Zeitschrift

TEC21 2008|41
Monte Ceneri
TEC21 2008|41
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Il nodo di Camorino

Oft wird das Neat-projekt auf den Untertagebau, den Gotthard-Basistunnel, reduziert. Die im Tessin begonnenen Arbeiten sehen aber auch eine umfassende Reorganisation der Verkehrsinfrastruktur am Nordportal des Ceneri-Basistunnels vor. An der Erstellung des Verkehrsknotens (Nodo) bei Camorino wirken neben dem Tunnelbau verschiedene weitere Ingenieurdisziplinen mit.

Die Bahninfrastruktur, die die Verbindung zwischen dem Nordportal des Ceneri-Basistunnels und der bestehenden SBB-Linie Bellinzona – Locarno / Luino herstellt, bildet den Knoten Camorino (Bild 1). Dieser nach der Ortsgemeinde benannte Knoten ist in der Nähe der Autobahnkreuzung Bellinzona Süd angeordnet, sodass das Projekt auch als wichtiges Strassenbauprojekt definiert werden kann.

Der Knoten Camorino erstreckt sich auf 2.5 km in Ost-West-Richtung und auf 1 km in Nord- Süd-Richtung. Bild 2 zeigt die Anordnung der Gleise im Endausbau des Knotens mit der geplanten Fortsetzung Richtung Norden durch den Tunnel Bellinzona. Die Arbeiten, die 2006 begonnen haben (blau und rot in Bild 2), bilden den ersten Teil eines kreuzförmigen Bahnkomplexes mit der Ost-West-Achse auf der bestehenden SBB-Linie Bellinzona – Locarno / Luino und einer Nord-Süd-Achse, die durch den Ceneri-Basistunnel und die zukünftige Strecke nach Norden durch die Magadino-Ebene definiert wird (grün in Bild 2). Die Kreuzung und Verbindung der verschiedenen Bahnlinien bedingt auch eine Reorganisation des Strassennetzes, insbesondere mit der vierspurigen und ca. 400 m langen Unterführung der Kantonsstrasse Bellinzona – Locarno. Die hauptsächlichen am Knoten Camorino ausgeführten Kunstbauten sind:
– zwei eingleisige Viadukte mit einer Länge von ca. 1000 m bzw. 440 m
– eine viergleisige Brücke über die A2 mit einer Länge von ca. 100 m
– eine viergleisige Brücke über den Fluss Morobbia mit einer Länge von ca. 30 m
– ein ca. 100 m langes Bahntechnikgebäude
– zwei Portalbauwerke

Die räumlich-formale Entwicklung sämtlicher Bauwerke findet in enger Zusammenarbeit mit der «Beratungsgruppe für Gestaltung ATG» statt. Zwei der Brücken, wovon eine auf problematischem Baugrund erstellt werden muss, sind im Folgenden näher beschrieben.

Setzungsempfindliche Böden der Magadino-Ebene

Bei der Projektierung der Viadukte und der Brücke über die A2 ist der Setzungsproblematik besondere Beachtung zu schenken. Die See- und Flussablagerungen der Magadino-Ebene weisen eine Tiefe von 200 m auf. Zwischen dem Portal und der Kantonsstrasse wechseln sich, nach einer obersten 6 bis 8 m starken kiesreichen Schicht, feine Sande und (organische) Lehme ab, die äusserst schlechte geotechnische Werte aufweisen. In diesem Bereich wurden im Hinblick auf die zukünftige Neat-Fortsetzung nach Norden (Tunnel Bellinzona) Bahndämme mit einer Höhe von 2 bis 4 m, einer Länge von 600 m und einer Breite von 30 m geplant. Diese Dämme werden in ihrem Zentrum Setzungen von bis zu 80 cm verursachen, die sich beidseitig auf einige 100 m erstrecken werden. In den diesbezüglichen Detailberechnungen sind auch die Erfahrungen aus dem Bau der nahe gelegenen A2 berücksichtigt worden. Um diese Setzungen vorzeitig zu generieren, wird der Bahndamm ca. 3 Jahre vor den verschiedenen Kunstbauten und mit zusätzlichen 2 m Schichtstärke als Bodenvorbelastung ausgeführt. Mit diesen Vorbelastungsarbeiten werden die Effekte auf die Kunstbauten infolge der Restsetzungen aus den Dämmen minimiert, wie der Vergleich der Belastungsdiagramme für unverfestigten und für vorbelasteten Boden in Bild 3 zeigt.

Viadukt Lugano-Bellinzona

Der einspurige, ans Nordportal anschliessende Bahnviadukt Lugano–Bellinzona verbindet den Ceneri-Basistunnel mit der SBB-Linie zwischen Bellinzona und Locarno (Bild 4, siehe auch Bild 1). Die Höhenlage dieses Viaduktes ermöglicht, dass die Gleisverbindung Locarno – Lugano und die zukünftige Neat-Fortsetzung nach Norden auf der bestehenden Terrainhöhe bleiben. Der Viadukt erstreckt sich auf einer Länge von 1012 m mit einem minimalen Kurvenradius von 850 m. Die Gleise verlaufen auf einer Höhe von ca. 10 m über Terrain, was eine freie Höhe unter der Brücke von ca. 8 m belässt. Der Kastenträger aus vorgespanntem Stahlbeton hat eine Höhe von 3.0 m (3.3 m in einem Spezialsektor). Die Analyse der Interaktion zwischen Tragstruktur und Gleiskörper hat zur Unterteilung des Viadukts in – durch Dilatationsfugen getrennte – Sektoren von 130 m und 90 m Länge (ausnahmsweise von 152 m Länge), bei einer vorgegebenen Spannweite von 62 m, geführt (Bild 5). Der Viadukt wird deshalb mit mehreren, nebeneinander gestellten Zwei- und Dreifeldträgern gebaut. Dadurch werden übermässige Brückenverschiebungen und Beanspruchungen in den Geleisen vermieden, sodass auf Schienenauszugsvorrichtungen (weichenähnlichen Gleisbauteilen, die grössere Schienenlängsbewegungen zulassen), die in der Regel nur auf geradlinigen Strecken vorgesehen werden dürfen, verzichtet werden kann. Diese Vorrichtungen, die auch hohe Baukosten aufweisen, erschweren den optimalen Betrieb einer Bahnlinie, weil sie eine beschränkte Verlässlichkeit aufweisen und aufwendige Kontrollen und Unterhalt erfordern.

Angesichts ihrer wesentlichen Vorteile gegenüber klassischen vertikalen Stützen wurden V-förmige Stützen gewählt (Bild 8). Mit diesem System werden Horizontalkräfte (Bremsund Anfahrkräfte) vom Überbau aufgenommen, die Verschiebungen und Verdrehungen bei den Dilatationsfugen minimiert und die Beanspruchungen der Fundationen reduziert. Zudem erleichtert die Stützenform die Zugänglichkeit für die Anhebung des Bauwerks bei eventuellen Setzungen.

Viaduktfundationen

Die Fundationsverhältnisse sind, unter Berücksichtigung der sehr schlechten geotechnischen Kennwerte (ME von ca. 3000 kN / m2 für die organischen Lehme), für die Viadukte äusserst schwierig. Zudem sind die tieferen (feinkörnigen) Schichten tendenziell schlechter als die oberen (kiesreichen) Schichten. Mit diesen Randbedingungen hat die Einhaltung der hohen Betriebsanforderungen der Bahnlinie (insbesondere für die Stabilität des Gleisniveaus) Spezialstudien erfordert, in denen die Interaktionen zwischen den verschiedenen Dämmen und Kunstbauten vertieft untersucht wurden. Neben den Setzungen infolge der eigentlichen Brückenlasten mussten auch die Restsetzungen aus den breiten Dämmen berücksichtigt werden. Auch wenn die Dämme drei bis vier Jahre vor dem Viadukt gebaut wurden, bzw. auch wenn 85 % der Setzungen bei Baubeginn bereits erfolgt sind, werden noch Restsetzungen von 5 cm bis 8 cm erwartet. Deshalb ist ein Fundationssystem erforderlich, das nur noch minimale Restsetzungen mit sich bringt und das dadurch die Anzahl und Kosten der nachträglichen Viaduktanhebungen minimiert.

Als präventive Massnahme werden bei jeder Fundation Vorbelastungen angeordnet. Mit pyramidalen Vorbelastungen (Bild 6) mit einem Volumen von ca. 1800 m³ wird eine Bodenkonsolidierung bzw. eine Verbesserung der Verformungseigenschaften um einen Faktor 2 bis 4 erreicht (vergleiche Bild 3). Als zweite Massnahme sind bei jeder Fundation zehn bis zwölf Bohrpfähle mit einer Länge von 15 m bis 25 m vorgesehen (Bild 7). Mit diesem Konzept können die Setzungen aus den Viaduktlasten auf 5 cm bis 7 cm reduziert werden. Die Gesamtsetzungen aus den Dammlasten und aus den Viaduktlasten können später dank entsprechend konzipierten Lagerelementen mit einer Anhebung des ganzen Überbaus um bis zu 10 cm kompensiert werden.

Neue Eisenbahnbrücke über die A2

Diese Überführung befindet sich an der Ausfahrt des Bahnhofs Giubiasco, auf der Strecke Richtung Locarno / Luino, kurz vor der Abzweigung zum Ceneri-Basistunnel (siehe Bild 1). Die bestehende Brücke aus den 1960er-Jahren mit einer Länge von ca. 70 m wird angesichts ihres Zustandes und der neuen geometrischen Anforderungen ersetzt. Die neue Überführung ist als vorgespannte Stahlbetonbrücke ausgelegt und in zwei parallele, zweigleisige, je 10 m breite Brücken unterteilt (Bilder 9 und 11). Die Gesamtlänge beträgt 105 m mit einer zentralen Spannweite von 38 m und zwei Randfeldern von 33.5 m (Bild 10). Die Brückenlänge ermöglicht es, die Dilatationsfugen nur bei den Widerlagern anzuordnen, sodass auch bei diesem Bauwerk Schienenauszugsvorrichtungen vermieden werden. Um die Dammsetzungen zu reduzieren, wurden als Übergang zwischen der Brücke und den anschliessenden Dämmen Hohlkastenkonstruktionen vorgesehen. Diese Übergangsstrukturen, bestehend aus trapezförmigen Stahlbetonkasten mit einer Länge von 15 m bis 27 m im Osten bzw. 22 m bis 38 m im Westen, sind in den Dämmen integriert. Der Bauvorgang für die neue Brücke ist anspruchsvoll, da er direkt neben einer bestehenden Bahnlinie und über einer Autobahn, die nicht unterbrochen werden können, erfolgt. Die Autobahn weist in diesem Bereich 10 Spuren auf: vier Transit-, zwei Stand- und vier Ein- / Ausfahrtspuren (Bilder 10 und 11). Um die Verkehrsbehinderungen zu minimieren, werden die Brücken mit Hilfe einer hochgelegenen und eingeschobenen Gerüstkonstruktion südlich der bestehenden Brücke gebaut (Bild 12). Diese Stahlkonstruktion liegt auf höheren Auflagern, sodass die untere Überbauschalung montiert werden kann, ohne dass das Lichtraumprofil der Autobahn tangiert wird. Nach dem Bau des ersten Überbaus (Bild 13) wird dieser auf die Höhe der Bahngleise abgesenkt. Die Stahlkonstruktion wird zurückgezogen, bevor der neue Überbau bahntechnisch ausgerüstet wird. Die Bahnlinie kann somit in zwei Phasen von der bestehenden zur neuen Brücke verschoben werden. Anschliessend kann die alte Brücke abgebrochen werden (Bild 14). Die nächste Phase (Bild 15) sieht vor, die erste neue Brücke mit der bahntechnischen Ausrüstung in ihre definitive Lage nach Norden zu verschieben und schliesslich die zweite Brücke in einem analogen Bauvorgang auszuführen.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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