doppelten Nutzen. Einerseits werden die Strahlen der hoch stehenden Sommersonne mittels eines Prismenschliffs hinter dem äusseren Glas reflektiert. Andererseits enthalten die Elemente mit (bei Raumtemperatur kristallinem) Salzhydrat gefüllte Kunststoffkammern. Diese wirken als Latentspeicher: An sonnigen Tagen wird die aus der einstrahlenden Sonne gewonnene thermische Energie beim Schmelzen der Salzkristalle erst einmal «eingelagert», um mit der Kristallisation bei kühleren Temperaturen wiederum – zeitverzögert – abgegeben zu werden. Die Speicherkapazität eines solchen Phasenwechselmaterials entspricht dem Zehnfachen von Beton und verhindert auf diese Weise eine Überhitzung der Innenräume. Der Einbau von Solargläsern ist mit Mehrinvestitionen verbunden. «Bei einer Gesamt­betrachtung geht die Rechnung aber auf», erläutert Schwarz. Die Spezialgläser führten zu keinen Zusatzkosten, weil die Isolation des Gebäudes etwas knapper kalkuliert werden könne. Zudem wirke sich der hohe Glasanteil positiv auf den zur Verfügung stehenden Raum aus. Laut Schwarz benötigen Minergie-P-Häuser in der Regel Aussenwände mit einer Gesamtdicke von rund 50cm. Das Solarglas ist hingegen lediglich 8cm dick.

Beim Eulachhof handelt es sich um den grössten Bau, bei dem solche Spezialgläser eingebaut wurden (1230 m²). Berechnungen für das bereits realisierte Alterswohnheim in Domat / Ems ergaben laut Schwarz dank dem Solarglas eine Verbesserung der Energiekennzahl um 40% im Vergleich zu einem Passivhaus. Andreas Baumgartner von der Firma Amstein Walthert, die beim Eulachhof für das Energiekonzept und die Haustechnik verantwortlich zeichnet, sieht den Vorteil der Solargläser vor allem beim besseren Komfort. Mit Messungen und Beobachtungen müsse nun aber gezeigt werden, wie gross ihr energetischer Nutzen unter realen Bedingungen in einem Mehrfamilienhaus sei. Im Eulachhof werde in den nächsten Jahren deshalb der Endenergieverbrauch erfasst und ausgewertet. Einen Kompromiss mussten die Planer bei den Balkonen eingehen. Zugunsten einer besseren Vermietbarkeit wurden diese nämlich recht grosszügig ausgestaltet. Durch die Balkonbeschattung gehen 15 bis 20% des möglichen Solargewinns verloren; ganz ohne Heizung geht es deshalb nicht.

Wärmerückgewinnung aus Abluft und Abwasser

Mit einer Wärmepumpe wird die nötige Heizwärme bereitgestellt, wobei für die Wärmerückgewinnung die Abluft der Wohnungen genutzt wird. Weil Vorlauftemperaturen von 28 °C genügen, ist die Wärmepumpe sehr effizient und erreicht eine Jahresarbeitszahl von über 5. Die beiden Gebäude sind zur Spitzenabdeckung ans Fernwärmenetz angeschlossen; die aus dem Netz der Kehrichtverbrennungsanlage bezogene Wärme (weitgehend erneuerbare Energie) entspricht ungefähr einem Viertel der Energie, die beim Verbrennen des durch die Bewohner produzierten Abfalls anfällt.

Das Warmwasser wird ebenfalls über eine Wärmepumpe bereitgestellt. Benützt wird hier das 23°C warme Abwasser, das in zwei zentralen Betontanks über einen Wärmetauscher geleitet wird. Weil das Warmwasser um rund 30°C aufgeheizt werden muss, erreicht die Wärmepumpe «nur» eine Jahresarbeitszahl von 3.5 bis 4. Für Andreas Baumgartner ist die Nutzung der Wärme aus dem Abwasser zukunftsweisend. Anlagen von dieser Grösse seien in der Schweiz bisher noch nicht realisiert worden. «Das Clevere an diesem Konzept ist, dass die Nachfrage nach Warmwasser parallel zur Menge des anfallenden Abwassers verläuft», sagt Baumgartner. Fliesst also viel Abwasser in die Sammelbehälter, wie dies erfahrungsgemäss etwa am frühen Freitagabend zwischen 17 und 19 Uhr der Fall ist, so steht die anfallende Wärme unmittelbar für die Aufbereitung des neuen Warmwassers zur Verfügung.

In der Überbauung «Eulachhof» ist derzeit keine Kühlung vorgesehen. Die momentan installierte Haustechnik könnte einen allfälligen Bedarf an Kühlleistung auch nicht befriedigen. Dies im Unterschied zu Erdsonden, die im Sommer auch für die Kühlung benutzt werden können. Aus Gründen des Grundwasserschutzes wären Erdsonden im «Eulachhof» jedoch nicht erlaubt; eine Kühlung müsste also ohnehin auf andere Weise erfolgen. Angesichts der Klimaerwärmung und möglicherweise häufiger auftretenden Hitzesommern könnte jedoch in Zukunft die Kühlung vermehrt auch in Wohngebäuden aktuell werden.

Für die Fotovoltaik gäbe es zweifellos bessere Standorte mit höherer Sonneneinstrahlung als in Winterthur: In Spanien wäre mit der gleichen Fläche Solarzellen mindestens eine zweifache Stromerzeugung möglich, sagt Baumgartner. Die installierten Solarzellen würden aber zur Sensibilisierung der Bewohner für erneuerbare Energien beitragen.

Normale Rendite erwartet

Neben der Auszeichnung «Minergie-P» erhält der «Eulachhof» auch das Eco-Label. Damit erfüllt der Bau besondere Anforderungen in den Bereichen Bauökologie und Gesundheit (s. Kasten S. 30). Dietrich Schwarz beurteilt das neue Label sehr positiv. Ein vernünftiger Einsatz der natürlichen Ressourcen sei ein Gebot der Stunde und die Einschränkung bei den Materialien sei aus architektonischer Sicht nicht so gravierend, weil Alternativen zur Verfügung stünden. Auch bei Allreal habe man damit sehr positive Erfahrungen gemacht, sagt Martin Hofmann. Die Zusatzkosten hielten sich im Rahmen, und bei einigen Baumaterialien existierten ohnehin keine Preisunterschiede. Der verwendete Recyclingbeton sei beispielsweise nicht teurer gewesen als konventioneller.

Mit dem «Eulachhof» konnte gezeigt werden, dass eine energiesparende und ökologische Bauweise auch bei Mietwohnungen möglich ist. Hofmann schätzt, dass der Minergie-P-Standard die Investitionskosten um 10 bis 12% erhöhte. Die Mehrkosten würden durch die deutlich tieferen Energiekosten jedoch über die Zeit wettgemacht Tatsächlich sind die Mieten für die Wohnungen moderat; für eine 4.5-Zimmer-Wohnung sind 1980 Fr. bis 2130 Fr. zu bezahlen (inkl. Nebenkosten). Die beiden Investoren – die Allianz Suisse und die Profond Vorsorgeeinrichtung – gehen davon aus, mit den beiden Wohnhäusern langfristig die üblichen Renditen erzielen zu können. Und das wäre eine sehr erfreuliche Nachricht: nämlich, dass energieoptimiertes und ökologisches Bauen nicht mehr zwingend weitsichtiger Pioniere und Idealisten bedarf, sondern marktfähig geworden ist.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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