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Stallbauten
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zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Wettbewerb anregen

7. Januar 2009
Das Gebäudekonzept eines Stalles beeinflusst die Produktionskosten von Milch. Um einen Betrieb wirtschaft lich auszulegen, muss das Konzept die Arbeitskosten senken. Die landwirtschaftlichen Beratungs- und Bildungszentren Arenenberg (TG), Liebegg (AG) und Grangeneuve (FR) wollen Bauherrschaft en und Planerteams dafür sensibilisieren und haben dieses Jahr einen Preis für Milchviehstallbauten mit Modellcharakter ausgeschrieben. Mit der Aufhebung der Milchkontingentierung auf Januar 2009 möchten viele Bauern die Milchproduktion in ihren Betrieben weiterentwickeln – sie sind meist dazu gezwungen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Eine einfache Rechnung belegt, wie wichtig ein gut funktionierendes Gebäudekonzept für diese «Nachrüstung» und Umorientierung ist: Eine Auswertung der Vollkostenrechnung für Milch im Jahr 2008 zeigt, dass die mittleren Produktionskosten pro Kilogramm Milch aktuell bei rund einem Franken liegen – dies bei einer Produktionsmenge von 219 000 kg[1] und einem Arbeitsstundenansatz von 27 Franken. Gebäude- und Arbeitskosten machen dabei 40 Rappen pro Kilogramm Milch aus, also 40 Prozent der Produktionskosten (Bild 2). Beeinflusst werden die beiden Kostenblöcke durch das Gebäudekonzept. Konzepte, die die Arbeitsproduktivität steigern, sind somit für eine Senkung der Produktionskosten entscheidend und sollen möglichst früh in der Planung berücksichtigt werden, umso mehr, als sie nicht zwingend höhere Gebäudekosten verursachen.

Unstrukturiertes Wachsen verhindern

Die Bauherrschaft beteiligt sich traditionell sehr stark bei der Erarbeitung des Gebäudekonzepts für einen neuen Milchviehstall. Nicht selten werden dabei aber gute Vorschläge desPlanerteams durch eine wenig weitsichtige Optik der Bauherrschaft überstimmt. Kurzfristige Erweiterungen führen oft zu einer unübersichtlichen Ansammlung von Stallabteilen, wodurch komplizierte und ineffiziente Wege und Abläufe entstehen. Dadurch geht viel Arbeitszeit unproduktiv verloren. Es gilt, hier nicht dieselben Fehler wie in Deutschland zu machen, als in den 1990er-Jahren mit der Möglichkeit, Milchkontingente (Produktionsmengen) zu handeln, oft planlos und laufend Strukturen angepasst wurden. Viele Ställe erinnern jetzt an «vereinigte Hüttenwerke». In der Schweiz waren die Milchkontingente erst ab 1999 handelbar, womit auch die Strukturentwicklung erst dann einsetzte. Vorher waren die Strukturen zementiert.

Impulse an die Bauherrschaft

Um die Diskussion über den Einfluss von Gebäudekonzepten auf die Produktionsskosten zu fördern und um geeignete Gebäudekonzepte für Stallbauten mit Modellcharakter einem breiten Fachpublikum zugänglich zu machen, schrieben die landwirtschaftlichen Beratungsund Bildungszentren Arenenberg (TG), Liebegg (AG) und Grangeneuve (FR) im vergangenen Herbst eine nationale Preisvergabe für Milchviehställe aus. Das Beratungsforum Schweiz (BFS) und die Arbeitsgemeinschaft für landwirtschaftliches Bauen (ALB) unterstützen den Preis aufgrund der potenziellen Impulse an Forschung, Beratung und Praxis. Der Wettbewerb soll einen Erkenntnisgewinn bieten, im Vordergrund steht jedoch die Bewusstseinsförderung bei der künftigen Bauherrschaft.

Auswertung der eingegangenen Projekte

Bis zum Abgabetermin am 10. Oktober 2008 waren 45 Projekte eingegangen. Neubauprojekte auf der grünen Wiese wurden ebenso abgegeben wie Neubauten mit Einbezug von Altbauten beim Futterlager und beim Güllelagervolumen. Alle Projekte erfüllten die vorgegebenen Abgabekriterien. So mussten die Bauten 2001 erbaut oder jünger sein, wobei Liegehalle, Melkbereich und Futterachse hauptsächlich neu erstellt sein mussten. In der Evaluation werden für Kapazitäten, die bereits vorhanden waren, Standardzuschläge gemacht, damit eine objektive Beurteilung möglich ist. Da tiefe Milchleistungen und eine schlechte Stallauslastung die Produktionskosten verteuern, sollen ausserdem nicht die Betriebsführung und die Managementfähigkeiten, sondern die Gebäudekonzepte miteinander verglichen werden. Darum rechnet das Organisationskomitee mit Standardmilchmengen je Kuhplatz bei maximaler Auslastung des Stalles. Die Arbeitszeiten werden unter Berücksichtigung einer Degression aufgerechnet und die Investitionskosten mit dem Baukostenindex korrigiert. Um ausserdem den unterschiedlichen Regionen und Milchproduktionssystemen gerecht zu werden, differenzierten die Auslober die Projekte in den Kategorien Talgebiet mit Silagefütterung, Talgebiet mit silofreier Fütterung (Heu) sowie Berggebiet. Gewertet werden die Stallbauten nach messbaren und qualitativen Kriterien: Arbeitskosten in Rappen pro kg Milch, jährliche Gebäudekosten in Rappen je kg Milch, qualitativer Modellcharakter bezüglich Reproduzierbarkeit, Arbeitsabläufe, Kuhkomfort, Ästhetik, Ergonomie, Energieeffizienz. Die beiden messbaren Kriterien wurden für die Vorselektion beigezogen. Die zentralen qualitativen Kriterien sind, nach eingehender Besichtigung der Höfe vor Ort, für die Bewertung der verbliebenen Projekte relevant.

Grosser Betrieb und Automatisierung als Vorteile

Die zehnköpfige Jury mit Vertretern aus Praxis, Beratung und Forschung tagte am 15. Dezember. In einer ersten Grobauswertung zeigte das Kernteam des Wettbewerbes auf, dass in der Maximierung der Produktionsmenge ein grosses Potenzial für eine Kostensenkung liegt – ganz allgemein haben grössere Betriebe eine höhere Arbeitsproduktivität (Bild 4). Im Weiteren erreichen kleinere Betriebe zwar teilweise günstige Gebäudekosten, ihre um einiges höheren Arbeitskosten werfen sie aber in der Rangordnung zurück. Die Betriebe mit den tiefsten Arbeits- und Gebäudekosten je kg Milch und damit den wirtschaftlichsten Gebäudekonzeptionen erreichten Gebäude- und Arbeitskosten von total unter 25 Rappen pro kg Milch (Gebäude 10 Rappen, Arbeit 15 Rappen) – gegenüber den heute durchschnitt-lich 40 Rappen eine deutliche Senkung. Für das Organisationskomitee überraschend war, dass Melkroboterbetriebe trotz ihren höheren Investitionskosten dank hoher Arbeitsproduktivität alle vorne in der Rangliste zu finden sind. Dies zeigt, dass in der Automatisierung und Mechanisierung von manuellen Arbeitsgängen unter Erhalt oder gar Steigerung des Tierkomforts die wesentlichen Herausforderungen in Bezug auf die Senkung von Produktionskosten in der Schweizer Milchproduktion liegen. Weitere wichtige Kriterien für wirtschaftliche Stallkonzepte sind zusammengefasst vor allem optimierte Arbeitsabläufe (sie beeinflussen die Arbeitskosten), ein hoher Kuhkomfort (damit die Kühe gute Leistungen erbringen können und ihre Fruchtbarkeit erhalten bleibt), eine niedrige Summe jährlicher Arbeits- und Gebäudekosten je kg Milch, eine ergonomische Arbeitsgestaltung (ein zentraler Faktor für die Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Konzentration des Personals) und ein entwicklungsfähiger Standort (Bild 3). Betriebskonzepte, die eine Betriebsausdehnung verunmöglichen, zum Beispiel durch natürliche oder künstliche Hindernisse (Nachbarliegenschaften), sind nur sinnvoll, wenn Übergangslösungen bis zum definitiven Ausstieg oder Umzug realisiert werden müssen. Zukunftsgerichtete Konzepte müssen eine Aufstockung des Bestandes ermöglichen. Wegen der Tierschutzverordnung, die 10 m² pro Kuh vorschreibt[2], und dem heutigen Verbot, doppelgeschossige Stallbauten zu realisieren, ist eine Flächenerweiterung darum zwingend erforderlich. Anfang 2009 wird der Jurybericht veröffentlicht und der Sieger im Februar an der Fachmesse «Tier und Technik» in St. Gallen vorgestellt. Als Ergebnis des Wettbewerbs sollen ausserdem Merkblätter mit den wichtigsten Erkenntnissen erstellt werden, die zum Beispiel eine optimale Anordnung der Funktionsbereiche zur Arbeitszeitoptimierung aufzeigen.

[Christof Baumgartner, Berater und Lehrkraft Milchproduktion, BBZ Arenenberg, Fachstelle für Nutztierhaltung Thurgau]

Anmerkungen:
[1] 219 000 kg entsprechen rund 30 Kühen. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 120 000 kg (Berg und Tal), was rund 18 Kühen entspricht
[2] Die Vorschriften sind so formuliert, dass für ein «besonders tierfreundliches Stallsystem BTS» – Förderprogramm des Bundes – 10 m² pro Kuh vorhanden sein müssen (Liegefläche, Fressbereich und Laufflächen), wovon mindestens 2.50 m² unüberdacht

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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