Zeitschrift

TEC21 2008|33-34
Arenenberg
TEC21 2008|33-34
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Sorgfältige Bergung

Ein Jahrhundert lang war der Lustgarten der Hortense de Beauharnais, Königin von Holland und Mutter Napoleons III., vergessen. Im Wortsinn verschüttet, lag er unter einer dicken Decke Aushub begraben und wurde langsam von einem Wald überwachsen. Der Hinweis einer Expertin und die vereinten Anstrengungen aller Beteiligten haben dieses gartenhistorische Juwel wieder auferstehen lassen.

18. August 2008 - Hansjörg Gadient
Im Herbst des Jahres 2000 fragte das Thurgauer Hochbauamt die Landschaftsarchitektin und Leiterin der Zürcher Gartendenkmalpflege, Judith Rohrer-Amberg, um Rat für die Pflege der Wechselflorrabatten der Terrassen beim Schloss. Sie empfahl unter anderem, die direkt an den Schlossmauern liegenden Rabatten aufzuheben. So würde der Bau wieder in einer Kiesfläche stehen, was dem Zustand zu Hortenses Zeiten eher entsprach.

Bei ihren historischen Recherchen war die Spezialistin auf Pläne und Bilder gestossen, die sie auf die Bedeutung des ganzen Parks aufmerksam werden liessen. So schrieb sie: «Das eigentliche gartenhistorische Juwel – die Eremitage – lag nicht im hausnahen Bereich, sondern am steilen Nordhang bis zum Seeufer reichend. Der Plan aus 1860 dokumentiert noch in relativ umfangreicher Weise den ehemaligen Bestand, der heute nur noch fragmentarisch oder überhaupt nicht mehr vorhanden ist.» Und weiter: «Die wichtigste und kostbarste Voraussetzung ist jedoch gegeben: Der Park ist durch die Schenkung von 1906 in seinem gesamten Umfang erhalten und gesichert. Dies sollte für den Kanton Ansporn genug sein, diesen lange vernachlässigten Teil des Ensembles nun würdig zu pflegen und damit die Attraktivität des Napoleonmuseums noch massgebend zu steigern. […] Im Jahr 2006 jährt sich die Schenkung des Zrenenbergs zum hundertsten Mal. Dieses Jubiläum ist ein idealer Aufhänger für die Restaurierung des Schlossparkes!»[1] Mit diesem Bericht begann das aufwendige Unterfangen, den Lustgarten der Hortense auszugraben und aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Für das Jubiläumsjahr 2006 reichte es nicht ganz, aber im August 2008 wird eine Anlage eingeweiht, die, genau wie es die Expertin vorhergesagt hatte, zur Aufwertung des Napoleonmuseums führen wird und das Manko des stark beeinträchtigten nahen Umfeldes des Schlosses zu einem guten Teil wettmachen kann.

Grabungen und Funde: Parfumflakons und Eisenhaken

2002 wurde das Frauenfelder Büro Staufer & Hasler Architekten mit einer Studie zu den Bauten und Anlagen des Napoleonmuseums und des landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrums Arenenberg beauftragt. Ihre Befunde und der auf 1861 datierte Plan «Schlossgut Arennenberg» lieferten wichtige Hinweise für die Sondierungen. Zu diesem Zeitpunkt war der Garten der Hortense ein Mythos, von dem nichts zu sehen war. Einzig das gartendenkmalpflegerische Gutachten liess hoffen. Ob man aber unter dem Schuttkegel verlässliche Spuren finden würde und wenn ja, welche, war unklar. 2004 begannen die archäologischen Grabungsarbeiten im Bereich der Eremitage, nachdem einige Bäume und viel Unterholz entfernt worden waren. Mit 14 Sondierungsschnitten und weiteren Grabungen konnten die Archäologen entscheidende Hinweise für den unter dem Schuttkegel zu erwartenden Bestand und die Geschichte des Ortes erarbeiten.

Noch sichtbar waren zu diesem Zeitpunkt der Bogen der Eingangsgewandung zum Latrinenstollen und der Zugang zum Eiskeller. Von beiden Anlagen war aber nicht wirklich klar, wozu sie gedient hatten.[2] Die Funde zeigten nun, worum es sich handelte. Der Latrinenstollen führte zwanzig Meter tief in den Berg, wo er in einem Becken endete. Von oben führte eine Tonröhre von den Toiletten im Schloss zu diesem Becken, einer Fäkaliengrube. Darin fanden sich Toilettenartikel französischen Ursprungs aus dem späten 19. Jahrhundert, Zahnbürsten und zerbrochene Parfumflakons.

Eiskeller gehörten zu dieser Zeit zur üblichen Ausstattung eines Landhauses. Hier wurde das im Winter geschnittene Eis gelagert, das sich bis in den Spätsommer hielt. Abflussleitungen für Wasser, ein Eisenhaken über der Tür (als Aufhängung eines Flaschenzuges) und der Vergleich mit anderen Anlagen stellten sicher, dass es sich tatsächlich um einen ehemaligen Eiskeller handelt. Kaschiert wurde er als Grotte mit Tuffsteinbrocken. Dass Zugänge zu Eiskellern auch in anderen Anlagen als Tempelchen oder Grotten gestaltet wurden, ist belegt. In der Eiskammer fand sich eine originale Eisentür. Auf eine Abgrabung im Bereich der vermuteten Eremitage wurde verzichtet, weil hier die Schuttschicht noch sehr viel stärker war. Von der Grotte der Eugénie fanden sich in den Sondierungen keine Spuren.

Gussasphalt und Tuffstein

Der Fund des Springbrunnens war ein Glücksfall. Aufgrund der Position im historischen Plan wurde mit einem Schaufelbagger ein Graben angelegt, der unter einer vier Meter dicken Schicht aus Erdreich direkt auf die Reste des Brunnenbeckens stiess. Dabei fand man nicht nur das Becken mit einem Durchmesser von 7.6 Metern, sondern auch sein Zentrum mit Zuund Abfluss sowie einen Kontrollschacht. Die unterschiedlichen Schichten legten nahe, dass der Brunnen in einer ersten Phase wohl von Menschenhand mit einer lehmigen Erde abgedeckt wurde, auf der sich später der Humus eines Wald- oder Wiesenbodens gebildet hatte. Erst über dieser Schicht lag die etwa 3.5 Meter dicke Schuttschicht des Aushubs, der beim Bau der landwirtschaftlichen Winterschule von 1973/74 anfiel. Die Zu- und Ablaufrohre waren mit Holzstöpseln verschlossen, was auf eine sorgfältige Stilllegung schliessen lässt. Auch die Tatsache, dass der ganze Brunnenrand vor der Überdeckung völlig entfernt wurde, legt den Schluss nahe; erhalten war sein Fundament, das darauf hindeutete, dass der Rand etwa 30 bis 40 cm breit gewesen sein dürfte. Das Becken war sorgfältig aus Backsteinen gemauert und mit einer Lage aus Gussasphalt und Feinkies abgedichtet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren Asphalt oder Natur-Bitumen ein ungewöhnliches Dichtungsmittel. Belegt ist ihre Verwendung um 1839 zusammen mit Kies oder Sand als Abdeckung von Trottoirs. Kurz nach der Schenkung – so kann nur vermutet werden – wurde der Brunnen stillgelegt und abgedeckt.

Von der Eremitage war in dieser Phase noch nichts gefunden worden. Angesichts der Grabungszeit von nur einem Monat und der beschränkten Mittel musste die Suche vertagt werden, zumal der Schuttkegel des Aushubs hier noch dicker war als über dem Brunnen. Die noch erkennbaren Baumstrünke wurden erfasst und nach Holzarten bestimmt. Leider liess der Zustand des Holzes aber kaum sichere Schlüsse auf den Zeitpunkt der pflanzung zu. Vergleiche von Befunden mit Abbildungen aus der Zeit waren für die Neubepflanzung jedoch eine wichtige Hilfe.

Basierend auf diesen Befunden beauftragte das Hochbauamt des Kantons Thurgau die Architekten zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Martin Klauser noch im gleichen Jahr mit einer Projektskizze für die Wiederherstellung des Schlossparks. Darin bewerteten die Autoren den Park als bedeutendes Gartendenkmal und schlugen eine auf fünf Interventionsfelder verteilte schrittweise Wiederherstellung vor (s. Kasten «Die weiteren Schritte»). Der Lustgarten der Hortense sollte den Auftakt bilden.

Nachdem klar geworden war, welcher Schatz unter dem Schutt lag und welches Potenzial der Park aufwies, beschloss die Stiftung Napoleon III – 2001 mit dem Ziel gegründet, die Aktivitäten des Napoleonmuseums zu unterstützen –, sich in erster Linie der Wiederherstellung des Parkes zu widmen. Sie beauftragte das Büro Staufer & Hasler mit einem ersten Schritt. Nach der Entlassung eines Teiles des Aufwuchses aus der Festlegung als Wald konnten die Rodung und der Abtrag des riesigen Schuttkegels beauftragt werden. 2007 wurden 4500 m³ Erde und Bauschutt entfernt, um auf das ursprüngliche Terrain und zu den Resten der Bauten zu gelangen. Dabei kamen aber nicht nur die oben genannten Bauten zu Tage, sondern auch die als «Grotte der Eugénie» bezeichnete Tuffsteingrotte, allerdings in sehr schlechtem Zustand. Auch die in Tuffstein gestaltete Rückwand des eigentlichen Eremitage-Häuschens wurde gefunden. So wurde es mit Hilfe von Fotografien und Stichen möglich, alle relevanten Teile dieses Gartenteiles wiederherzustellen. Der Hang hinter der Grotte und der Eremitage allerdings sah kahler aus als erwartet, weil hier sehr viel nackter Fels anstand. Vom ehemals vorhandenen Weg zwischen Lustgarten und Kapelle war nichts mehr vorhanden. Der Rutschhang hatte alle Spuren verschüttet.

Hebung des Schatzes: Reparatur, Rekonstruktion, Neubau

Unter strengen Budgetvorgaben (siehe nebenstehenden Kasten) und mit einem engen Zeitplan sahen sich die Architekten und Landschaftsarchitekten vor die Aufgabe gestellt, diesen Teil des Gartens wiederherzustellen. Dabei waren von Reparaturarbeiten bis zu völlig neuen Anlageteilen alle Stufen von Wiederherstellung notwendig. An noch vorhandenen und weitgehend intakten Teilen wie dem Latrinenstollen wurden nur Sicherungs- und Reparaturarbeiten vorgenommen. Beim Eiskeller musste ausser der Sanierung des Gewölbes der Zugang neu gebaut werden; eine Fassung mit Stahlplatten in Analogie zur noch erhaltenen Eisentür macht den zeitgenössischen Eingriff sichtbar. Das Becken des Springbrunnes musste neu gebaut werden: Entsprechend der ursprünglichen Bautechnik wurde es neu gemauert und mit der historisch belegten Asphaltschicht abgedichtet. Auch die Speisung entspricht dem ursprünglichen Zustand, wird der Springstrahl doch von einer der vorhandenen Zisternen beim Schloss gespeist. Der fehlende Beckenrand schliesslich musste nach den historischen Abbildungen wiederhergestellt werden.

Das Eremitagehäuschen war durch die Rückwand lokalisiert und in seinen Schnittdimensionen nachweisbar. Zudem gab es eine alte Fotografie, die das Material und einzelne Details der Gestaltung erahnen liess. Nach diesem Befund entwarfen die Architekten die neue Eremitage und liessen sie als Holzständerbau in Thurgauer Eiche bauen und mit Zedernschindeln eindecken. Zu den traditionellen Zimmermannstechniken gesellte sich ein technologisches Element: die mit CNC-Frästechniken ornamentierten Paneele und Türen. Eingefräst ist ein leicht an keltische Ornamentik erinnerndes Muster, das die Flächen strukturiert und die Eremitage mit einem Hauch von Rätselhaftigkeit mystifiziert. Mit der Sanierung der Grotte wurde der Stuckateur und Gipser Stefan Meier betraut, der eine reiche Erfahrung mit der Wiederherstellung dieses in der Belle Epoque so beliebten Gartenelements hat. Für die Verkleidung beschaffte er Wasserkalke und Tuffsteinbrocken vor allem aus Slowenien. Die Grotte war ursprünglich mit Steinen aus der Hölloch-Grotte im Muothatal ausgekleidet gewesen, die heute nicht mehr zur Verfügung stehen. Angeleitet von dem einzigen erhaltenen Bild, arrangierte er die Steine in malerischen Vor- und Rücksprüngen, geschickt die Schönheiten der Volumen und Strukturen herausstellend. Dahinter speist ein System aus Wassertanks und -leitungen die Wand, die sich nach und nach bemoosen wird. Zusammen mit dem neu gepflanzten Besatz wird sich das mit einer melancholischen Färbung komponierte Bild des ausgehenden 19. Jahrhunderts wieder einstellen. Vollkommen neu musste der Steg zwischen dem Lustgarten und der Schlosskapelle formuliert werden. Hier fehlten jegliche Spuren. Nur der Plan von 1860 zeigte, dass hier einmal eine direkte Verbindung im steilen Gelände existierte.

Die Bepflanzung folgt den spärlichen Schilderungen von Zeitgenossen und den Befunden der Archäologie: Koelreuterien, Robinien und Pinien. Die im Plan verzeichneten Blumenbeete wurden mit Wechselflor bepflanzt. In die Rasenflächen sind einzelne kleinere Beete mit Stauden und Gehölzen integriert, so wie sie in der Aufnahme von Wucherer zu erkennen sind. Die Waldränder wurden mit Gehölzen und Stauden bepflanzt, sodass sich hier ein Waldsaum entwickeln wird. Den Blick Richtung See rahmen links die imposante Eiche, die noch aus der Zeit Hortenses stammt, und rechts die bis fast zu den Wipfeln astlosen Buchen, die bei den Rodungsarbeiten stehen gelassen wurden. Ihre seltsame Gestalt erinnert an Bäume auf den Darstellungen, die von Malmaison (siehe Artikel «Verschütteter Schatz» S. 30 ff.) erhalten sind.

Pittoreskes Palimpsest

Das verbindende Ziel aller Massnahmen war eine atmosphärisch stimmige Gesamtanlage, die es den Besuchern erlauben würde, sich in die Zeiten von Hortense und Eugénie zu versetzen. Das Ergebnis ist ein in der Gartendenkmalpflege häufiges Palimpsest verschiedener Zeitschichten am selben Ort. Neben den historischen Schichten steht der Beitrag unserer eigenen Zeit mit dem neuen Steg. Aber auch die Tatsache, dass diese Schichten wieder ans Licht geholt und in Wert gesetzt wurden, ist für unsere Zeit typisch. Das Ergebnis ist überraschend und überzeugend, nur die Neuheit des Ganzen stört noch. Es wird einige Zeit brauchen, bis das Holz der Eremitage vergraut sein, der Sandstein des Brunnenrands Flechten angesetzt haben und sich die Natur der Hangflanke bemächtigt haben wird. Für die Gesamtanlage des Arenenbergs ist der wieder auferstandene Lustgarten der Hortense eine grossartige Bereicherung. In der Projektskizze für die Wiederherstellung der Gesamtanlage war dieser Kraftakt jedoch erst das erste von fünf Interventionsfeldern. Der Stiftung Napoleon III und dem Kanton ist zu wünschen, dass sie sich vom Erfolg für die noch folgenden vier Felder inspirieren lassen und die Wirkung von Bau und Park als Gesamtkunstwerk durch weitere Rekonstruktionen und Korrekturen noch steigern. Das Beispiel Arenenberg wird Schule machen, weil es die herausragende Bedeutung eines historischen Gartens illustriert – selbst wenn er mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln wiederhergestellt wird.

Anmerkungen
[1] Judith Rohrer-Amberg: Schlosspark Arenenberg. Gartendenkmalpflegerische Hinweise. Kurzbericht im Auftrag des Hochbauamtes des Kantons Thurgau. November 2000
[2] Regula Gubler Cornelissen: Archäologische Untersuchungen in der Gartenanlage von Schloss Arenenberg. Gutachten des Amts für Archäologie des Kantons Thurgau. Frauenfeld 2004

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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