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TEC21 2008|26
Urban essen
TEC21 2008|26
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Sandwich mit Geschichte

Vieles verbindet die Disziplinen Kochen und Bauen: Der Einbau der neuen Mensa des Basler Kirschgarten-Gymnasiums in eine bislang wenig attraktive Wandelhalle des denkmalgeschützten Schulhauses von Hans Bernoulli zeigt, dass die Zutaten einfach sein können, wichtig sind der gekonnte Umgang und eine sorgfältige Verarbeitung. Die Architektur erinnert an eine trendige Kaffebar und lässt keine Assoziationen zu herkömmlichen Kantinenräumen aufkommen.

23. Juni 2008 - Andrea Wiegelmann
Sandwiches, ob vom Bäcker oder von zu Hause mitgebracht, Obst und Schokolade, gegessen auf den Fluren, dem Pausenhof, manchmal im Klassenraum, zwischen den Stunden – alles keine Situationen, die wir uns zum Essen aussuchen. Im Kirschgarten- Gymnasium ist jetzt alles anders: Es gibt eine Mensa, deren grosszügige Glasfront sich zum Pausenhof öffnet und deren Sitzstufen zum Verweilen in der Sonne einladen. Der in hellen Tönen gehaltene Innenraum bildet einen zurückhaltenden Rahmen nicht nur während der Pausen.

Die neue Mensa

Das denkmalgeschützte Schulhaus, das die Basler Architekten Hans Bernoulli, Ernst Mumenthaler und Otto Meier im Jahr 1957 mit einer Fassade aus vorgefertigten Betonelementen errichteten, liegt zwischen der Basler Innenstadt und dem Schweizer Bahnhof in der Aeschenvorstadt. Die Versorgung mit Zwischenmahlzeiten vom Bäcker oder mit Fastfood ist also für die Schüler relativ einfach. Dennoch wurde mit der Verkürzung der Wochenschulzeit von sechs auf fünf Tage für das Kirschgarten-Gymnasium und die angrenzende De-Wette-Schule eine gemeinsame Mensa eingerichtet, um den Schülerinnen und Schülern eine nahe und gesunde Alternative zu bieten.

Nach dem Wunsch der Bauherrschaft sollte der Neubau nicht nur der Verpflegung dienen, sondern gleichzeitig einen Aufenthaltsbereich für die Schüler schaffen, da bisher ein entsprechendes Angebot fehlte. Auch der Pausenhof, der durch die drei Flügel des Schulbaus, die sich U-förmig um ihn legen, und die stirnseitig anschliessende Wandelhalle eingefasst ist, konnte dies nicht bieten. Neben einer ansprechenden Platzgestaltung fehlte es vor allem an Sitzgelegenheiten.

So lag es nahe, dass sich für die Architekten beim Neu- bzw. Umbau die Frage der Aufenthaltsqualität zu einem zentralen Thema ihres Entwurfs entwickelte. Es war ihnen wichtig, einen Ort zu schaffen, der Atmosphäre bietet und den die SchülerInnen für sich beanspruchen können – nicht nur, um Hausaufgaben zu erledigen, sondern gerade auch für ein zwangloses Zusammentreffen.

Auflage der Schulbehörde war, dass die Mensa für die Schüler beider Schulen gut zugänglich ist. So entschied man sich für den zentralen Standort in der Wandelhalle, die den Pausenhof zur Eingangsseite abschliesst, auch wenn damit kein Neubau möglich wurde. Stattdessen war die knifflige Aufgabe zu lösen, die Mensa in einen denkmalgeschützten Gebäudeteil zu integrieren, dessen Substanz nicht beschädigt werden durfte. Die Architekten machten aus der Not eine Tugend und nutzten die bestehende Tragstruktur aus Stahlbetonstützen als Ausgangspunkt für ihren Entwurf.

Der Ausbau - Das Arrangement

In der ehemaligen Wandelhalle spannt der reversible Einbau vom Boden zur Decke, ohne die rückwärtige Bestandswand zu tangieren. Die Innenverkleidung zieht sich in Bändern von der Rückwand bis zur verglasten Front, die den Raum zum Pausenhof öffnet. Die Bänder bilden aber nicht nur die Innenhülle, sie ziehen sich über die ganze Länge des Einbaus und strukturieren ihn. Gleichzeitig löst sich dieses Gestaltungselement von der vorhandenen Baustruktur und bildet im ersten und in den letzten drei Feldern zur bestehenden Betonwand Zwischenräume aus, in denen Windfang und Küche untergebracht sind. Aus den Bändern heraus entwickeln sich Sitzbänke, der Küchenblock sowie Ablageflächen – weitere Einbauten werden damit überflüssig. Zusätzlich sind Schallschutzelemente und Leuchten integriert, die das Gefüge mit einem eigenen Rhythmus überlagern.

Die Elemente sind in fünf Breiten eingebaut und bestehen aus unterschiedlichen Holzwerkstoffplatten: Während die Übergänge von Boden zu Wand bzw. Wand zu Decke durch Formholzteile mit Standardradien gestaltet sind, bestehen die geraden Wandelemente aus gespritzten MDF-Platten. Die Sitzbänke sind in Sperrholz ausgeführt, die perforierten Akustikelemente aus Tannenholz mit dahinter liegenden Holzfaserplatten.

Das Farbkonzept aus drei minimal unterschiedlichen Farbtönen wurde in Zusammenarbeit mit dem Künstler Gido Wiederkehr entwickelt: Ein warmgrauer Grundton wechselt mit zwei Aufhellungsstufen zwischen den Elementen. Die so changierende Wandverkleidung geht optisch fast übergangslos in den hellen Bodenbelag über, einen abgeschliffenen und versiegelten Anhydritmörtel. Auch die alten Betonstützen und -träger verschwinden hinter Aluminiumverkleidungen, die im gleichen Grundton gehalten sind.

Den farblichen Kontrapunkt zur hellen Umgebung bildet die dunkle Möblierung, die ebenfalls von den Architekten entworfen ist. Der Verzicht auf typisches Schulmobiliar unterstützt den eleganten Charakter der neue Mensa. Alle Möbel sind aus massivem, geräuchertem Akazienholz gefertigt und damit unempfindlich für Kratzer und robust gegenüber der ständigen Beanspruchung. Die Hocker mit ihren trapezförmigen Sitzflächen sind stapelbar, sie können sowohl einzeln benutzt als auch zu Bänken zusammengestellt werden. Bei Bedarf lassen sie sich unter den Tischen verstauen, die selbst klappbar sind. Den thermischen Raumabschluss zum Pausenhof bildet eine grossformatige Verglasung, die gleichzeitig innen und aussen miteinander verbindet. Sie leitet in eine Freitreppe über, die den Niveauunterschied zwischen Halle und Hof ausgleicht und den SchülerInnen Raum bietet für zwangloses Zusammentreffen, auch dann, wenn sie nicht zum Essen kommen. Um den Brunnen im Pausenhof haben die Architekten die alten Bänke aus der Wandelhalle gruppiert. Mit diesen simplen Massnahmen ist es ihnen gelungen, den Hof nicht nur zu fassen, sondern ihm darüber hinaus Aufenthaltsqualitäten zu geben.

Guter Geschmack

Bereits bei dem Projekt «Choco Loco», einer Schokoladenconfiserie am Spalenberg in Basel, haben die Architekten das Thema Genuss in Architektur übersetzt. Die Materialität des Ausbaus, die Farbigkeit, vor allem aber die Form bilden dort gleich einer exquisiten Pralinenverpackung den Rahmen für die Präsentation der süssen Köstlichkeiten. Auch die Mensa des Kirschgartengymnasiums entwickelt ein ganz eigenes Gesicht: Ebenso schlicht und unaufdringlich, wie sich die Architektur präsentiert, ist auch das Speisekonzept der Betreiber. Die Mensa ist während der Schulzeit von 9 bis 14 Uhr geöffnet. Ein Koch sorgt nun eigens für die immer frische Verköstigung der Schüler, die zwischen 11 und 14 Uhr mittagessen können. Um die 120 bis 150 Essen werden täglich zubereitet, warme Gerichte ebenso wie Salate. In der restlichen Zeit sind Snacks und Sandwiches sowie Getränke erhältlich. Ausserdem dürfen die Schüler auch ihre von zu Hause mitgebrachte Verpflegung in der Mensa konsumieren, nicht jedoch Produkte aus anderen Läden. Die Betreiber, Gastronomie Parterre, führen in Basel bereits zwei Restaurants, die für ihre gute Küche bekannt sind. Sie haben auch für die Mensa des Kirschgartengymnasiums entsprechende Ambitionen und setzen auf eine gesunde, frische Küche.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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