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Zum Thema

Eine Hochhausstadt aus Holz, eine Skyline mit Bretterfassaden, ein Wolkenkratzer als CO2-Speicher – warum nicht? Zugegeben, die Vorstellung ist uns fremd und natürlich sollten wir nicht übertreiben, aber auch der Holzbau kann hoch hinaus und nichts spricht gegen Vier-, Sechs-, Acht- oder Zehngeschosser aus Holz. Gerade im städtischen Bereich, in Baulücken, auf weniger tragfähigem Grund ist es von Vorteil, mit Holz zu konstruieren, und es wird als technisch machbar erachtet, eine Höhe von zwanzig Geschossen zu erreichen.

Ein anderer Aspekt: Hoch zu bauen liegt in der Natur des Menschen. Das Bild des Turms, das Streben nach Höhe begleiten uns seit Jahrtausenden und wer liebt es nicht, die Welt von oben zu betrachten, „über den Dingen zu stehen“, wenn möglich höher oben zu sein als der Nachbar (nicht nur die Geschlechtertürme von San Gimignano legen Zeugnis davon ab). Oder, anders betrachtet, wie Michael Freund in seinem einleitenden Essay schreibt: „Es ist der uralte Blick nach oben. (...) Wenn wir schon nicht fliegen können, wenigstens sehen wir Dinge von oben – und werden von unten gesehen.“ Das Hochhaus als Ersatz für’s Fliegen oder als Sockel für uns selbst? Oder das Holz-Hochhaus als künstlicher Baum, als „Baum-Haus“? Man sieht schon – wenn es um luftige Höhen geht, fliegen auch die Gedanken hoch …

Deshalb zurück auf den Boden der Realität: Bis vor wenigen Jahren waren dreigeschossige Holzhäuser das höchste der Gefühle. Inzwischen hat sich sowohl in technischer Hinsicht als auch bei den Baugesetzen einiges getan und der Weg weist eindeutig nach oben. Während in Österreich inzwischen viergeschossig gebaut werden darf, sind etwa in der Schweiz bereits sechs Stockwerke möglich. Noch höhere Beispiele gibt es in Berlin mit sieben und in London mit neun Geschossen. Dort, wo die Baugesetzgebung an ihre Grenzen stößt, kommt man mit Sonderbewilligungen voran. So dürfen auch in Österreich mehr als vier Geschosse in Holzbauweise errichtet werden, wenn – durch geeignete Maßnahmen – die gleichen Schutzziele erreicht werden wie in der Massivbauweise.

Nicht ganz zufällig beforschen Italiener und Japaner hohe Gebäude aus Holz. Ihr wissenschaftliches Interesse betrifft vor allem das Erdbebenverhalten von mehrgeschossigen Massivholzbauten und so wurde etwa ein siebengeschossiges 1:1-Modell auf einem Erdbebentisch einer Serie von künstlichen Beben mit der Stärke des Erdbebens von Kobe im Jahr 1995 ausgesetzt, ohne gröberen Schaden zu nehmen.

Selbstverständlich wird in diesem Zuschnitt auch die Frage nach den Grenzen gestellt: nach Grenzen der Konstruktion, der Wirtschaftlichkeit, nach Grenzen, wie sie jedes „Extrem“ (und auch jeder Baustoff) hat. Doch wir können zu dem Schluss kommen, dass sich Holz auch in der Vertikalen sehr gut macht – und selbst wenn das Eingangsbild nicht Realität werden wird: die Richtung stimmt.

Eva Guttmann

Zum Thema

Editorial
Text Eva Guttmann

Essay Otis, Sullivan und Freud.
Was uns antreibt, immer höher zu bauen
Text Michael Freund

Themenschwerpunkt

Lückenfüller mit Distanz
Eine Bauinitiative am Prenzlauer Berg
Text Claus Käpplinger

Holz in the City
Stadthaus in London
Text Karin Triendl

Interview mit Konrad Merz
Statische Herausforderungen beim Hochhausbau in Holz
Text Karin Tschavgova

Normalfall Holz
Prototyp mit Zukunft
Text Christoph Affentranger

Standpunkt und Ausblick
Mehrgeschossiger Holzbau in Österreich
Text Franziska Leeb

Im Ländervergleich
So hoch darf man mit Holz bauen
Text Anne Isopp

Forschungspanorama
Was passiert mit meinem Haus, wenn die Erde bebt?
Text Carmen Sandhaas

Gemeinschaftswerk
„Hochhäuser“ aus Holz im Wallis
Text Charles von Büren

Seitenware
Rasten am Ende der Welt

Artikel

21. März 2009 Michael Freund
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Otis, Sullivan und Freud.

Was uns antreibt, immer höher zu bauen

Es ist der uralte Blick nach oben: Wenn die Ägypter ihre Könige in Bauten begruben, so hoch, dass nicht einmal der Jahrtausende später errichtete Stephansdom an die mächtigsten von ihnen heranreichte; wenn ihrerseits die gotischen Kirchen näher zu Gott strebten und gleichzeitig in Konkurrenz zu den weltlichen Fürsten traten, die ihren Einflussbereich weithin sichtbar architektonisch markierten; wenn sogar kleine Kinder mit ihren Bauklötzen unweigerlich vertikale Wettkämpfe veranstalten, dann wollen sie alle den Mühen der Ebene enthoben sein. Wenn wir schon nicht fliegen können, wenigstens sehen wir Dinge von oben – und werden von unten gesehen.

Es mag gerade mal hundert Jahre her sein, dass die ersten Wolkenkratzer gebaut wurden. Schon viel früher aber richteten sich die Menschen vertikal bis in erstaunliche Höhen ein. Im alten Rom gab es Gebäude mit über zehn Stockwerken. Die Lehmziegelhäuser aus dem 16. Jahrhundert im jemenitischen Schibam sind ebenso hoch. Auch nicht mehr Stockwerke hatte das Home Insurance Building, das 1885 in Chicago errichtet wurde. Und es war auch nicht das erste Haus mit einem Stahlskelett – eine vergleichbare Konstruktion aus gusseisernen Säulen und Trägern stand bereits hundert Jahre früher im englischen Shrewsbury. Doch erst in Chicago kristallisierte sich, verstärkt durch Platznot, der Drang in die Vertikale in Reinkultur heraus. Seinen architektonischen Ausdruck fand er in den Gebäuden von Louis Sullivan, der die Höhe seiner Gebäude durch senkrechte Bänder unterstrich. (Er war es auch, der den berühmten Satz „Form follows function“ schrieb, und zwar in einem Aufsatz über künstlerische Überlegungen zum Bürohochhaus.)

Sullivan und die ganze Chicagoer Schule, die Wiege der Skyscrapers, hätten aber nicht bauen können ohne die geniale Erfindung von Elisha Graves Otis. Er hatte den absturzsicheren Aufzug konstruiert und den Menschen die Angst genommen, sich in einem schwebenden Kasten in schwindelnde Höhen befördern zu lassen. So aber gab es kein Halten mehr. Je solider und höhentauglicher die Stahlskelettbauten wurden, desto schneller und höher reichend wurden die entsprechenden Aufzüge (und noch heute steht global mehrheitlich „Otis“ auf ihnen).

Ihren schönsten und vielfältigsten Ausdruck erreichte die Wolkenkratzerarchitektur in der Zwischenkriegszeit in New York. Da blühten die Stilzitate vom Klassizismus bis zur Moderne, da wechselten sich pseudogotische Krönungen mit wuchtigen Bollwerken ab, und über allem strahlte die vom Geschwindigkeitsrausch inspirierte Art Déco, am reinsten verkörpert im Chrysler Building, das für kurze Zeit das höchste Haus der Welt war, bis es vom Empire State Building mit seiner auch nicht gerade langweiligen Spitze entthront wurde.

New York ist eine vertikale Stadt, sagte Le Corbusier, eine schöne Katastrophe. Ersterem stimmte der deutsche Fotograf Reinhart Wolf zu – das mit der Katastrophe wollte er widerlegen. In den frühen siebziger Jahren gelangen ihm mit einer riesigen Plattenkamera, extremen Tele-Brennweiten und viel Geduld die unwahrscheinlichsten Bilder von den supertall buildings der Stadt – unwahrscheinlich deshalb, weil er hauptsächlich die Spitzen der Gebäude von anderen Spitzen aufnahm, also einen Blickwinkel herstellte, der den meisten Bürgern zu ebener Erde unzugänglich ist. Es kamen die verschwenderischsten Details zum Vorschein, die zeigten, dass Bauherren damals auch Mäzene eines ästhetischen Surplus waren, einer quasi sinnlosen Schönheit: Die Form folgte keineswegs nur mehr der Funktion, sondern verselbständigte sich.

Das hatte mit dem Aufkommen des Internationalen Stils ein abruptes Ende. Das meiste, das seit dem Zweiten Weltkrieg gebaut wird, sieht tatsächlich aus wie die hochgestellten Schuhschachteln, über die Tom Wolfe sich mokierte. Auch die nach seiner Zerstörung sofort zum Mythos erhobenen Türme des World Trade Center waren ungeliebte, arrogante Fremdkörper in der Skyline des Finanzdistrikts.

Bleibt die Frage nach dem Sinn immer höherer Gebäude – der auf 818 Meter geplante Burj Dubai wird gerade gebaut, der Al Burj könnte mehr als einen Kilometer hoch werden, wenn er die Wirtschaftskrise überlebt. Kompletter Wahnsinn, sagt jeder Häuslbauer – und nicht nur der. Dem stehen interessanterweise ökologische Argumente entgegen – wobei sich die Grenze, ab wie vielen Stockwerken die Verdichtung und die damit verbundenen Ersparnisse in Verteuerungen umschlagen, je nach Parameter ständig verschiebt; wer weiß, vielleicht ist der Burj Dubai grüner als das Häuschen an der Stadtgrenze.

Jenseits der rationalen Erwägungen aber wird dem Drang ins Vertikale von psychoanalytischer, gender-geschulter und sonstwie kulturwissenschaftlicher Seite genau das entgegengehalten: dass er eine ins Groteske sublimierte Erektion sei, Phallokratie der schlimmsten Sorte. Damit stehen Skyscrapers in Reih und Glied, sozusagen, mit Bananen, Raketen, Füllfedern, Jaguar E-Types, Lippenstiften und der Freud’schen Zigarre. Andererseits jedoch – apropos – ließe sich Freud hier paraphrasieren: Manchmal ist ein Wolkenkratzer nur ein Wolkenkratzer.

21. März 2009 Claus Käpplinger
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Lückenfüller mit Distanz

Eine Bauinitiative am Prenzlauer Berg

Ein Siebengeschosser in Holzbauweise inmitten der Stadt? – Vor Jahren noch hätte dies niemand für möglich gehalten, insbesondere nicht im „steinernen Berlin“ des neuen Bauweisen gegenüber wenig aufgeschlossenen Senatsbaudirektors Hans Stimmann. Doch gerade dort haben nun zwei Architekten ostdeutscher Herkunft den Beweis angetreten, dass sehr wohl sein kann, was nicht sein darf, nämlich eine siebengeschossige Wohnbau-Holzkonstruktion im gründerzeitlichen Karree. Mit etwas Chuzpe und viel Intelligenz gelang es den Architekten Tom Kaden und Thomas Klingbeil, alle Bedenkenträger auszumanövrieren und einer Baugruppe ein auch räumlich bemerkenswertes Haus zu schaffen.

Den Anfang machte das Projekt „E3“ (für Esmarchstraße 3) von drei Bauinteressenten, die ihren Weg zu den Architekten fanden. Nach dem derzeit in Berlin sehr populären Modell der „Baugruppe“ – einer Bauherrengemeinschaft ohne Bauträger – wollten sie in der Gegend ein Holzhaus bauen, wo sie und die Architekten lebten, nämlich im Szenequartier Prenzlauer Berg. Gezielt wandten sie sich an Kaden Klingbeil, da diese schon viele Holzhäuser gebaut hatten, wenngleich nur an der Peripherie und im Umland Berlins. Eine Baulücke und drei weitere Parteien waren rasch gefunden für ein Hausbauprojekt, das den Blockrand bewusst nicht völlig schließt und jedem Passanten mit seinem abgesetzten Treppenturm ins Auge fällt.

Selbst nach der neuen Berliner Bauordnung von 2006, die fünfgeschossige Holzbauten erlaubt (zuvor nur drei!), dürfte es das Haus „E3“ eigentlich nicht geben. Doch schon früh suchten die Architekten den Kontakt mit der Feuerwehr und einmal mehr erwiesen sich dabei die Feuerpraktiker aufgeschlossener als die Baubehörden. Doch ihre Zustimmung allein reichte nicht, wie auch nicht die Unterstützung prominenter Politiker und der Medien.

Die Baubehörden bestanden weiterhin auf Besprinklerung und einen zweiten Rettungsweg, was höhere Kosten und weniger Wohnraum bedeutet hätte. Erst die Gutachten zweier externer Spezialisten, eines Prüfstatikers aus München und eines Brandprüfers aus Leipzig, ermöglichten den Bau mit dem Nachweis, dass die Holzkonstruktion in der Tat ein vergleichbares Sicherheitsniveau wie ein Haus in konventioneller Massivbauweise besitzt.
Was ist nun an der Esmarchstraße entstanden?

Ein recht pragmatisches Haus ohne jedwede Accessoires, dem man von außen nie und von innen kaum ansieht, dass es aus Holz gebaut ist. Verputzt ist es und gibt nur mit einem zarten Putzrelief zu erkennen, dass es sich um einen Holzskelettbau mit aussteifenden Massivholzwänden handelt, wobei auch seine drei, vermeintlich aleatorisch verteilten Fensterformate Hinweis auf die Dimensionierung seiner Konstruktion geben. Seine Stützen und Riegel bestehen aus Brettschichtholz, das aufgrund regional nicht vorhandenen Know-hows in Süddeutschland gefertigt wurde. Fast alle hölzernen Teile sind eingepackt in eine nicht brennbare Kapselung aus Gipsfaserplatten, um die normalerweise geltenden F90-Anforderungen durch die Kapselklasse K60 zu umgehen: Alle tragende Teile dürfen sich über mindestens 60 Minuten nicht entzünden. Einzig die Untersicht der weit spannenden Holzbetonverbunddecken blieb unverkleidet. Ausgeführt aus 16 Zentimeter starken Holzlamellen und einer darüber liegenden 10 cm dicken Betonschicht entsprechen die Decken der Feuerklasse F90. Über eigens entwickelte Knotenblech-Verbindungen ließen sie sich rasch und problemlos montieren, wie die mit Andreaskreuzen ausgesteiften Wandfüllungen ihre Aufgabe aufs Einfachste lösten.

Alle Etagenräume sind um zwei kompakte Versorgungskerne aus Beton organisiert, sodass ihr Raumfluss durch keine tragenden Innenwände gestört wird. Frei konnten hier die Eigentümer ihre Grundrisse für Wohnungen zwischen 120 und 150 m² wählen, deren Flächendifferenzen jeweils ganz unterschiedlich große Terrassenräume zu Straße und Treppenturm ergaben. Und zudem hatten die Eigentümer noch die freie Wahl, wieviel private Balkonfläche sie an der Hofseite des Hauses wünschten.

Doch der besondere räumliche Clou sind die völlig unerwarteten Terrassenräume und ihre Zwischenräume zum offenen Betontreppenhaus. Dieses nämlich platzierten die Architekten zur Straße hin entlang einer Brandwand als eine Art „soziale Plastik“. Aus dem Holzhaus ausgelagert wurden Treppe und Aufzug, die Etagenwohnungen sind über eingehängte Betonbrücken zugänglich. Damit wurde nicht nur die Variabilität der Grundrisse erhöht und den Wohnungen von drei Seiten Tageslicht verschafft, sondern auch ein höchst spannender sozialer Raum geschaffen, der so gar nicht ins Bild vom fest gefügten und verschlossenen steinernen Block passen will. Einen unverwechselbaren Zwischen-Raum für Stadt und Hausgemeinschaft schafften sich hier die Architekten, die sich noch während des Planungsprozesses entschieden, mit ihrem Büro ins Erdgeschoss einzuziehen.

Fast schon selbstredend handelt es sich auch um ein energetisch vorbildliches Haus, dessen Primärenergieaufwand für den Rohbau bei lediglich 30 Prozent einer traditionellen Massivkonstruktion lag. Mit hochwertiger Dämmung und Wärmeschutzverglasung ausgestattet und mit Fernwärme beheizt, liegt sein Energiebedarf weit unter 40 kWh/m2.

Überzeugende Zahlen und geschicktes Agieren haben den beiden in Dresden und Berlin-Weißensee ausgebildeten Architekten in kürzester Zeit ein öffentliches Renomee verschafft, sodass sie schon an einem weit größeren Holzhaus-Projekt in Berlin arbeiten, dessen Zwischenräume und Funktionsmischungen noch erstaunlicher ausfallen werden. An ihrem Projekt „E3“ bedauern sie nur, dass die sichtbaren Holzdecken aus Kostengründen nur in Fichte und nicht in Weißtanne ausgeführt werden konnten. Und der Kritiker kann allein bedauern, dass es nicht noch mehr solcher mutiger und strukturell gedachter Hausprojekte in Berlin gibt.

21. März 2009 Karin Triendl
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Holz in the City

Stadthaus in London

War Shoreditch im Osten von London noch vor ein paar Jahren nur wenigen bekannt, zieht es seit kurzem immer mehr Holzbauinteressierte in diesen Stadtteil. Umgeben von Backsteinhäusern wurde dort das höchste Massivholzgebäude Europas fertiggestellt. Das Londoner Architekturbüro Waugh Thistleton wollte auf dem 305 m² großen Eckgrundstück etwas Neues ausprobieren, dabei stand der Umweltgedanke an erster Stelle seiner Überlegungen. Intensive Gespräche mit Statikern und Technikern ergaben, dass ein Projekt in Stahlbeton bezogen auf seine mittlere Lebensdauer signifikante CO2-Emissionen zur Folge hätte. Aufgrund seiner Fähigkeit, CO2 in Form von unschädlichem Kohlenstoff zu speichern, fiel damit die logische Wahl auf den Baustoff Holz.

Man entschied sich für eine Konstruktion aus vorgefertigten Brettsperrholz-Elementen und konnte in Zusammenarbeit mit Planern, Technikern und dem österreichischen Hersteller alle Details zur Erfüllung der geforderten schallschutztechnischen und statischen Vorgaben lösen.

Der 29,75 Meter hohe Wohnturm auf quadratischem Grundriss mit 17,5 Metern Seitenlänge besteht aus acht Geschossen in Massivholzbauweise über einem in Stahlbeton errichteten Sockelgeschoss. Wand- und Deckenelemente bilden eine wabenartige Tragstruktur, welche durch längs und quer angeordnete Trennwände innerhalb der einzelnen Geschosse vertikal ausgesteift wird. Die 14,60cm dicken Deckenelemente wurden über Stufenfalze gestoßen, mit Diagonalverschraubungen zu Scheiben ausgebildet und übernehmen dadurch die horizontale Aussteifung.

Laut britischer Bauvorschrift muss bei mehrgeschossigen Bauten verhindert werden, dass mehr als 10 % einer Geschossdecke infolge eines Bauteilkollapses in sich zusammenstürzen. Die geforderten statischen Nachweise erfolgten in Form von Einzelberechnungen für alle lastabtragenden Elemente. Ihre Auswirkung findet man in einer Vielzahl konstruktiver Detailausführungen wie z.B. Stahlwinkel, welche die Wände an der Deckenunterseite fixieren und nach oben anhängen.

Eine weitere Herausforderung bildeten die frei in der Wabenstruktur des Gebäudes stehenden Aufzugsschächte. Die bis zu 11,50 Meter hohen Massivholzelemente tragen die Lasten des Aufzugs und sich selbst. Zur Erhöhung der Stabilität liegen die Stöße der Schachtwände höhenversetzt zu den rechtwinkelig anschließenden und konnten so ineinander verzahnt werden. Um den Aufzug schalltechnisch zu entkoppeln und die Vibrationen zu dämpfen, wurden zwei Brettsperrholz-Wände aneinandergefügt und mit Gipskartonplatten vom Restbau getrennt.

Wände und Podeste der Treppenhäuser bestehen ebenfalls aus Massivholz-Platten. Für die Treppenläufe kamen Hohlformen aus Stahl zum Einsatz, welche nach der Montage mit Beton verfüllt wurden.

In Großbritannien muss öffentlichen Gebäudebereichen, baurechtlich gesehen, lediglich eine bestimmte Feuerwiderstandsklasse zugeordnet werden, welche aber nicht an die Brennbarkeit der Baustoffe gebunden ist. Daher gab es auch in diesem Punkt keine besonderen Hindernisse für die gewählte Holzkonstruktion. Weil die Treppenhäuser des Murray Grove Towers die einzigen Fluchtwege sind, müssen sie 120 Minuten Brandwiderstand erreichen. Alle anderen Bereiche müssen in F60, lastabtragende Elemente in F90 ausgeführt sein. In den Wohnungen erfüllen abgehängte Decken, Zementestrich und Trittschalldämmung sowohl Brandschutz- als auch Schallschutzanforderungen. Ab einer Höhe von 30 Metern hätten sich allerdings einige Vorgaben geändert, daher blieben die Architekten mit 29,75 Metern Höhe bewusst unter dieser Grenze.

Für die äußere Hülle wurden Licht- bzw. Schattenverhältnisse der umliegenden Bäume und Gebäude in ein aus 5000 Einzelpaneelen bestehendes Pixelbild umgesetzt. Die vorgehängte Fassade besteht aus mit 70% recyceltem Holz hergestellten Faserzementplatten und einer darunterliegenden Außenwanddämmung aus Polyurethanschaum.

Offensichtlich wurde mit diesem Projekt ein großes Potenzial für mehrgeschossige Massivholzgebäude in der Stadt entdeckt. Denn trockene Baustellen, kurze Bauzeiten und nicht zuletzt der Umstand, dass dem Umweltgedanken Rechnung getragen wird, sprechen für das Material Holz. Zudem liegen die Herstellungskosten mit rund 3,75 Mio Euro niedriger als die Kosten für ein vergleichbares Stahlbetongebäude.

Insgesamt wurden 950 m³ Holz per LKW aus Katsch an der Mur angeliefert und direkt an der endgültigen Position verbaut. Das war notwendig, weil Baustelleneinrichtungen in London sehr teuer sind. Die Montage dauerte nur neun Wochen und ersparte dem Bauträger im Vergleich zu herkömmlichen Baustellen fast ein halbes Jahr an Bauzeit.

Nachdem das höchste Massivholzhaus in Europa in nur 18 Monaten von Planungsbeginn bis zur Schlüsselübergabe realisiert werden konnte, zudem der Atmosphäre trotz langer Transportwege rund 125 Tonnen CO2 erspart bleiben und der damit entstandene Wohnraum auch noch leistbar angeboten wurde, ist es wohl kein Wunder, dass die im Schnitt 60 m² großen Apartments innerhalb von 1 1/2 Stunden nach Verkaufseröffnung vergeben waren.

21. März 2009 Karin Tschavgova
Konrad Merz
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Statische Herausforderungen beim Hochhausbau in Holz

Interview mit Konrad Merz

Karin Tschavgova: Im Holzgeschossbau stehen Themen der Bauphysik – Schallschutz und Schwingungsverhalten – oder auch der Brandschutz im Vordergrund. Will man im Holzbau hoch hinaus, so rücken Fragen nach dem geeigneten Tragwerk in den Mittelpunkt. Worin besteht für den Statiker die Herausforderung beim Hochhausbau in Holz?

Konrad Merz: Bei den Decken sind nicht nur die bauphysikalischen, sondern auch die statischen Anforderungen gleich – egal, ob eine Decke im dritten oder im zwölften Geschoss eingebaut ist. Bei vertikalen Bauteilen, den Stützen oder den lastabtragenden Wänden, nimmt die Beanspruchung linear mit der Anzahl der Geschosse zu. Auch das ist einfach in den Griff zu bekommen. Die eigentliche Herausforderung liegt in der Abtragung der horizontalen Einwirkungen durch Wind und Erdbeben. Hier nimmt die Beanspruchung exponenziell mit der Gebäudehöhe zu.

Intelligenz rein, Material raus

Karin Tschavgova: Spielt die schon beinahe ideologisch determinierte Frage nach Holzmassiv- oder Holzleichtbauweise noch eine Rolle, wenn man hoch hinaus will?

Konrad Merz: Also, für mich als Tragwerksplaner ist das keine Frage der Ideologie, sondern eine, die bei jedem Projekt von neuem nach den spezifischen Randbedingungen entschieden wird. Eine pauschale Aussage gibt es nicht. Tendenziell setzen wir Holzmassivbau in erster Linie bei lastabtragenden Innenwänden und Decken mit einer Spannweite bis zu ungefähr sechs Metern ein. Bei Außenwänden, vor allem wenn sie nichttragend sind, steht eher die Holzrahmenbauweise im Vordergrund.

Karin Tschavgova: Ein Ergebnis des Forschungsprojekts 8+ (zum Holzhochhausbau) ist, dass 20 Geschosse aus technischer Sicht möglich sind, die Grenze nach oben jedoch eine Frage der Wirtschaftlichkeit ist. Kann man eindeutig sagen, bis zu welcher Höhe ein konstruktiver Holzbau noch ökonomisch ist?

Konrad Merz: Die Frage der Wirtschaftlichkeit hängt von vielen Parametern ab und ist relativ schwer zu beantworten. Eine fixe Höhe, bis zu welcher ein konstruktiver Holzbau sinnvoll ist, kann ich schon gar nicht nennen. Betrachtet man nur die Herstellungskosten, ist es mit einem qualitativ guten, reinen Holzgeschossbau derzeit schwierig, ein vergleichbares Gebäude in Massivbauweise zu unterbieten. Ein Mittelweg, bei dem die jeweiligen Stärken der Baustoffe Holz und Beton zum Tragen kommen, könnten Mischbauten sein, bei denen die Tragstruktur aus Stahlbeton und die Außenwände aus vorgefertigten Holzelementen bestehen. Das gilt vor allem bei Gebäuden mit hohen Anforderungen an die Gebäudehülle.

Karin Tschavgova: Warum wird in anderen Ländern höher gebaut? Liegt’s nur an den gesetzlichen Vorgaben?

Konrad Merz: Unter anderem, doch es gibt auch in Österreich Spielraum nach oben. In der Schweiz kann man bis zu sechsgeschossige Wohnbauten erstellen. In Österreich, zumindest in den Bundesländern, in denen die OIB-Richtlinien [zielorientierte bautechnische Anforderungen] gelten, liegt die Grenze bei vier Geschossen. Allerdings kann von den Richtlinien abgewichen werden, wenn nachgewiesen wird, dass die Schutzziele der Richtlinie auf andere Art erreicht werden. Dazu braucht es als Nach-weis ein schlüssiges Brandschutzkonzept.

Karin Tschavgova: Nützt Forschungsarbeit am Werkstoff Holz im Sinne einer Hightech-Entwicklung, etwa als noch leistungsfähigerer Verbund- oder Kompositwerkstoff, auch der Tragwerksplanung?

Konrad Merz: Ja, sicher. Holz muss am Ball bleiben im Wettstreit mit anderen Materialien. Wir bearbeiten im Moment einen Viergeschosser in Wien. Dabei kommt ein modulares Bausystem zur Anwendung. Die Stützen haben vom Erdgeschoss bis zum Dachgeschoss idente Querschnittsabmessungen. Wir profitieren im untersten Geschoss vom Einsatz hochfester Holzwerkstoffe und können so die Abmessungen insgesamt minimieren.

Karin Tschavgova: Sind für den Tragwerksplaner im Holzgeschossbau klassische architektonische Themen wie die Materialminimierung also relevant?

Konrad Merz: Materialminimierung ist für den Ingenieur immer ein Thema, nicht nur aus Kostengründen oder aus formalen Überlegungen, sondern auch im Hinblick auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen. Aus n diesem Grund gilt für die Arbeit des Ingenieurs nach wie vor: „In die Konstruktion soll Intelligenz rein und Material raus.“

Karin Tschavgova: Bleibt mit Holz als Tragsystem für immer höhere Geschossbauten Gestaltungsvielfalt gewährleistet oder anders gesagt: schränkt die Notwendigkeit von konstruktiver Vereinfachung nicht die heute nahezu unbegrenzten Möglichkeiten architektonischer Formen ein?

Konrad Merz:
So viele Holzhochhäuser werden in nächster Zeit nicht gebaut werden, dass sie einen entscheidenden Einfluss auf die architektonische Landschaft haben, und die gebauten könnten Abwechslung und Bereicherung sein. Plastische Ausformung müsste man mit entsprechendem Aufwand erkaufen, weil eben im Holzbau und nicht nur dort das Prinzip gilt, dass Lasten möglichst direkt und in der Vertikalen von oben nach unten zu bringen sind.

21. März 2009 Christoph Affentranger
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Normalfall Holz

Prototyp mit Zukunft

Ein Wortspiel am Anfang: „Holzhausen“, der Projektname für das erste sechsgeschossige Haus in Holz in der Schweiz, steht in Steinhausen (Kanton Zug). Steinhausen ist eine Ortschaft, die in den letzten gut 50 Jahren aus dem Nukleus eines kleinen Dorfes zu einer typisch schweizerischen Agglomerationsgemeinde mit rund 9000 Einwohnern herangewachsen ist. Die Kantonshauptstadt ist in zehn Minuten zu erreichen, Zürich in 40 Bahnminuten. Und trotzdem, typisch Schweiz, hat Steinhausen alles, was eine Kleinstadt benötigt: Kirchen, Schulhäuser, einen gut frequentierten Bahnhof, ein grosses Einkaufszentrum, Ärzte und sogar den Hauptsitz einer Firma von Weltformat. Und eben: das erste sechsgeschossige Holzgebäude in der jüngeren Schweizer Baugeschichte. Die Bauherrschaft entschloss sich aufgrund eigener guter Erfahrungen und aus ökologischer Überzeugung zu einem Holzbau. Der Neubau steht direkt an der Hauptstrasse in einem Umfeld von Bauten aus den 1950er bis 70er Jahren. Das Untergeschoss sowie das Treppenhaus wurden in massiver Stahlbetonweise und die fünf Vollgeschosse sowie das Attikageschoss in Holzbauweise ausgeführt, eingekleidet in kanadische rote Zeder. Das Haus umfasst zwei Gewerbe- und neun Wohneinheiten im Eigentumsstandard. Die Holzbauteile wurden vorgefertigt und innert acht Wochen auf der Baustelle zum Rohbau zusammengefügt. Die süd- und westorientierten, eingezogenen Balkontürme und die konstruktiv bedingt orthogonal angeordneten Fenster prägen das Haus von aussen. Grosse, hohe und helle Räume und gekonnt gesetzte Öffnungen zeichnen das Innere aus.

In der Schweiz sind es die Feuer- und Gebäudeversicherungen, die in Fragen des Brandschutzes das Sagen haben. Da die entsprechenden Gesetze auf Kantonsstufe verankert sind, gibt es beinahe so viele Umsetzungen wie Kantone. In einigen, zum Beispiel im Kanton Zug, versichern ausschliesslich die kantonalen Gebäudeversicherungen Häuser. In anderen gibt es den Wettbewerb privater Versicherer. Im Kanton Zug muss jedes Baugesuch bei der halbstaatlich organisierten Gebäudeversicherung GVZ zur Prüfung eingereicht werden. Die Gebäudeversicherung legt in eigener Verantwortung als Versicherer die Auflagen fest. Andere Kantone haben ähnliche, aber häufig anders bezeichnete Stellen. Die Vorgaben werden im Sinne einer Harmonisierung auf freiwilliger Basis durch die Kantone seit Jahren schon von der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF in verschiedenen Schriften landesweit koordiniert. Im Jahr 2001 lancierten die Dachorganisation der Schweizer Wald- und Holzwirtschaft „Lignum“ und das Förderprogramm „holz21“ des bafu (Bundesamt für Umwelt) das Programm „Bauen in Holz – Qualitätssicherung und Brandschutz“ und ebneten dem Holzbau den Weg in die Mehrgeschossigkeit. Die damit neu erarbeiteten technischen und methodischen Grundlagen für Bauteile ermöglichten die Einführung der neuen Brandschutznormen der VKF, welche seit 1. Januar 2005 Holzbauten mit bis zu sechs Geschossen und 60 Minuten Feuerwiderstand zulassen.

Die Lösung der Problematik Schall- und Brandschutz im Projekt Holzhausen kann sehr gut anhand des Detailplans zum Knoten Geschossdecken/ Wohnungstrennwand nachvollzogen werden. Der Schallschutz wird wesentlich durch eine biegeweich ausgeführte, abgehängte Decke mittels Gipskartonplatten und durch die Beschwerung des Bodens mittels Betonplatten erreicht (besserer Schallschutz im tieffrequenten Bereich). Durch getrennt auf separaten Wandscheiben aufliegende Deckenelemente und der GYS-Vorwandinstallation werden Nebenwege in der Schallübertragung verhindert und zugleich ein optimaler Brandschutz erreicht. Die Ausführung des Treppenhauses in einem nichtbrennbaren Material (Beton) ist Teil des Brandschutzkonzepts. Durch den asymmetrischen Grundriss des Mehrfamilienhauses und infolge der in grossen Mengen verwendeten Materialien lasten auf einzelnen Elementen in den unteren Geschossen enorme Kräfte. Dies verlangte eine hohe Disziplin in Bezug auf die vertikale Lastabtragung.

Die betroffenen Wände wurden deshalb aus massiven, mit Stahl verstärkten Mehrschichtplatten (bis 200 mm dick) gefertigt. Die Holzkonstruktion ist zudem über spezielle Stahlteile am Treppenturm befestigt. Diese ermöglichen den verschiedenartigen Baustoffen eine spannungsarme Ausdehnung. Sämtliche Berechnungen sowie die Ausführungen auf dem Bauplatz wurden durch einen neutralen Fachingenieur genauestens geprüft und ohne Vorbehalte abgenommen. Die Anforderungen an den Erdbebenschutz eines Gebäudes in der Schweiz sind in der Norm geregelt. Die Bemessung berücksichtigt die lokalen Anforderungen des Untergrunds und ist materialunabhängig formuliert.

Was unter Lärm zu verstehen ist, muss nicht zuletzt auf sehr subjektiv empfundene Wahrnehmungen zurückgeführt werden. Die Bewohner beurteilen das Resultat der Schallschutzmassnahmen eher kritisch, sowohl innerhalb des Gebäudes als auch gegenüber dem Lärm von der Strasse. Der Unternehmer hingegen verweist auf Messprotokolle, die die erforderlichen, schweiztypisch eher hohen Werte gemäss den Normen nachweisen. Laut dem Amt für Statistik der Schweiz entstanden im Jahr 2007 rund 10.800 Wohnungen (von total ca. 26.700) in Mehrfamilienhäusern, die in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern liegen. Bezogen auf den gesamten Bestand von rund 227.800 Mehrfamilienhäusern in der Schweiz per 2000 zählen nur 38.100 fünf und mehr Geschosse, hingegen rund 165.000 drei oder vier Geschosse. Auch wenn die Vergangenheit nie zwingend den Weg in die Zukunft weist, dürften in der zugegebenermassen kleinstrukturierten Schweiz aber auf absehbare Zeit immer noch hauptsächlich drei- bis viergeschossige Gebäude in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern gebaut werden – also in Gemeinden, die in vielem Steinhausen gleichen und irgendwo in der Nähe der fünf grossen städtischen Zentren Zürich, Bern, Genf, Basel und Lausanne liegen. Neubauten in Holz mit fünf oder mehr Geschossen hätten vor allem „Leuchtturmcharakter“. Die Zukunft des mehrgeschossigen Holzbaus in der Schweiz liegt in der Unscheinbarkeit des Materials. Holz in der Konstruktion, weder von aussen noch, wie mehrheitlich in den Wohnungen von Holzhausen, von innen sichtbar, wird auf absehbare Zeit so normal werden wie der Backstein. Bloss nachhaltiger.

21. März 2009 Franziska Leeb
zuschnitt

Mehrgeschossiger Holzbau in Österreich

Standpunkt und Ausblick

Politiker aller Couleurs haben das Bauen mit Holz für sich entdeckt. In Krisenzeiten wie diesen argumentiert man gern mit heimischer Wertschöpfung und Nachhaltigkeit. Gute Zeiten also für den Holzbau, könnte man meinen. In der Tat findet sich in den Hochbauprogrammen vieler Städte und Länder der verstärkte Einsatz von Holzbauweisen an vorderster Stelle. Fast jedes Bundesland hat seine Holzbau-Musterprojekte. Die werden dann so gut beworben und publiziert, dass man ob der medialen Omnipräsenz einiger weniger Holzbauten völlig übersieht, wie gering ihr Anteil am Gesamtbauvolumen nach wie vor ist.

Jüngste Gesetzesnovellen und neue Richtlinien sowie Erkenntnisse aus Musterprojekten und Forschungsarbeiten haben eine verbesserte Ausgangsbasis für den mehrgeschossigen Holzbau geschaffen. Dennoch scheinen sich viele Bauträger den Holzbau nur dann auf ihre Fahnen heften zu wollen, wenn entsprechender Druck durch die Politik da ist. Fehlt dieser Anschub, fehlt auch die Motivation, vom Gewohnten abzuweichen.

Unklarheiten, Unsicherheiten, manchmal auch nicht ganz nachvollziehbare Vorgaben in der Gesetzeslage und Schwierigkeiten bei deren Interpretation waren und sind für viele Bauträger ein weiterer Faktor, sich dem mehrgeschossigen Holzbau nur mit Vorbehalten zu nähern. Kommunale Bauherren – hier kommt die politische Verwertbarkeit in Sachen Ökologie, Regionalität und Behaglichkeit zum Tragen – und private Unternehmer haben, wie es scheint, weniger Berührungsängste.

Gerhard Leibetseder vom Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung (IBS) in Linz kann dies bestätigen. Der Brandschutzprofi ortet vor allem im Bereich der öffentlichen Bauaufgaben eine stärker werdende Tendenz zu Holzbauweisen, wobei die aus Sicht der OIB-Richtlinie 2 (Brandschutz) unproblematische Viergeschossigkeit ohnedies selten überschritten wird. Eines der aktuellen großvolumigen Vorhaben ist zum Beispiel das agrarische Schulzentrum in Altmünster, ein dreigeschossiger Vierkanter von den Architekten Fink und Thurnher. Auch im Segment der Tourismusarchitektur ist Holz als Konstruktionsmaterial auf dem Vormarsch. Beim sechsgeschossigen Hotel Ammerwald (Architektur Oskar Leo Kaufmann und Albert Rüf) wurden die oberen drei Geschosse in Holzbauweise errichtet. Die Thematik des vertikalen Flammenüberschlags im Parapetbereich wurde hier unter anderem mit einer vertikalen Brandabschnittskonzeption gelöst.

Irmgard Eder, Leiterin des Dezernats Baulicher Brand-, Wärme- und Schallschutz in der Wiener Magistratsabteilung 37, erwartet sich nach den Erfahrungen aus der Techniknovelle 2001 im Zuge der aktuellen Neuerungen in der Gesetzeslage keinen großen Boom im mehrgeschossigen Holzbau. Die Anzahl der in der Zwischenzeit realisierten Bauten ist „enden wollend“, so Eder. Der Boom blieb also bislang aus und scheint auch nicht vor der Tür zu stehen.

Durch die Techniknovelle 2007 in Verbindung mit der Wiener Bautechnikverordnung, in der u.a. auf die OIB-Richtlinie 2 verwiesen wird, kann von den OIB-Richtlinien abgewichen werden, wenn der Bauwerber nachweist, dass das gleiche Schutzniveau wie bei Anwendung der Richtlinien erreicht wird. Damit können sowohl Behörde als auch Planer flexibler argumentieren, was Wiens oberste Brandschutzbeamtin positiv sieht. In Zukunft werde dadurch die Rolle der Brandschutzkonsulenten aber an Bedeutung gewinnen. Denn sobald ein Gebäude von den Anforderungen der Richtlinie abweicht, muss ein entsprechendes Brandschutzkonzept bzw. der Nachweis der Erfüllung der Schutzziele bei Einhaltung des Schutzniveaus vorgelegt werden.

„Den Brandschutz als einen wichtigen und herzeigbaren Teil des Bauens zu sehen und nicht als lästige Nebensache, die nur kostet“, das wünscht sich Irmgard Eder von Planern und Bauherren. Ihr Verständnis dafür, dass „um ein paar Brandschutztüren diskutiert wird, die Marmorfassade aber nicht in Frage gestellt wird“, hält sich sehr in Grenzen. Was sie sicher nicht akzeptieren will ist, „wenn Planer mit einem leeren Blatt Papier kommen und von der Behörde eine Brandschutzlösung für ein fertig geplantes Projekt erwarten“.

Neben einem Miteinander von Planer und Behörde, das von gegenseitigem Verständnis getragen sein soll, wünscht sie sich auch eine in verstärktem Maße wissenschaftliche Herangehensweise an Fragen der Sicherheit.

Beim Abweichen von beschreibenden Vorgaben der OIB-Richtlinien das äquivalente Erreichen der Schutzziele mittels Gutachten nachzuweisen, sei eine „saubere Lösung“, so Leibetseder. Hier ist es grundsätzlich sinnvoll und zielführend, brandschutztechnische Aspekte bereits im Vorfeld bzw. in der Entwurfsphase auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen. Auch Irmgard Eder fände es oft durchaus sinnvoll, in einem frühen Stadium – zum Beispiel schon im Wettbewerb für Modellprojekte – eingebunden zu werden.

Was auf Planer und Bauherren zukommen kann, sind höhere Kosten. Dies nicht zwangsläufig wegen zum Teil „strengerer“ Vorgaben – unabhängig von der Bauweise –, beispielsweise hinsichtlich höherer Anforderungen an Fluchtwegbreiten in der OIB-Richtlinie 4. Jedenfalls auf Geschäftszuwachs hoffen dürfen Gutachter und Brandschutzkonsulenten, denen nicht nur die neue Gesetzeslage zu Aufträgen verhelfen wird. Wie Gerhard Leibetseder aus Erfahrung berichten kann, gibt es bei manchen Behörden noch Unsicherheiten bei der Auslegung der neuen Richtlinien, was dazu führt, dass auch in an sich vom Gesetz her klaren Fällen Brandschutzkonzepte gefordert werden.

Martin Teibinger von der Holzforschung Austria hat für proHolz Austria mit einem Zuschnitt Attachment zur OIB-Richtlinie 2 die in Österreich gültigen Brandschutzvorschriften zu einem anschaulich illustrierten, kompakten Leitfaden zusammengefasst, der einen guten Überblick über die aktuell gültigen Anforderungen bietet. Viele Unklarheiten können so von vornherein ausgeräumt werden.

21. März 2009 Charles von Büren
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„Hochhäuser“ aus Holz im Wallis

Wer vom Genfersee her kommend der Rotten (Rhône) flussaufwärts bis Brig folgt, gewinnt den Eindruck, der Kanton Wallis sei nicht viel mehr als ein mächtiges, langgezogenes Bergtal. Doch dieser erste Eindruck gibt ein höchst unvollständiges Bild. Das Wallis ist vor allem durch seine Seitentäler geprägt, jedes davon mit individuellem Charakter. Im Unterwallis wird französisch gesprochen, im Oberwallis östlich von Sierre (Siders) deutsch, d.h. Walliserdeutsch, ein sogenannter höchstalemannischer Dialekt. Das vom Kantonshauptort Sion (Sitten) aus über eine Strasse heute gut zugängliche Val d’Hérens (Ering) bildet einen eigenen Bezirk mit neun Gemeinden, die gemessen an der Fläche von 22.118 ha grösste ist Evolène. Die Gemeinde mit ihren zehn Ortschaften zählt 1680 Einwohner, Evolène selbst 760.

Evolène weist allerlei Eigenarten auf. Es ist bezüglich Flächenausdehnung die viertgrösste Gemeinde der Schweiz. Noch um 1500 waren zwei Drittel der Einwohner deutschsprachig und unterhielten enge Beziehungen zu dem im angrenzenden Italien liegenden Aostatal. Auch heute noch sprechen die Einwohner von Evolène untereinander häufig in einem frankoprovenzalischen Dialekt (Arpitan oder Patois), der anderswo als ausgestorben gilt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Tal touristisch erschlossen und 1857 das erste grosse Hotel (Hôtel de la Dent-Blanche) eröffnet. Augenfällig sind die zahlreichen Blockhausbauten, einige davon eigenartig schmal und bis zu fünf Stockwerke hoch.

Sie stehen auf einem Unterbau aus Stein, der den Keller enthält und das Fundament für den Blockbau bildet. Die Schweizerische Gesellschaft für Kulturgüterschutz beschreibt in einer Publikation das ehedem harte Leben in diesem abgelegenen Tal, wo man in alten Zeiten weitgehend von der Alpwirtschaft und der Viehzucht lebte. Handwerk war gerade für den notwendigen Eigenbedarf gefragt.

Der Hausbau war damals ein zum Teil aus der Not geborenes Gemeinschaftswerk. Man half sich gegenseitig beim Transport der Steine für die Keller, beim Fällen der Bäume, beim Zurichten der Rundhölzer und beim Sägen der Balken – eine aufwändige und zeitraubende Angelegenheit. Oft bauten mehrere Gruppen – beispielsweise Gebrüder und Schwäger – gemeinsam. Deshalb hatten Scheune, Stall und auch Wohnhäuser oft zwei oder drei Besitzer. Bei Stadeln und Speichern konnten dies bis zu zehn Parteien sein. Dass ein Gebäude einem einzelnen Besitzer gehörte, war selten. Man wohnte unter einem Dach, doch je Familie in eigenen Wohnungen. Waren die Erbauer und Besitzer im Stockwerkeigentum zunächst verwandt oder verschwägert, konnte es nach einigen Generationen sehr wohl sein, dass die Bewohner nicht mehr familiär verbunden waren.

Die frühen Blockbauten bestanden aus Rundhölzern, später wurden Halblinge verwendet, Balken aus durch den Kern halbierten Baumstämme. Erst ab dem 19. Jahrhundert kamen Kanthölzer zum Einsatz. Das Holz stammte aus dem eigenen Wald oder wurde als Bürgerholz von der Gemeinde zur Verfügung gestellt. Für das Zurechthauen der Balken diente ursprünglich das Zimmermannsbeil (Deixel), später geschah dies von Hand mit der Spaltsäge und erst mit dem Aufkommen der wasserbetriebenen Genossenschaftssägen erfolgte der Zuschnitt des Holzes mechanisch. Getrocknet wurde das Holz in der Nähe der Baustelle im Freien.

Ein spezieller grosser Balken aus Lärche lag für den First bereit. Fundament und Keller, wurden mit Steinen in Trockenbauweise gemauert und kamen „unter Land“ (unter der Erdoberfläche) zu liegen, damit auch im Sommer die richtige Temperatur und Feuchtigkeit für die Lagerung der Essensvorräte herrschte. Erst ab dieser Ebene wurden die Wohngeschosse im Blockbau hochgezogen. Der angebaute Küchenteil bestand als feuersicherer Trakt (Firhüs) ebenfalls aus Stein und zog sich an den mehrgeschossigen, im Stockwerkeigentum genutzten Bauten oft bis unters Dach hoch. Gedeckt waren die Dächer entweder mit Schindeln oder mit Steinplatten. Türen, Fenster und Möbel stellte der Dorfschreiner her. Nicht selten war die vom Wohnhaus separiert errichtete hölzerne Scheune mit einem gemauerten Stall kombiniert.

Was uns heute als pittoreskes Fotosujet gefällt, war ehedem harte Realität und Notwendigkeit der Bergbauern und Viehzüchter in einer damals fast isolierten Talschaft. Mit handwerklichem Geschick und Erfindungskraft, getragen durch die bauliche Tradition und den Willen, in der familiären und nachbarschaftlichen Gemeinschaft zu überleben, wurden so die ersten „Hochhäuser“ aus Holz gebaut.

Doch die Entwicklung schreitet voran: Bis 2010 soll in Evolène ein von Bund und Kanton unterstütztes Zentrum für Glaziologie und Geologie entstehen. Platz finden wird dieses in einem von Architekt François Roche entworfenen Gebäude aus Holz, das formal an ein „Steinmandli“ anknüpft (jede der vier Etagen hat die Form eines Steins), aber auch die Vertikalität der historischen Blockbauten aufnimmt. Ein solches – und zwar das Haus Ribaupierre aus dem Jahr 1543 – befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des „Steinmandlis“ und wird als Ausstellungs- und Beherbergungsgebäude integraler Bestandteil des Projekts sein.

21. März 2009 Carmen Sandhaas
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Was passiert mit meinem Haus, wenn die Erde bebt?

Für den gewöhnlichen Mitteleuropäer sind Erdbeben etwas sehr Entferntes, etwas, worüber man höchstens in den Nachrichten liest. Und doch hat ein gewaltiges Erdbeben die prächtige Stadt Basel im Jahr 1365 in Schutt und Asche gelegt. Nun, das mag im finstersten Mittelalter gewesen sein – doch ein solch zerstörerisches Ereignis kann immer wieder auftreten; ganz abgesehen davon, dass große Teile Südeuropas, insbesondere Italien, Griechenland und die Türkei, Erdbebengebiet sind.

Gebäude, wie zum Beispiel mehrstöckige Holzbauten, müssen folglich auch in Hinblick auf solche außergewöhnlichen Einwirkungen bemessen sein. Wie aber macht man das? Woher bekommt man die Zahlen und Werte, die man braucht, um eine Erdbebenbemessung durchführen zu können? Ganz einfach, man stellt ein Gebäude aus Brettsperrholz auf einen Erdbebentisch und simuliert ein Erdbeben. Genau das wurde vom italienischen Forschungsinstitut ivalsa im Rahmen des Forschungsprojekts sofie (Sistema cOstruttivo FIEmme) getan. 250 m³ Fichtenholz aus PEFC-zertifiziertem Anbau im Trentino wurden nach Deutschland transportiert, dort zu Brettsperrholz verleimt und anschließend nach Japan verschifft. Unter großem Andrang von Experten wurde das siebengeschossige Haus (ein höheres hätte in der Prüfhalle nicht Platz gehabt) auf dem größten Erdbebentisch der Welt unter anderem den Kräften eines der schwersten Erdbeben der letzten Jahrzehnte, nämlich jenen des Erdbebens von Kobe im Jahr 1995, in Originalstärke von 7,2 nach Richter und in 3D ausgesetzt.

Die Wände und Decken des 7,5 mal 13,5 mal 23,5 Meter großen Gebäudes waren vollständig aus Brettsperrholz, verbunden mit Stahlformteilen, Nägeln und selbstbohrenden Holzschrauben. Die großen Abhebekräfte, die durch die hohe und schlanke Geometrie entstanden, wurden durch die hölzernen Wände weitergeleitet, welche mit Zugankern durch die Deckenplatten hindurch gekoppelt waren. Es waren keine vertikalen Stahltrosse von Boden bis Decke nötig, um das Gebäude zusammenzuhalten. Holz kann das ganz alleine. Die hohen Lasten, die durch den typischen Bodenaufbau von Brettsperrholz-Gebäuden entstehen, wurden mit einer Auflast von 30 Tonnen pro Stockwerk simuliert.

Die Ergebnisse der Versuchsreihen waren ausgezeichnet. Selbst nach einer ganzen Serie von gewaltigen Erdbebensimulationen blieb das Gebäude ohne bleibende Verformungen stehen. Einzelne und angesichts dieser außergewöhnlichen Einwirkung leichte Schäden waren reparabel und stellten keine Gefahr für das Gebäude und dessen fiktive Bewohner dar. Die hohen Kräfte, die durch den Erdbebentisch eingeleitet wurden, führten nicht einmal annäherungsweise zum Einsturz.

Die Konstruktion eines so großen Erdbebentisches von 15 mal 20 Metern ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Der Tisch des National Institute for Earth Science and Disaster Prevention (NIED) in Miki bei Kobe wird von jeweils fünf Zylindern in x- und y-Richtung bewegt – und das mit einer maximalen Beschleunigung von 9 m/s2 bis zu 100 cm weit. Vertikal sind 14 Zylinder nötig, um den Tisch mit einer Geschwindigkeit von 0,7 m/s um bis zu 70 cm anzuheben. Die Zylinder haben mit einem Durchmesser von 1,8 Metern enorme Ausmaße.

Ein eigenes Gebäude wurde für die hydraulischen Maschinen gebaut. Dank dieses ganzen Aufwands können jedoch echte 3D-Belastungen und auch Kipp- und Drehbewegungen auf die zu prüfende Struktur aufgebracht werden. Insgesamt kann dieser E-Defense genannte Tisch Auflasten von bis zu 1200 Tonnen bewegen – das ist übrigens auch der Grund, warum bisher noch kein siebenstöckiges Gebäude aus Beton oder Stahl auf dem Erdbebentisch geprüft wurde: So ein Gebäude wäre schlicht und ergreifend zu schwer.

Bauwerk