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TEC21 2008|48
Etablierte Richtwerte?
TEC21 2008|48
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Dauerhafter Stahlbeton

Dauerhaftigkeit ist, neben Gebrauchstauglichkeit und Tragsicherheit, eine der zentralen Anforderungen an neue und instand gesetzte Betonbauwerke. Durch konsequente Anwendung des aktuellen Wissensstandes können heute dauerhafte Stahlbetonbauten realisiert werden. Dauerhafte Bauwerke lassen sich aber auch mit einem neuen Konzept, der Mischbauweise mit gezieltem Einsatz von Hochleistungsfaserbeton, auf wirtschaftliche Weise herstellen.

26. November 2008 - Eugen Brühwiler
«Bauwerke sind dauerhaft, wenn sie die Anforderungen an Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit im Rahmen der vorgesehenen Nutzung und der vorhersehbaren Einwirkungen, ohne unvorhergesehenen Aufwand für Instandhaltung und Instandsetzung, erfüllen.» Diese Definition in der Norm SIA 260 (2003) fordert, dass ein dauerhaftes Bauwerk während der geplanten Nutzungsdauer keine die Tragsicherheit oder die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigende Schädigung erfährt. Dauerhaftigkeit ist eine Bauwerkseigenschaft während einer gewissen Zeitspanne und wird somit durch Zeiteinheiten beschrieben.

Die Erhaltung der Substanz bestehender Bauwerke bindet bereits heute grosse finanzielle Mittel. Dauerhafte Bauwerke sind deshalb volkswirtschaftlich interessant und im Sinne der Nachhaltigkeit unumgänglich. Ungenügende Dauerhaftigkeit von Betonbauten (Bild 1 zeigt ein eindrückliches Beispiel) kann heute nicht mehr auf mangelndes Sachwissen zurückgeführt werden. Mit dem aktuell verfügbaren Fachwissen lässt sich Dauerhaftigkeit ohne weiteres erreichen, falls die am Bau Beteiligten diszipliniert und professionell zusammenarbeiten (bezüglich der Qualität und des guten Umgangs am Bau siehe TEC21 46 / 2008). Im Folgenden werden einige aktuelle «Konzepte und Rezepte» zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit von Betonbauten erläutert. Dabei werden die relevanten Angaben in den heute gültigen Normen ergänzt und erweitert.[1]

Konzepte für dauerhafte Bauwerke aus Stahlbeton

Die meisten Schädigungsprozesse an Bauwerken, die die Dauerhaftigkeit gefährden, werden durch direkten Wasserkontakt und Feuchtigkeiten grösser als 90 % stark begünstigt. Demzufolge haben die Massnahmen zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit mehrheitlich zum Ziel, potenziell schädliche Nutzungsbedingungen zu vermeiden. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen ist in allen Phasen im Lebenszyklus eines Bauwerks (Projektierung, Ausführung und Erhaltung) auf Grund des folgenden Kriteriums nachzuweisen:

Anforderungen ≤ Leistungsvermögen Geplante Nutzungsdauer ≤ Dauerhaftigkeit

Dieser Nachweis erfolgt qualitativ, denn die erforderliche Dauerhaftigkeit soll nicht berechnet, sondern durch vernünftig gewählte zeitliche Reserven (analog einem «Vorhaltemass») hergestellt werden. Dazu können grundsätzlich zwei Strategien befolgt werden (Bild 2): – Strategie A: Die Tragwerksteile werden so bemessen und konstruiert, dass sie während der Nutzungsdauer keine Instandsetzung (Reparatur) benötigen. Diese Strategie ist in der Regel für das Tragwerk sowie feste Komponenten von Ausrüstungsteilen zweckmässig. – Strategie B: Während der Nutzungsdauer werden in regelmässigen Intervallen geplante Instandhaltungsarbeiten (Unterhalt) ausgeführt, etwa für Verschleissteile von Ausrüstungsteilen, Oberflächenschutzsysteme oder Bestandteile, die einer Abnutzung ausgesetzt sind. Die im Folgenden beschriebenen Massnahmen zur Gewährleistung der Dauerhaftigkeit von Betonbauten bezwecken im Wesentlichen: – einen möglichst dichten oberflächennahen Beton herzustellen, – einen genügenden Korrosionsschutz des Bewehrungsstahls zu gewährleisten, – einen Oberflächenschutz zu applizieren.

Dichter oberflächennaher Beton

Je dichter der oberflächennahe Beton ist, umso grösser ist sein Widerstand gegenüber dem Eintrag von Wasser, Chloriden und anderen Stoffen. Diese Betoneigenschaft soll jedoch nicht nur gefordert, sondern auch bei der Qualitätssicherung nachgewiesen werden. Dies wurde als weltweites Novum in der Norm SIA 262 (2003), Ziffer 6.4.2, verankert. Die Dichtigkeit des oberflächennahen Betons kann gemäss vier Permeabilitätsklassen PK1 bis PK4 (Bild 3) beschrieben werden, entsprechend dem Koeffizienten der Luftpermeabilität kT nach der Torrent-Messmethode2 gemäss Norm SIA 262/1 Anhang E (2003) und dem elektrischen Widerstand ρ des Betons.

Die geforderte Permeabilitätsklasse wird in Abhängigkeit der Expositionsklasse gemäss SIA 262 (2003) Tabelle 1 festgelegt. In jedem Fall ist heute wenigstens die Permeabilitätsklasse PK3 zu fordern, was bei einer fachgerechten Ausführung mit herkömmlichem Beton ohne weiteres erreichbar ist. Bei starker Exposition ist PK2 zu fordern. Die Klasse PK1 kann auch mit verbessertem, herkömmlichem Beton nicht erreicht werden. Falls die erreichte Dichtigkeit des oberflächennahen Betons den Anforderungen nicht genügt, kann der erforderliche Widerstand gegen den Eintrag von Wasser und von chemischen Substanzen beispielsweise mit einem Oberflächenschutz erreicht werden. Die Dichtigkeit des oberflächennahen Betons sollte zusammen mit der Bewehrungsüberdeckung nicht nur bei der Bauausführung im Rahmen der Qualitätssicherung gemessen werden, sondern als wichtigste Kenngrössen der Dauerhaftigkeit auch bei der Zustandsüberprüfung von bestehenden Betonbauten systematisch erfasst werden.

Korrosionsschutz der Bewehrung

Als Schutz vor Bewehrungskorrosion werden in den heutigen Normen einzig Werte für die Stärke der Bewehrungsüberdeckung in Abhängigkeit der Exposition angegeben.[6] Ein genügender Korrosionsschutz der Bewehrung kann jedoch auf verschiedene Weise hergestellt werden. Bild 4 zeigt schematisch eine stark exponierte, chloridhaltigem Spritzwasser ausgesetzte Wand und mögliche Korrosionsschutzmassnahmen für die Bewehrung: – Seit einigen Jahren werden vereinzelt hochlegierte, «nichtrostende» Betonstähle (Stahl 1.4571, 1.4462, 1.4301) oder weniger hochlegierter Betonstahl (Stahl 1.4003) mit erhöhtem Korrosionswiderstand als direkt wirkende Massnahme für Bauteile eingesetzt, die starken Umwelteinflüssen ausgesetzt sind.

– Indirekt wirkende Massnahmen betreffen den Überdeckungsbeton als Korrosionsschutzschicht für den Betonstahl, insbesondere seine Permeabilität und Schichtstärke, sowie verschiedene Oberflächenschutzmassnahmen. In Verbindung mit herkömmlichem Betonstahl genügen sie in der Regel nur bei mittlerer und schwacher Exposition. Bild 7 zeigt die erforderliche Betonüberdeckung zur Gewährleistung eines über 100 Jahre genügenden Korrosionswiderstands für chloridbeanspruchte Bauteile in Abhängigkeit der Stahlsorte, der Expositionsklasse sowie der Permeabilitätsklasse des oberflächennahen Betons. Die Werte stammen aus Simulationsrechnungen, die zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit der Initiierung von Bewehrungskorrosion durchgeführt wurden.[1, 3]

Funktion des Oberflächenschutzes

Bei stark aggressiven Einwirkungen ist neben der Dichtigkeit des oberflächennahen Betons und einer ausreichenden Bewehrungsüberdeckung oft noch ein zusätzlicher Schutz erforderlich. Dies vor allem auch, weil bei der Bauausführung mit Fehlern zu rechnen ist. Die Applikation eines Schutzsystems auf der Betonoberfläche kann dabei eine wirkungsvolle Massnahme sein. Oberflächenschutzsysteme sollen den Feuchtigkeitszutritt begrenzen, um Bewehrungskorrosion und andere Schädigungen wegen zu hoher Betonfeuchtigkeit zu vermeiden. Junger Beton weist ein zusätzlich erhöhtes Wasseraufnahmevermögen auf und ist folglich vor allem durch Frostschäden verletzbar. Eine Hydrophobierung des jungen Betons ist eine sinnvolle Schutzmassnahme, denn sie verhindert die Wassersättigung des oberflächen-nahen Betons. Exponierte Betonoberflächen sollten deshalb heute systematisch hydrophobiert werden. Dabei ist eine Tiefenhydrophobierung zu fordern und anhand von Aufsaugversuchen auch nachzuweisen[4] (Bild 5).

Neuartige Mischbauweise mit hochleistungsfähigem Faserbeton

Ist es sinnvoll, alle Querschnitte von Stahlbetonbauten aus demselben Beton herzustellen? Aus der Überlegung, welche Bereiche wie beansprucht sind, folgt, dass die Verwendung nur einer Betonqualität nicht effizient sein kann. Turbinenschaufeln und andere technische Bauteile bestehen häufig auch aus unterschiedlichen Materialqualitäten. Die Mischbauweise, bei der «höherwertige» Baustoffe in stark beanspruchten Bereichen eingesetzt werden, ist ein neuartiges Konzept im Betonbau. Dabei werden die als Schwachpunkte bekannten Bereiche eines Bauwerks mit Hilfe von verbesserten Baustoffen verstärkt. Ultrahochleistungsfähiger Faserbeton (UHFB) ist ein verbesserter, nicht herkömmlicher Baustoff. Er zeichnet sich durch eine hohe Dichtigkeit (PK1), hohe Festigkeiten und Rissefreiheit bis zu Verformungen von 1.5 – 2.5 ‰ aus. Damit können tragende und gleichzeitig wasserdichte Membranen von 30 mm bis 60 mm Stärke auf diejenigen Bereiche aus herkömmlichem Stahlbeton aufgebracht werden, die durch Umwelteinflüsse oder hohe Kräfte stark beansprucht werden. Mit dem hochwertigen Baustoff können so die Schwachpunkte der Betonbauweise eliminiert und das Bauwerk insgesamt aufgewertet werden. Die Konzeptidee, die sich auf eine über achtjährige Forschung abstützt, wurde bereits mehrmals bei der Instandsetzung von Betonbauten unter Baustellenbedingungen umgesetzt.[5] Das Potenzial dieses Konzepts besteht darin, den Bauvorgang zu vereinfachen, die Bauzeit zu verkürzen und insbesondere die Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit der Bauwerke deutlich zu verbessern. Dies ist vor allem bei Erhaltungsmassnahmen interessant, denn dadurch können die Bauzeit und damit die Benutzerkosten wesentlich reduziert werden. Obwohl der Materialpreis für UHFB sehr hoch ist, müssen bei dessen Anwendung die Baukosten deshalb nicht höher sein als bei den heute üblichen Methoden. Überlegungen zu Systemen und Bauweisen sind Erfolg versprechender als das traditionelle, auf den reinen «m3-Materialpreis» reduzierte Denken.

Entwurf einer Brücke in Mischbauweise

Ein Beispiel für die beschriebene Mischbauweise ist das Neubauprojekt für eine Autobahnüberführung in Deutschland.[6] Die 46 m lange, 2-feldrige Strassenüberführung wurde nachdem Prinzip entworfen, UHFB einzig in den stark exponierten Tragwerksbereichen einzusetzen (Bild 8), d. h. für die Oberfläche der Fahrbahnplatte, für die Brückenkappen sowie für den Bereich des mittleren Auflagers. Alle anderen Teile des Brückentragwerks verbleiben in herkömmlichem Stahlbeton, denn sie weisen nur eine mittlere Exposition auf. Das Bauprogramm für den Überbau sieht eine Bauzeit von nur 30 Tagen vor. Zuerst werden die vorfabrizierten, vorgespannten Hauptträger montiert. Der Raum zwischen den Trägern über dem Mittelauflager wird mit UHFB aufgefüllt, wobei gleichzeitig ein UHFB-Gelenk hergestellt wird (Bild 9). Danach werden die Längsfugen zwischen den vorfabrizierten Trägern mit demselben Baustoff ausgegossen, und eine 3 cm dicke UHFB-Schicht wird als Abdichtung auf der gesamten Fahrbahnplatte aufgebracht. Die Brückenkappenelemente werden in UHFB vorfabriziert und auf der Fahrbahnplatte mit einem Epoxidkleber befestigt. Abschliessend wird der Strassenbelag eingebracht. In diesem Beispiel wird UHFB in unterschiedlichen Zusammensetzungen als Ortbeton und in der Vorfabrikation eingesetzt.

Anmerkungen
[1] Brühwiler, E., Denarié, E., Wälchli, T., Maître, M., Conciatori, D.: Dauerhafte Kunstbauten bei geringem Unterhalt – Ausgewählte Kapitel. VSS-Bericht Nr. 587, VSS Zürich, 2005 (mit «Empfehlungen für dauerhafte Kunstbauten bei geringem Unterhalt» [nicht veröffentlicht])
[2] Torrent, R., Frenzer, G.: Studie über Messmethoden zur Messung und Beurteilung der Kennwerte des Überdeckungsbetons auf der Baustelle. VSS-Bericht Nr. 516, VSS Zürich, 1995
[3] Conciatori D.: Effet du microclimat sur l’initiation de la corrosion des aciers d’armature dans les ouvrages en béton armé. Thèse no 3408, Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne, Suisse, 2005
[4] Meier, S.J., Wittmann, F.H.: Hydrophobieren von Betonoberflächen – Empfehlungen für Planung und Applikation. VSS-Bericht Nr. 591, VSS Zürich, 2005
[5] Brühwiler, E., Denarié, E., Oesterlee, C.: Hochleistungsfähiger Faserfeinkornbeton zur Effizienzsteigerung bei der Erhaltung von Kunstbauten aus Stahlbeton. VSS-Bericht, Forschungsauftrag AGB 2005/004, VSS Zürich, (zur Publikation vorgesehen)
[6] Brühwiler, E., Fehling, E., Bunje, K., Pelke, E.: Design of an Innovative Composite Road Bridge Combining Reinforced Concrete with Ultra-High Performance Fibre Reinforced Concrete. Proceedings, IABSE Symposium «Improving Infrastructure Worldwide». Weimar, 19.–21. September 2007

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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