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TEC21 2008|49-50
Partizipative Planung
TEC21 2008|49-50
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zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Partizipation zwischen Dialog und Kalkül

1992 unterzeichneten 179 Nationen die Agenda 21 und anerkannten damit Partizipation als wichtigen Faktor für eine nachhaltige Entwicklung. Demnach können wirklich nachhaltige Massnahmen nur unter Beteiligung aller Betroffenen entwickelt werden. Seither werden auch in der Schweiz in der Raumund Ortsplanung und im Städtebau vermehrt Mitwirkungsprozesse organisiert. Doch wie weit werden die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich eingebunden? Die off ene Kommunikationskultur, die für eine partizipative Planung nötig ist, entwickelt sich nur langsam.

15. Januar 2009
Partizipation in der Planung kann als aktives Einbinden von Individuen und Organisationen in den Prozess der Willensbildung und Entscheidungsfi ndung verstanden werden. Speziell in der schweizerischen Referendumsdemokratie gehen Planungsvorhaben immer mit schwierigen Verhandlungen und Entscheidungsprozessen einher. Vorlagen für Zonenänderungen, Bebauungspläne oder Verkehrsinfrastrukturvorhaben sind Aufgabe der Planungsämter und werden in Form von Kredit- oder Gesetzesvorlagen dem Parlament unterbreitet. Den Parlamentariern und Parlamentarierinnen bleibt – etwas verkürzt ausgedrückt –, mit einem Ja oder Nein zu reagieren. Es liegt deshalb auf der Hand, dass erfolgreich planende Behörden kaum mehr im Stillen operieren und so ein Nein durch das Parlament riskieren. Vielmehr ist jedes Erarbeiten von Planungsvorlagen ein differenziertes politisches Kalkül, das die unterschiedlichen Interessen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf eine mehrheitsfähige Vorlage hin strukturiert.

Vier Formen von Partizipation

In der heutigen Planungspraxis lassen sich vier Stufen der Partizipation unterscheiden: Information, Mitwirkung, Mitbestimmung und Selbstbestimmung. Selbstbestimmung bleibt auf die «vier Wände» des privaten Landeigentums beschränkt. Mitbestimmung ist im politischen System der Schweiz vor allem mit dem fakultativen oder dem obligatorischen Referendum möglich, also in der Form des Vetos. Mitwirkung und Information schliesslich werden inzwischen schon breit praktiziert. Die Planungsträger haben erkannt, dass sie mit Information nicht nur einem Bedürfnis der Betroffenen nachkommen, sondern auch politische Risiken vermindern. Werden die Betroffenen mit Planungsresultaten nicht einfach konfrontiert, sondern sorgfältig darüber informiert, können Missverständnisse und Ängste aus dem Weg geräumt und so das politische Risiko erheblich reduziert werden. Mitwirkungsprozesse gehen darüber hinaus. Sie haben den grossen Vorteil, dass die Meinungen, Vorstellungen und Wünsche in einem Dialog zwischen Betroffenen und Planenden schon in einer frühen Phase in ein Vorhaben eingebunden werden können. Entsprechend existiert eine ganze Palette von Instrumenten, die im Rahmen solcher Dialogprozesse angewandt werden. Dazu gehören etwa der runde Tisch, Echoräume, Begleitgruppen oder Workshop-Verfahren.

Erfolgreiche Kommunikation

Allen diesen Formen von Mitwirkung ist gemeinsam, dass sie von einer erfolgreichen Kommunikation zwischen zahlreichen Beteiligten abhängig sind, die unterschiedliche berufl iche und kulturelle Hintergründe haben und verschiedene Sprachen oder Fachsprachen sprechen. So schön sich das Zauberwort Dialog bei Politikern und politisch agierenden Planern anhört, so zentral ist die Frage, ob es sich bei dem, was in solchen Mitwirkungsverfahren angestrebt und tatsächlich exerziert wird, wirklich um einen offenen Dialog zwischen den Planungsträgern und der Bevölkerung handelt. Denn aus der Sicht von Politik, Behörde und Wirtschaft sind Mitwirkungsprozesse anstrengend, kompliziert und kostspielig. Sie werden häufig als einschränkend empfunden, weil «der grosse Wurf» oder eine rasche «Lösung» nur mehr schwer möglich sind. Wirkliche Innovation traut man solchen Prozessen nicht zu, oder man erachtet den Aufwand dafür als zu hoch. Darum verdient längst nicht alles, was Kommunikation genannt wird, diese Bezeichnung wirklich. Mancher runde Tisch entpuppt sich bei genauer Nachfrage als Informationsveranstaltung.

Wer darf mitwirken?

Werden Mitwirkungsprozesse vorbereitet, steht am Anfang immer die Frage: Wer soll zu welchem Zeitpunkt mit welchen Kompetenzen mitwirken? An diesem kritischen Punkt wird die Grundsatzentscheidung darüber gefällt, ob die Mitwirkung ernsthaft auf eine nachhaltige Entwicklung des Raums orientiert sein soll – und möglicherweise unerwartete Resultate und Lösungsansätze zeitigen darf – oder ob sie nur instrumentalisiert wird, um einen gewünschten politischen Entscheid sicherer zu erreichen. Prozesse der zweiten Art kommen leider noch allzu häufi g vor. Sie schöpfen das Potenzial der Mitwirkung nicht aus und riskieren gar, politisches Vertrauen zu verspielen. Wenn sich beteiligte Interessengruppen instrumentalisiert vorkommen, droht solche nur ungenügend partizipative Planungskultur die Politik- und Planungsverdrossenheit eher noch zu fördern als abzubauen und kann sich gar als politischer Bumerang für eine Planung herausstellen. Nachfolgend soll anhand von Beispielen auf gezeigt werden, wo typische Verzerrungen der Kommunikation bei Mitwirkungsprozessen stattfi nden können.

Visualisierung

Ohne Visualisierungen geht heute gar nichts mehr. Längst hat die Welt der computergenerierten realistischen Darstellungen den Plan ersetzt. Mit Hilfe von farbigen Renderings, dynamischen Panoramen und animierten Flügen durch den Raum soll den Betroffenen auf einfache Art und Weise ein Vorhaben verständlich gemacht werden. Immer aufwendigere und realistischere Visualisierungen begleiten heute Planungsprozesse – und suggerieren leider häufi g ein völlig falsches Bild der künftigen Realität. Als Beispiel sei ein simpler Trick erwähnt, den inzwischen schon die Studierenden kennen: Wirkt ein Stadtplatz zu klein, hilft eine Darstellung im Weitwinkelmodus. Im Teleobjektivmodus lässt sich umgekehrt mehr Dichte suggerieren. Damit Visualisierungen als Hilfsmittel für Mitwirkungsprozesse mit Laien anerkannt werden können, brauchte es im Prinzip Regeln, die das Verzerren von Darstellungen begrenzen.

Auswahl der Mitwirkenden

Dass niemals die gesamte Bevölkerung mitwirken kann, ist klar. Jedem Mitwirkungsprozess geht deshalb die Entscheidung voraus, wer sich wann beteiligen darf. Nach welche Kriterien wird diese Auswahl getroffen? Hier wird häufig der politische Aspekt den sachlichen Kriterien vorangestellt. So setzen sich in der Regel – immerhin – Gruppen durch, die auf politischer Ebene eine Gefahr für ein Vorhaben darstellen könnten. Dagegen haben es nichtorganisierte Interessen äusserst schwer, in partizipativen Verfahren berücksichtigt zu werden, und bleiben auf der Strecke, sofern ihre Anliegen nicht wenigstens anwaltschaftlich vertreten werden. Für die Organisatoren von wirklich breit abgestützten Mitwirkungsprozessen ist der Einbezug von nichtorganisierten Interessen, Erfahrungen und Know-how eine schwierige Aufgabe, für die oft zu wenig Ressourcen bereitgestellt werden.

Gegenstand der Mitwirkung Von zentraler Bedeutung ist die Abgrenzung des Bereichs, in dem die Betroffenen mitwirken dürfen. Hier setzt die Politik in aller Regel der Planung eine klare Grenze: Mitwirkung da, wo es nicht wirklich weh tut. Strategische Entscheidungen werden leider oft noch immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen, und die wichtigen Entwicklungslinien werden schon vor der Mitwirkungsphase vorgespurt. Typische inhaltliche Ausrichtungen von Mitwirkungsprozessen betreffen dann etwa noch die Ausstattung des öffentlichen Raums mit Mobiliar für Spiel, Sport und Erholung, nicht aber strategische Grundentscheide wie die Verkehrsführung, die bauliche Dichte oder die Nutzungsverteilung in einem Quartier.

Informationsmanagement

Welche Informationen zu welchem Zeitpunkt an welchen Kreis von Betroffenen gehen dürfen, ist die kritische Frage für die Steuerung sämtlicher Mitwirkungsprozesse. Eine ungeschickte Informationspolitik kann zur Polarisierung der Positionen führen und einen Prozess blockieren. Oft leiden partizipative Planungsverfahren daran, dass beim Verteilen der nötigen Informationen eher auf die (wahlstrategischen) Interessen der verantwortlichen Politiker Rücksicht genommen wird als auf die Bedürfnisse des laufenden Planungsprozesses. Im Kontext von Wahlen sind Politikerinnen und Politiker geneigt, sich mit Informationen zurückzuhalten, um politischen Gegnern möglichst wenig Futter zu liefern. Dabei werden auch Informationen zurückgestellt, die der Vertrauensbildung und einem offenen Dialog zwischen Planenden und Betroffenen dienen würden.

Einsicht gefragt!

Diese kurz angeschnittenen Punkte zeigen auf, dass Partizipation nicht a priori Nachhaltigkeit generiert. Partizipation ist sowohl durch das politische Streben nach einfacher Mehrheitsbildung als auch durch den Glauben an eine bedürfnisgerechtere und nachhaltigere Planung geprägt. In diesem Spannungsverhältnis bewegen sich Planungsprozesse mit Mitwirkungsverfahren. Sollen sie wirklich partizipativ sein, bedarf es einiger entsprechender Regelungen betreffend der verwendeten Techniken und der Informationspolitik. Vor allem aber braucht es die Einsicht, dass die Ergebnisse mit Einbindung der Betroffenen weit besser sein können als ohne. Wird Mitwirkung dagegen nur von kurzfristigem, politischem Kalkül gelenkt, wird es schwierig sein, nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.

[Philippe Cabane, freischaffender Soziologe und Urbanist, Vorstandsmitglied Stadtteilsekretariat Kleinbasel]

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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