Zeitschrift

anthos 2007/4
Entwicklungsgebiete
anthos 2007/4
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Freiraumsicherung in Entwicklungsgebieten

Kooperative Entwicklungsplanung in der Stadt Zürich – drei unterschiedliche Ansätze zur städtebaulichen Sicherung und Bereitstellung von Freiräumen am Beispiel des Gebietes Leutschenbach.

18. Dezember 2007 - Cordula Weber
Auf verschiedenen ehemaligen Industrie und Gewerbearealen entstehen derzeit analog zur Bau- und Zonenordnung Mischnutzungen aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur. Diese grössten Umnutzungsgebiete innerhalb der bebauten Stadt koordiniert die Verwaltung über das so genannte Gebietsmanagement mit interdisziplinären Kernteams und entwickelt sie in kooperativer Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern. Wo bereits vorhanden, wird auch die Wohnbevölkerung einbezogen. Die monatlich tagende Delegation für stadträumliche Fragen mit einer starken Vertretung des Stadtrates sowie den im öffentlichen Raum tätigen Dienstchefs definiert die Strategie, steuert die Prozesse und greift bei Zielkonflikten ein.

In Zürich ist die Mehrwertabschöpfung nicht rechtlich verankert. Finanzielle und materielle Beteiligungen der Grundeigentümer an gebietsaufwertenden Infrastrukturmassnahmen sind daher freiwillig, sie werden über kooperative Prozesse ausgehandelt. Grün Stadt Zürich hat das Ziel, der Wohn- und Arbeitsbevölkerung ausreichend Erholungsraum in Fusswegdistanz zur Verfügung zu stellen. Hierfür gelten die Richtwerte von acht Quadratmetern öffentlichem, multifunktionalem Freiraum pro Einwohner und fünf Quadratmetern pro Arbeitsplatz. Diese Flächensicherung bildet die quantitative Grundlage zur Entwicklung einer hohen Nutzungs- und Gestaltungsqualität. Am Beispiel der Entwicklungsplanung Leutschenbach werden im Folgenden unterschiedliche Ansätze zur Bereitstellung von öffentlichem Freiraum dargelegt.

Entwicklungsplanung Leutschenbach

Das im Norden Zürichs gelegene, durch zwei Bahndämme begrenzte Gebiet Leutschenbach mit einer Fläche von rund 600 000 Quadratmetern wies bisher erhebliche städtebauliche und freiraumplanerische Defizite auf. Es ist mit der neuen Glattalbahn, dem Bahnhof Oerlikon, mit Autobahn und Flughafen sehr gut erschlossen. Gemäss Richtplan ist es ein Zentrumsgebiet von kantonaler Bedeutung. Hier besteht ein Potenzial von rund 20 000 Arbeitsplätzen und bis zu 3000 Einwohnern.

Der Druck zur Revision der Zonierung, Aufwertung und Entwicklung entstand Mitte der 1990er-Jahre seitens der privaten Grundeigentümer. Aufgrund der anspruchsvollen Ausgangslage und der vielfältigen Fragestellungen entschied sich die Stadt Zürich für ein offenes Planungsverfahren unter Mitwirkung von Planungsteams, Grundeigentümern sowie Planungsexperten. In der daraus resultierenden «Vision Leutschenbach» kam insbesondere der Erstellung eines vernetzten Freiraumsystems als imagebildendem Element vorrangige Bedeutung zu. Die Vision sowie das nachfolgende «Entwicklungskonzept Leutschenbach» mit Aussagen zu Nutzung, Freiraum und Verkehr sowie eine Absichtserklärung zur gemeinsamen Finanzierung bildeten die Grundlage für die 2001 erfolgte Zonierung des Gebietes. Diese sieht mehrheitlich Zentrumszonen mit Freiflächenziffern von 20 bis 30 Prozent und mit einem Wohnanteil im Zentrum und an den Rändern vor. Neben den drei nachfolgend aufgeführten öffentlichen Parks prägen und vernetzen zukünftig verschiedene aufgewertete lineare Freiräume wie Strassen mit Alleen oder renaturierte Bachläufe das Gebiet.

Grubenackerpark – Freihaltezone in städtischem Besitz

Ein heute zu grossen Teilen als Familiengärten genutztes Areal nördlich der Thurgauerstrasse ist in städtischem Besitz. Diese Freihaltezone wurde in einer Teilzonenplanänderung im Jahr 2001 von 27 000 auf rund 12 000 Quadratmeter reduziert. Die verbleibende Freihaltezone soll als Grubenackerpark den angrenzenden Wohn- und Dienstleistungsgebäuden zur Verfügung stehen. Das gesamte Areal wird in den kommenden Jahren über einen Gestaltungsplan entwickelt. Die erfolgte Umzonung führte zu einem Planungsmehrwert von 21 Millionen Franken.

Leutschenpark – Freiflächenziffertransfer in eine Bauzone

Eine städtische Bauparzelle in der Mitte von Leutschenbach wurde bis 1955 als Schiessanlage, danach als Autoparkplatz und Standplatz für Fahrende genutzt. Diese Fläche von gut 15 000 Quadratmetern wird als Leutschenpark zum Herzstück des neuen Zentrumsgebietes. Die Gestaltungen des Leutschenparks und der Leutschenbachstrasse wurden über einen gemeinsamen öffentlichen Wettbewerb entwickelt.
Das Instrument des Freiflächenziffertransfers ermöglicht die finanzielle Beteiligung der Grundeigentümer an den Aufwertungsinvestitionen der Stadt. Gemäss Bau- und Zonenordnung Art. 18 Abs. 2 kann die Übertragung von maximal der Hälfte der Freiflächenziffer vom eigenen Grundstück in eine andere Bauzone innerhalb eines definierten Gebietes erfolgen. Dieses Finanzierungshilfsmittel ist für den Leutschenpark vorgesehen. Das Parkareal muss daher weiterhin eine Bauparzelle sein, um den Transfer zu ermöglichen. Diese Zonierung bedingte jedoch eine aussergewöhnliche Höhe des Objektkredits. Neben 13 Millionen Franken für Bau und Altlastensanierung standen 22 Millionen für die formale Abschreibung des Landwertes durch Übertrag vom städtischen Finanzzins Verwaltungsvermögen zu Buche und machten 2006 eine Gemeindeabstimmung notwendig. Private Grundeigentümer beteiligen sich mit fünf Millionen Franken über Freiflächenziffertransfers sowie mit freiwilligen Beiträgen von 374 000 Franken an den Gesamtkosten. Das Siegerprojekt des öffentlichen Wettbewerbes befindet sich nach erfolgreicher Abstimmung bei Grün Stadt Zürich im Bau.

Andreaspark – öffentlicher Park in privater Überbauung

Das rund 100 000 Quadratmeter grosse Steiner/ Hunziker-Areal entlang des südlichen Bahndamms (zur Hälfte in städtischem Besitz) wurde über ein gemeinsames zweistufiges städtebauliches Verfahren entwickelt. Der Andreaspark zieht sich als öffentlicher Freiraum entlang der neu erstellten Wohn- und Dienstleistungsbauten und des Riedgrabens bis zum geplanten Schulhaus Leutschenbach einschliesslich dessen Aussenraum. Gebaut wird der Andreaspark auf eigene Kosten von denjenigen Grundeigentümern, auf deren Grundstück der jeweilige Parkteil zu liegen kommt. Zudem entrichten sie einen Beitrag zur Aufwertung der Andreasstrasse sowie zur Offenlegung des Baches. Im Gegenzug übernimmt die Stadt den Unterhalt des öffentlichen Andreasparks. Die finanziellen Vereinbarungen, die öffentlichen Benutzungsrechte für den Park sowie den Fuss- und Radweg auf privatem Grund sind vertraglich geregelt.

Einige Empfehlungen aus den bisherigen Erfahrungen

Die frühzeitige interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung zur Entwicklung der grossen Areale hat sich bewährt. Hierfür sind im Vorfeld klare Rollen- und Aufgabendefinitionen nötig. Wichtig ist die enge Anbindung an politische Entscheidungsträger. Die Planungsbehörden der Stadtverwaltung müssen einhellig und mit abgestimmten Zielen agieren. Dies stellt bei grossen Verwaltungen hohe Anforderung an Koordination und Abstimmung der Kommunikation gegenüber den Grundeigentümern. Das Gebietsmanagement ist hierfür eine sehr hilfreiche Einrichtung.

Zur Klärung der für das jeweilige Projektvorhaben geeigneten Strategie zur Freiflächensicherung und -entwicklung gilt es, vorgängig folgende Fragen zu beantworten: Ist das Projekt vorwiegend ein öffentlicher Auftrag der Verwaltung, oder geht es darüber hinaus und rechtfertigt eine Beteiligung der Grundeigentümer? Welches sind dann die Anreize, die die Stadt bieten kann? Was sind die Konsequenzen einer Nichtbeteiligung?
Ohne eine gesetzlich festgelegte Mehrwertabschöpfung ist eine gute Verhandlungsposition der Stadt zur Beteiligung privater Grundeigentümer vor allem im Rahmen von Sondernutzungsplanungen oder vor einer Zonenplanrevision gegeben. Beitragsverhandlungen bei Bauvorhaben in der Regelbauweise gemäss rechtskräftiger Bau- und Zonenordnung sind oft sehr aufwändig und langwierig. Die effektive Bereitschaft der Grundeigentümer zur finanziellen Beteiligung oder zum Freiflächenziffertransfer erweist sich als sehr unterschiedlich.

[Cordula Weber, Dipl.-Ing. FH, Landschaftsarchitektin, Leiterin des Fachbereichs Freiraumplanung, Grün Stadt Zürich]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

Tools: