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TEC21 2009|09
Futterneid
TEC21 2009|09
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Kopfschütteln über Honorare

Im Off ertwesen von Bauingenieurleistungen ist bekanntlich nichts unmöglich. Es kommt immer wieder zu unglaublichen Ereignissen, die neben aller Tragik einen gewissen Unterhaltungswert aufweisen. Drei Geschichten von der Honorarfront zeigen die grosse Bandbreite in der Kultur des Offertwesens.

27. Februar 2009 - Joseph Schwartz
In den letzten Jahren hat das Bauingenieurbüro Dr. Schwartz Consulting AG in Zug wertvolle Erfahrungen mit Vergaben von Aufträgen sammeln können, die aus gewonnenen Wettbewerben hervorgegangen sind. Im Folgenden wird anhand von drei Geschichten gezeigt, in welchem Spektrum sich die sogenannte Kultur des Offertwesens von Bauingenieurleistungen heute bewegt. Entsprechende Ereignisse sollten allen Bauingenieuren zu denken geben und ihnen in Erinnerung rufen, dass sie als akademisch ausgebildete Berufsleute darum besorgt sein sollten, sich nicht in groteske Praktiken hineinziehen zu lassen. Solche Praktiken drohen den Ruf des verantwortungsvollen und interessanten Berufes gänzlich zu ruinieren.

Geschichte 1: Lockere Irrfahrt über Leichen

Vor drei Jahren lud eine grosse schweizerische Aktiengesellschaft zu einem nicht anonymen Studienauftrag ein. Es ging um die Projektierung dreier grosser Geschäfts- und Wohnhäuser mit Investitionskosten in dreistelliger Millionenhöhe. Die hoch qualifizierten Architekturbüros waren angehalten, Teams mit Partnern aus dem Bauingenieurwesen, der Gebäudetechnik, der Landschaftsarchitektur und der Bauökonomie zusammenzustellen. Diese Forderung war gemäss Wettbewerbsprogramm «explizit zu sehen im Hinblick auf die komplexe Bauaufgabe, die Honorarofferte und die folgenden Planungs phasen, die als Generalplanerleistungen erfolgen sollen». Die Ausloberin beabsichtigte, «das ausgewählte Planungsteam als Generalplaner mit der Projektweiterbearbeitung zu beauftragen. Bei Drittinvestition, d.h. bei einem Verkauf des baureifen Grundstücks, ist die Generalplanerverpflichtung an Dritte weiterzugeben. » Eindeutigere Bestimmungen haben wir nie in einem Wettbewerbsprogramm angetroffen – so weit das Erfreuliche.

Dr. Schwartz Consulting beteiligte sich im Planerteam, das den Wettbewerb gewann. Es folgte ein Überarbeitungsauftrag, bei dessen Durchführung sich die Qualität des gesamten Teams bestätigte. Anschliessend führte die Bauherrschaft einen Investorenwettbewerb durch und verkaufte das Grundstück. Die Übertragung der Generalplanerverpflichtung wurde dabei im Kaufvertrag mit einer Konventionalstrafe in Höhe von einer Million gesichert. Der anlässlich des Studienauftrags abgegebene Honorarvorschlag des Generalplanerteams war Bestandteil des Kaufvertrages. Die neuen Investoren weigerten sich dennoch, einen Generalplanervertrag mit dem Planungsteam abzuschliessen. Sie sahen sich ihrer Verpflichtung mit dem Zustandekommen von Einzelplanerverträgen nachgekommen. Die im Vorschlag enthaltenen Einzelhonorare wurden nicht wie vorgesehen als Verhandlungsbasis angenommen. So erhielten die Landschaftsarchitekten einen Auftrag zu wesentlich schlechteren Bedingungen, und die Bauökonomen mussten ausscheiden. Für den Bauingenieurauftrag wurden Drittofferten eingeholt und die Arbeiten an ein drittes Ingenieurbüro für weniger als die Hälfte des anfänglich offerierten Honorars vergeben. Ernsthafte Verhandlungen mit ursprünglichen Mitgliedern des Planerteams wurden nicht geführt. Daraufhin hat Dr. Schwartz Consulting den Rechtsweg auf zivilrechtlicher Basis beschritten. Sie warten bis heute auf eine schriftliche Mitteilung, der Auftrag sei anderweitig vergeben worden.

Geschichte 2: Kompetenz, Qualität und Vertrauen

Vor zwei Jahren führte eine grosse Aktiengesellschaft einen anonymen Architekturwettbewerb auf Einladung durch. Er weist augenscheinlich gewisse Parallelen mit dem Fall der Geschichte 1 auf: Es ging um die Projektierung eines komplexen Industriegebäudes mit gesamten Investitionskosten in dreistelliger Millionenhöhe. Auch dieses Mal waren die eingeladenen hoch qualifizierten Architekturbüros angehalten, mit Fachplanern aus dem Bauingenieurwesen, der Gebäudetechnik und der Bauökonomie zusammenzuarbeiten. Im Gegensatz zur Geschichte 1 wurde den Fachplanern aber explizit die Erteilung eines Auftrags im Falle eines Wettbewerbserfolgs nicht garantiert, eine Angebotslegung aber zugesichert.

Auch dieses Mal beteiligte sich Dr. Schwartz Consulting im Planerteam, das den Wettbewerb für sich entscheiden konnte. Dem Wettbewerbsprogramm entsprechend wurden anschliessend die Architekten mit der Weiterbearbeitung beauftragt, und die Fachplanerleistungen auf Einladung ausgeschrieben, wobei sich auch die Bauingenieure des Siegerprojektes fairerweise mitbewerben durften.

Bei der Analyse der Bewerbungen zeigte sich, dass diese die höchste Offerte abgegeben hatten. Daraufhin führte die qualitäts- und kostenbewusste Bauherrschaft ein seriöses und aufwendiges Evaluationsverfahren durch, aus dem Letztere trotz der höchsten Honorarofferte als Erst platzierte hervorgingen.

Die Bauherrschaft hat sich entschieden, die Projektierung und die Ausführung des Bauwerks ohne Mitwirkung eines General- beziehungsweise Totalunternehmers durchzuführen. Die Projektierungsarbeiten laufen seit rund einem halben Jahr auf fachlich hohem Niveau, wobei im Fokus aller Bestrebungen hohe Bauwerksqualität bei optimierten Kosten steht. Der Projektierungsaufwand ist entsprechend gross, und die anspruchsvolle Herausforderung ist ausserordentlich spannend.

Es erstaunt bei dieser Ausgangslage nicht, dass eine vorbildliche Vertrauensbasis zwischen den Projektierenden und der Bauherrschaft aufgebaut werden konnte, wobei alle Projektierenden ihre Aufgabe als Treuhänder der Bauherrschaft gegenüber sehr ernst nehmen

Geschichte 3: Bon Séjour in Monséjour

In Küssnacht am Rigi soll anstelle des heutigen Parkplatzes in Seenähe eine zweigeschossige unterirdische Parkierungsanlage geplant werden. Zur Lösung dieser anspruchsvollen Aufgabe hat die Bauherrschaft einen zweistufigen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren für Teams bestehend aus Architekten, Bauingenieuren und Landschaftsarchitekten ausgeschrieben. Die Verschmelzung von ingenieurtechnischer Innovation, funktionalen Verkehrsabläufen und einer zweckmässigen Oberflächengestaltung im städtebaulichen Kontext forderte ein hohes Mass an interdisziplinärer Zusammenarbeit. Es meldeten sich insgesamt 22 Teams an, von denen sechs zum Wettbewerb zugelassen wurden. Die Bauherrschaft beabsichtigte, das erfolgreiche Siegerteam mit der Weiterbearbeitung zu beauftragen.

Die Honorare waren nicht im Verfasser-Couvert, sondern als Bestandteil des Wettbewerbs abzugeben. Gemäss Wettbewerbsprogramm konnte als maximaler Höchstwert von den jeweils gültigen KBOB-Tarifen ausgegangen werden.

Auch in diesem Fall ging das Planerteam, in dem Dr. Schwartz Consulting mitwirkte, als Sieger aus dem Wettbewerb hervor. Der Jurybericht mit den Honorarvorschlägen der Planungsteams ist öffentlich zugänglich1. In der Tabelle (Bild 2) sind die geschätzten Baukosten sowie die Honorarangaben der sechs Planungsteams aufgeführt. Bei den geschätzten Baukosten liegt der tiefste Wert bei rund 67 % des höchsten. Die geforderte Genauigkeit betrug /– 30 %, so dass diese Zahlen als im Rahmen des Möglichen gewertet werden können – auch wenn sich der Verdacht eines gewissen Zweckoptimismus nicht vollständig unterdrücken lässt. Anders sieht es bei den Honoraren aus: Es handelt sich um das altbekannte Bild, das bei Aussenstehenden nichts anderes als Kopfschütteln auszulösen vermag: Die Tabelle dokumentiert exemplarisch das Verhalten der Projektierenden. Sie soll nicht als Wertung des Verhaltens der einzelnen Büros gelten, handelt es sich doch um ein aus unzähligen ähnlichen Situationen herausgegriffenes Einzelbeispiel.

Verantwortung tragen

Wir Ingenieure haben als Akademiker eine grosse Verantwortung zu tragen: nicht nur in fachlicher, sondern auch in ethischer und in kultureller Hinsicht. Wir sind keine reinen Unternehmer, sondern Dienstleistende und Treuhänder der Bauherrschaft. Worte und Versprechen allein genügen nicht. Wir sind gefordert, unseren Pflichten als Akademiker nachzukommen und uns ernsthaft um Qualität, Fairness und Kultur zu bemühen.

Anmerkungen / Literatur:
[1] www.kuessnacht.ch/dl.php/de/48f82cd1ab8f2/Jurybericht.pdf

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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