Zeitschrift

TEC21 2008|44
Augusta Raurica
TEC21 2008|44
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Theaterruine bespielen

Das römische Theater lag einst im Herzen der antiken Stadt Augusta Raurica. Die jüngste Sanierung dauerte von 1992 bis 2007. Dabei sollten der vertraute Ruinencharakter des Theaters bewahrt und die archäologischen Befunde langfristig konserviert werden. Um das Bauwerk fachgerecht zu sanieren, war die Wahl der Materialien und der Techniken zentral. Damit im Theater wieder Veranstaltungen stattfinden können, wurden die Sitzstufen im unteren und mittleren Rang partiell wiederhergestellt.

27. Oktober 2008
Das römische Theater von Augst gilt als kulturhistorisches Monument von nationaler Bedeutung. Mit den Verpflichtungskrediten zur Sicherung und Erhaltung dieses antiken Bauwerks kam der Kanton Basel-Landschaft Anforderungen zum Schutz von Kulturgütern nach, die Unesco und Icomos (International Council of monuments and sites) in einem internationalen Übereinkommen formulierten. Der Auftrag beinhaltete neben der baulichen Sicherung die Forderung nach einer verbesserten Nutzbarkeit des Theaters. Die im April 1992 begonnenen Sanierungsarbeiten konnten im Januar 2007 abgeschlossen werden. Das Hochbauamt des Kantons Basel-Landschaft hatte die Federführung des Projektes. Die Betriebsform der Bauhütte ermöglichte es, archäologische und bautechnische Probleme koordiniert zu bearbeiten. Das Team wurde in seinen Entscheidungen durch vierteljährliche Treffen mit Konsulenten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege unterstützt.

Materialien und Techniken

Bereits zu Beginn der jüngsten Sanierungskampagne waren infolge der mehr als 100 Jahre dauernden Restaurierungstätigkeit beachtliche Teile der sichtbaren Mauerschalen meist unter Verwendung alter Kalksteinquäderchen geflickt oder ersetzt. Im Hinblick auf die optische Einheitlichkeit der Mauerpartien wurde diese durch frühere Arbeiten gesetzte Prämisse akzeptiert und für die Arbeiten am antiken Mauerwerk vorwiegend Naturstein eingesetzt. Der erhaltene antike Mauerkern wurde durch eine moderne «Ummantelung» gegen Witterungs- und Umwelteinflüsse geschützt. Die Lagerflächen der in den sanierten Mauerschalen verbauten Handquäderchen aus Comblanchien-Kalkstein sind gesägt, wodurch die Bearbeitungsspuren langfristig als neuzeitlich erkennbar bleiben, während die gebrochenen Frontflächen sich ins Bild der antiken Mauerschalen einfügen.

In Anbetracht der spezifischen Schadensbilder wurde der Wahl der Bindemittel und der darin enthaltenen Alkalien spezielle Aufmerksamkeit geschenkt. Der einzusetzende Mörtel sollte «weicher» sein als die verwendeten Bausteine, zudem dampfdiffusionsoffen, salzarm, geschmeidig in der Verarbeitung, und er sollte sich farblich dem bestehenden Mauerwerk anpassen. Es wurde schliesslich sogenannter «verlängerter» Mörtel auf Kalkbasis verwendet, dem, um die Festigkeit zu erhöhen und die Abbindezeit zu verkürzen, geringe Mengen an Zement zugesetzt wurden. Zunächst wurde entsprechend dem damaligen Forschungsstand ein Trasszement mit niedrigem wasserlöslichem Alkaliengehalt verwendet, ab 2004 boten die sogenannten NA-Zemente, die aufgrund ihrer ausgesuchten Materialkomponenten einen sehr niedrigen wirksamen Alkaliengehalt aufweisen, eine bessere Alternative. Infolge von Frostsprengung oder durch Stauchdruck auf die Mauerschalen entstandene Klüfte wurden mit einem auf der Basis von natürlichem hydraulischem Kalk entwickelten Vergussmörtel gefüllt. Gegen eindringendes Oberflächenwasser wurde über dem antiken Mauerkern eine dampfdiffusionsoffene Isolationsschicht aufgetragen. Die darüber angebrachte, ruinenhaft erscheinende Übermauerung bildet eine moderne Verschleissschicht. An statisch kritischen Stellen verstärken Glasfaser- oder Titananker die Verbindung zwischen altem und neuem Mauerwerk. Die Köpfe der nur leicht vorgespannten Anker wurden nach der Dokumentation ihrer Lage übermauert. Die Sanierung der antiken Mauerschalen erwies sich als aufwendig und kostenintensiv. Die Entfernung des im Rahmen von früheren Restaurierungsmassnahmen grossflächig zur Verfugung applizierten Portlandzementmörtels war in den meisten Fällen zeitraubend. Je nach Erhaltungszustand mussten danach die durch den Frost in kleinste Stücke gesprengten Handquader zusammengeklebt werden. Die arbeitsintensive Feinsanierung an den einzelnen Schalenquäderchen wurde nicht primär aus Gründen der Optik vorgenommen, es ging vielmehr darum, durch eine möglichst geschlossene, aber dennoch diffusionsfähige Mauerfront weiteren Frost- und Vegetationsschäden vorzubeugen.

Architekturwettbewerb

Dank dem Konzept, den untersten Sitzstufenbereich aufzufüllen, wird die jüngste Bauphase des Theaters in ihrer ursprünglichen Form deutlicher lesbar. Die Rekonstruktion des Sitzstufenbereiches an der Oberfläche dieser Auffüllung bildete das Hauptthema eines 1997 unter drei Büros durchgeführten Architekturwettbewerbes, den das Büro ArchiCo, Basel, gewann. Der definitive Entscheid zur Ausgestaltung des prominent erscheinenden, reversiblen Sitzstufeneinbaus und die Festlegung der technischen und ästhetischen Details erfolgten in Abstimmung mit den Konsulenten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Die moderne Konstruktion aus Drahtschotterkörben nähert sich in Massen und Farbe den antiken Sitzstufenquadern aus Sandstein an und bietet eine gute Grundlage für die moderne Nutzung. Die Zahl der verfügbaren Sitzplätze wurde durch eine nur teilweise Rekonstruktion des zweiten Rangs auf maximal 2000 begrenzt, womit Rücksicht auf die Anwohner genommen wurde. Die Drahtseilabsperrung als Absturzsicherung innerhalb des Sitzstufenbereiches orientiert sich an der Gestaltung der Drahtschotterkörbe, wobei im Mauerbereich eine «Geländerfunktion» oft durch ein einfaches Hochziehen von Mauerschalen erreicht werden konnte.

Die Besucher werden seit einer Umgestaltung des nordwestlichen Theatervorfeldes entlang der antiken Zugangsachsen über eine Stahlbrücke in den nördlichen Hauptzugang geführt.

Konzessionen an die Nutzung

Die Farben der verschiedenen Bodenbeläge im römischen Theater sind archäologisch indiziert. Stellvertretend für die im ehemaligen Aussenbereich verlegten Sandsteinplatten wurde eine mit einer Kunstharzdispersion verfestigte rote Splittschicht auf eine Trägerschicht aus Magerbeton aufgebracht, die Mörtelböden im ehemaligen Innenbereich wurden durch beige eingefärbten Magerbeton imitiert. Die Dimension des Bühnenbodens wurde im Hinblick auf eine zukünftige Nutzung festgelegt, da von archäologischer Seite keine Angaben zur Grösse der antiken Bühne vorliegen. Die eingebaute Konstruktion aus Eichenbrettern hebt sich bewusst von den übrigen in Stein ausgeführten Bereichen ab. Um das Theater in das umgebende Gelände einzubetten, wurden die Wege mit Schotterrasenbelägen versehen. Durch den Einbau von streifenartigen Betonrampen in der Mitte einiger Wege wurden behindertengerechte Zugänge zum oberen Umgang, zur Orchestra und zur Kioskplattform geschaffen.

[Ines Horisberger-Matter, eidg. dipl. Ausgrabungstechnikerin, 2002–2007 technische Leitung der Theatersanierung]

Literatur:
Jahresberichte aus Augst und Kaiseraugst 12 ff ., 1991 ff.
Grabungsdokumentation 1992–2007 der Theatersanierung (Archiv Ausgrabungen Augst / Kaiseraugst)
Augusta Raurica, Sanierung szenisches Theater Augst. Broschüre, herausgegeben anlässlich der Übergabe am 9. Mai 2007 (Liestal 2007)

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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