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hochparterre 01-02|2008
Zeitschrift für Architektur und Design
hochparterre 01-02|2008
zur Zeitschrift: hochparterre

Planlos ins Netz

Die Auftritte der Schweizer Architekten im Internet sind lieblos und unprofessionell gemacht. Zu diesem Schluss kommt ein von Hochparterre beauftragtes Expertenteam, das die Websites von 50 Büros bewertet hat. Mehr als die Hälfte schneidet ungenügend ab.

16. Januar 2008 - Urs Honegger
Architekten gestalten im Netz wie im richtigen Architekturleben: überall Kästchen und Klötze. Nur leidet im World Wide Web die Gestaltung darunter. «Viele Auftritte wirken verkrampft», hält die Grafikdesignerin Catherine Corti fest. Der Kontroll- und Kästchenwahn ist ihr bei der Beurteilung des Webdesigns als Erstes ins Auge gestochen. Aber auch andere Mängel sind weit verbreitet: verschwommene Bilder, zu kleine Schriften. Oft kommen sich Gestaltung und Navigation in die Quere. Animationen können als dekoratives Element spannend sein. Wenn aber die Navigation der Benutzerin unter dem Mauszeiger wegrennt, macht Internet-Surfen keinen Spass. Viele Seiten gleichen sich. Neben dem omnipräsenten Raster wird sehr häufig ein schwarzer Hintergrund verwendet: «Die haben einander abgeschaut», sagt Catherine Corti.

Keine Web-Extras

«Es wird beinahe nirgends versucht, ein Gefühl für die Architektur zu vermitteln», fasst Usability-Spezialist Daniel Hunziker seinen Eindruck zusammen, dabei böte gerade das Netz unzählige Möglichkeiten dafür. Er vermisst zum Beispiel grosse Bilder. Keines der fünfzig Architekturbüros unterhält einen Blog. Löbliche Ausnahme bildet eine Baustellen-Webcam bei Itten Brechbühl. Manche Sites – so Hunziker – scheinen die Besucher geradezu vertreiben zu wollen. Sie starten mit einer nahezu leeren Homepage, auf der unklar bleibt, wo es weitergeht: «Wie ein Haus, bei dem man die Türe nicht findet», zieht er den Vergleich. Für die Programmierung gilt, was auch für die Architektur Voraussetzung ist: Nur wer sich an Standards und Normen hält, baut etwas, das funktioniert. Im Internet führt ein mangelhafter Quellcode zum Beispiel dazu, dass die Website nur mit einer bestimmten Software läuft. Hat eine Benutzerin diese auf ihrem Computer nicht installiert, sieht sie nichts. Oder sie findet die Navigation nicht, weil sich die Grösse der Seite nicht dem Browserfenster anpasst. Unsaubere Programmierung führt auch dazu, dass eine Seite langsam lädt und die Geduld strapaziert.

Das meiste ist selbstgestrickt

Die meisten Sites sind offensichtlich selbst gemacht. Nur vier Büros sind fehlerfrei programmiert. «Da war wohl ein Freund des Büros am Werk, der ein bisschen HTML-Code kann. Oder der Praktikant, der an der ETH ein paar Lektionen Webdesign gehabt hat», vermutet Alexandra Papadopoulos. Geradezu amüsiert hat die Expertenrunde das Beispiel von Brodbeck-Roulet: Die brauchen mehr als 160 Zeilen Code mit fast zwanzig Fehlern drinen, um ein einziges Pop-up-Fenster zu öffnen. Warum nehmen die Büros ihre Präsenz im Internet nicht ernst? «Den Architekten fehlt wohl der Sinn für Öffentlichkeitsarbeit», vermutet Julian Karrer, Geschäftsführer von Future Connection, und ihnen fehle das Gefühl fürs Medium. Die Büros scheinen sich nur widerwillig zu einem Auftritt zu entschliessen oder finden eine Website nicht nötig, stellt Karrer fest. Einige grosse Büros verzichten ganz darauf, allen voran die Basler Herzog & de Meuron. Hier passt die Haltung zur Corporate Identity und schadet in diesem Fall wohl kaum der Auftragslage. Bei kleineren Büros verstehe er diese Haltung aber nicht. Karrer: «Für viele wäre es eine Möglichkeit zu zeigen, inwiefern sie sich von der Konkurrenz unterschieden.» Für das Expertenteam, das sich täglich mit dem Netz und seinen Anwendungen auseinandersetzt, wirken die Auftritte der Architekturbüros lieblos und unprofessionell. Dass so wenig Aufwand für den Internetauftritt betrieben wird, erstaunt sie vor allem, wenn man die Auftragsvolumen der Büros betrachtet. «Im Internet wäre mit vergleichsweise wenig Mitteln viel zu erreichen», konstatiert Julian Karrer.

Die Gewinner

--› 1 Fischer Architekten: Ein fehlerfreier HTML-Code, bei dem sogar der Inhalt vom Design getrennt wurde, ist die Grundlage des Erfolgs. Dass die Architekten ein Content Management System verwenden, fällt dem Expertenteam positiv auf. Durchschnittlich wurden Fischer Architekten nur in der Kategorie Marketing bewertet: Die Experten hätten sich eine klarere Positionierung gewünscht.

--› 2 Metron: Auch Metron schafft es dank einer perfekten Technik auf das Podest. Sie beinhaltet sogar eine barrierenfreie Version der Website, die einzige der fünfzig getesteten. Dazu punktet das Büro mit einem Unternehmensauftritt, der die verschiedenen Geschäftsbereiche übersichtlich darstellt. Abzüge gibt es für die Navigation und die etwas gar spröde Gestaltung.

--› 3 MLZD: Für die Gestaltung erhalten die Bieler Architekten das Punktemaximum. Sie überzeugen die Experten mit einem sauberen Design und einer offenen Struktur, die nicht dem verbreiteten Kästchen- und Kontrollwahn gehorcht. Technisch hält der Auftritt nicht ganz. was er verspricht. Die eingebaute Suchfunktion findet die eigenen Projekte nicht.

Das Expertenteam

--› Alexandra Papadopoulos, Designerin FH, ist Programmiererin und Projektleiterin. Bis vor vier Jahren war sie Geschäftsführerin der Internetfirma Mitlinks. 2003 gründete sie Wusi Entertainment und spezialisierte sich auf Computerspiele. wusi[at]limmat.ch

--› Catherine Corti, Designerin FH, ist Partnerin im Büro4 in Zürich. Die Agentur für Gestaltung und Kommunikation arbeitet in den Bereichen Print Design, Ausstellungsgestaltung und Screen Design. Dort entstehen Internetauftritte für kleinere und mittlere Unternehmen. www.buero4.ch

--› Julian Karrer, lic. oec., ist Inhaber und Geschäftsleiter der Firma Future Connection in Zürich. Sie erarbeitet Webauftritte und Online-Massnahmen, unter anderem für Aduno, BMW Schweiz, Goldbach Media, Jamie Oliver und das Tonhalle-Orchester. www.fconnection.com

--› Daniel Hunziker, Interaction Designer, ist Inhaber von Associés Consult. Er gestaltet und optimiert Interaktionen für Produkte und Dienstleistungen. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung im Gesamtdesign von digitalen Produkten. www.humancentereddesign.com

Kommentare

1 Fischer Architekten: 15 Punkte
--› Technisch perfekt, inhaltlich umfassend, einfach zu bedienen und solid gestaltet.
2 Metron: 15 Punkte
--› Vorbildlich, was die Technik und den barrierenfreien Zugang betrifft. Die Gestaltung passt zu seriösen Grossunternehmen.
3 MLZD: 15 Punkte
--› Alle mal herschauen: Man kann einen Auftritt im Netz auch zeitgemäss und sauber gestalten.
4 EM2N: 13 Punkte
--› Egal, ob man die Gestaltung trendy oder veraltet findet: Die grüne Internetseite bleibt im Gedächtnis und zeigt das Profil des Büros.
5 Kaufmann, van der Meer : 13 Punkte
--› Konventionell, sachlich und trotzdem nicht langweilig. Die grosszügigen Bilder sind teilweise unscharf.
6 Bob Gysin: 12 Punkte
--› Hat man das eitle Zitat zum Einstieg überlesen, findet man sich auf der übersichtlichen Site schnell zurecht.
7 Burckhardt Partner: 12 Punkte
--› Umfassende und internetgerecht aufbereitete Inhalte zeigen, was dieses Unternehmen macht. Die pdf-Dateien zum Runterladen sind nicht als solche gekennzeichnet.
8 Christ & Gantenbein: 12 Punkte
--› Die Website spielt mit dem Raster und setzt gestalterisch konsequent auf weisse Schrift und schwarzen Hintergrund. Die Pop-up-Fenster und die Links sind nicht markiert.
9 Pool Architekten: 12 Punkte
--› Das Intro verspricht mehr als der Rest der Seite hält. Die Gestaltung und die spielerisch eingesetzte Typografie passen zur Architektur des Büros.
10 Bauart Architekten: 11 Punkte
--› Unser Vorschlag: Die Navigation kleiner machen und die Informationen statt in pdf-Dateien zu verstecken in den Inhalt einbauen.
11 Matti Ragaz Hitz: 11 Punkte
--› Solider, unaufdringlicher Auftritt, der wenig vom Profil des Büros zeigt.
12 Pfister Schiess Tropeano: 11 Punkte
--› Die Klickbereiche und die Typografie sind zu klein geraten. Sonst gibts nicht viel zu meckern.
13 Santiago Calatrava LLC: 11 Punkte
--› Der Webauftritt ist ein animierter Hochglanzprospekt. Wegen zu kleiner Typografie schwer lesbar.
14 Zwimpfer Partner: 10 Punkte
--› Die Navigation, die sich nach unten ausrollt, kommt der komplett durchgerasterten Gestaltung in die Quere. Technisch perfekt.
15 AGPS Architecture: 10 Punkte
--› Wem die Navigation nicht unter dem Cursor wegrennt, findet viel Information auf dieser Seite.
16 ASA AG: 10 Punkte
--› Ist der Einstieg einmal gefunden, erfährt die Besucherin viel über die Menschen und das Büro. Selbst gemacht, aber informativ.
17 Gigon / Guyer: 10 Punkte
--› Der Code ist aktuell (XHTML), aber fehlerhaft. Über die Projekte des Büros erfährt man wenig.
18 Group 8: 10 Punkte
--› Die Site hebt sich durch eine abwechslungsreiche Gestaltung ab. Das Design wird aber nicht konsequent durchgezogen und erschwert dadurch die Orientierung.
19 Hans-Jörg Ruch: 10 Punkte
--› Ein perfekter Code hinter einer verstaubten Gestaltung. Von den Projekten sehen die Benutzerinnen jedoch wenig.
20 Meletta Strebel Zangger: 10 Punkte
--› Schöne grosse Bilder, aber kleine Klickbereiche und Typografie.
21 Staufer & Hasler: 10 Punkte
--› Die Seite würde auch mit normalem HTML laufen, statt mit XHTML, und hätte dann wohl weniger Code-Fehler.
22 Allemann Bauer Eigenmann: 9 Punkte
--› Die leere Homepage sagt der Besucherin nicht, wer sich hier präsentiert, und verlangt von ihr einen eigentlich unnötigen Klick.
23 Bakker & Blanc architectes: 9 Punkte
--› Eine reizvolle gestalterische Idee, allerdings unübersichtlich.
24 CCHE Architecture: 9 Punkte
--› Fast alles ist animiert. Das ist aber mehr Selbstzweck als Mehrwert für die Besucherin.
25 Dürig AG: 9 Punkte
--› Der Code wäre gerne XHTML, ist aber HTML. Die Gestaltung wäre gern reduziert, wirkt aber mager.
26 Geninasca Delefortrie: 9 Punkte
--› Die Navigation verwirrt den Besucher, weil er an verschiedenen Standorten klicken muss.
27 Plattform BW1 Architekten: 9 Punkte
--› Eine Menüleiste mit Zahlen statt Titeln erschwert die Orientierung. Ohne Flash geht nichts auf dieser Seite.
28 Theo Hotz: 9 Punkte
--› Eine Navigation für Feinmotoriker. Unnötige Animationen machen diese Internetpräsenz ungenügend.
29 Atelier WW: 8 Punkte
--› Die Site ist auffällig gestaltet, aber nicht sehr sorgfältig.
30 Bonnard et Woeffray: 8 Punkte
--› Ein elektronischer Prospekt: schön bebildert, aber schlecht lesbar.
31 Enzmann Fischer: 8 Punkte
--› Eine elektronische Visitenkarte im Postkartenformat. Von der Architektur sieht die Besucherin wenig.
32 Esch Architekten: 8 Punkte
--› Nicht barrierenfrei: Wer versucht, diese Seiten auszudrucken, sieht nichts ausser der Adresse.
33 Mario Botta: 8 Punkte
--› Unverkennbar Botta. Webdesign funktioniert aber nicht wie Architektur.
34 Martin Spühler: 8 Punkte
--› Sympathisch unverkrampft gestaltet, aber nicht internettauglich.
35 Miller Maranta: 8 Punkte
--› Navigation und Typografie sind zu klein, die Gestaltung ist langweilig.
36 Richter et Dahl Rocha: 8 Punkte
--› Die fehlerhafte Technik erschwert den Zugang zum Inhalt.
37 Stücheli Architekten: 8 Punkte
--› Noch ein Einstieg, der nicht sagt, worum es geht. Die Gestaltung lässt eher einen Steuerberater erwarten.
38 Bearth Deplazes: 7 Punkte
--› Eine Navigation, die sich erklären muss, ist keine Navigation.
39 Brodbeck-Roulet: 7 Punkte
--› Die Gestaltung erschwert die Interaktion. Die Seite bietet keine Alternative zur Flash-Version.
40 Büro B: 7 Punkte
--› Kurios: Der Zugang zum ftp-Server wird durch ein Login geschützt. Das Passwort wird darunter aber gleich angegeben.
41 Christoph Sauter: 7 Punkte
--› Die Animation macht die Site langsam und die Navigation muss man suchen.
42 Itten Brechbühl: 7 Punkte
--› Die Site ist lieblos gestaltet und schlecht navigierbar.
43 Steinmann & Schmid: 7 Punkte
--› Hier wimmelt es nur so von unmotivierten Navigationsmöglichkeiten.
44 Atelier 5: 6 Punkte
--› Zuerst findet man den Einstieg nicht, dann verschwindet die Navigation am unteren Rand.
45 Eckert Eckert: 6 Punkte
--› Die Website ist technisch so fehlerhaft, dass sie den Rechner eines Experten lahm gelegt hat.
46 Frei & Ehrensberger: 6 Punkte
--› Der Auftritt bringt die Architektur auf den Bildschirm, geht aber nicht auf die Bedingungen des Internets ein.
47 Graber Pulver: 4 Punkte
--› Das ist eine PowerPoint-Präsentation, keine Webpräsenz.
48 Bétrix & Consolacio: 4 Punkte
--› Die Einstiegseite führt zu swissarchitects.com. Das Architekturbüro findet man nur mit Glück.
49 Tilla Theus: 4 Punkte
--› Die Navigation hüpft, die Schrift ist nicht lesbar und die Bilder sind von schlechter Qualität.
50 Devantéry & Lamunière: 3 Punkte
--› Das bisschen Inhalt ist schlecht präsentiert. Auch nach längerem Aufenthalt auf der Site weiss die Besucherin nicht, wer hier was macht. Astrologie vielleicht?

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

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