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TEC21 2009|23
Baden gehen
TEC21 2009|23
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Durchleuchteter Darm

Die Aufwertung des Schlossbergplatzes in Baden hat ihm die Funktion als Schnittstelle zwischen Alt- und Neustadt zurückgegeben, die er im 19. Jahrhundert bildete. Mit dem Einbezug der im Volksmund als «Blinddarm» bezeichneten Gleis- bzw. Tunnelunterführung ist die Verbindung zwischen Innenstadt und Gstühlareal / Martinsbergquartier zu einer attraktiven Passage geworden.

5. Juni 2009 - Jarl Olesen
2002 / 2003 wurde für die Neugestaltung der Oberen Altstadt Baden ein öffentlicher Projektwettbewerb durchgeführt. Ziel war die Aufwertung der öffentlichen Räume der Altstadt. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Altstadt nicht an Attraktivität verliert im Hinblick auf die grossen Investitionen und Aufwertungsmassnahmen, die im Bahnhofgebiet und in Baden Nord getätigt worden waren. Der Wettbewerbsperimeter enthielt auch den Schlossbergplatz, der vor dem Stadtturm liegt und die Schnittstelle zwischen Altstadt und Neustadt des 19. Jahrhunderts bildet. Den Wettbewerb konnte das Planerteam unter Federführung von Mosersidler AG für Lichtplanung aus Zürich für sich entscheiden.

Der Vorschlag sah vor, die teilweise bereits bestehende Pfl ästerung auf die ganze Obere Altstadt auszuweiten und sämtliche Trottoirs aufzuheben. Nur in der Weiten Gasse, der räumlichen Hauptgasse der Altstadt, war als Intarsie ein Band mit grossformatigen Betonplatten als Bodenbelag vorgesehen. Für den Schlossbergplatz schlug das Planerteam eine Ausweitung des Platzbereichs vor dem Warenhaus Manor vor, wobei auch hier die Trottoirs aufgehoben, als Belag jedoch der Asphaltbelag der angrenzenden Strassenzüge übernommen werden sollte.

Die Umsetzung war etappenweise vorgesehen. Als erste Etappe sollten die (Neben-)Gassen, als zweite Etappe die Weite Gasse und als dritte Etappe der Kirchplatz umgestaltet werden. Als letzte Etappe war die Neugestaltung des Schlossbergplatzes vorgesehen, da dieser Projektteil sich nur zusammen mit einem privaten Grundeigentümer realisieren lassen würde und dazu umfangreiche Abklärungen und Verhandlungen durchgeführt werden mussten.

Die erste Etappe wurde 2005 fertiggestellt. Bevor die zweite Etappe ausgelöst wurde, mussten die Prioritäten für die weitere Abfolge der Bauarbeiten neu festgelegt und die Entwicklung westlich des Bahnhofs Baden berücksichtigt werden (siehe Kasten S. 13).

Schlossbergplatz

Im Jahr 2006 zeichnete sich ein Eigentümerwechsel am Schlossbergplatz ab. Der neue Eigentümer nahm mit der Stadt Kontakt auf und signalisierte, dass er Interesse an einer Umsetzung des Wettbewerbsresultats für den Schlossbergplatz hat. Im Hinblick auf die rasante Entwicklung im Westen und Süden des Bahnhofs entschied sich die Stadt, die Prioritäten bei der Umsetzung der Neugestaltung der Oberen Altstadt neu festzulegen und als zweite Etappe die Neugestaltung des Schlossbergplatzes an die Hand zu nehmen. Dieser bildet nicht nur die erwähnte Schnittstelle zwischen Alt- und Neustadt, sondern über die Unterführung «Blinddarm» auch zwischen Innenstadt und Gstühlareal / Martinsbergquartier. Wie der Volksmund suggeriert, wurde diese Unterführung eher als Sackgasse denn als Verbindungsachse erlebt. Im Rahmen der Projekterarbeitung wurde der Perimeter denn auch um diesen «Blinddarm» erweitert. Der Architekt im Planerteam entwickelte die Idee, mit dem Einbau von Läden den «Blinddarm» aufzuwerten und zu einer Passage umzugestalten. Dies wurde möglich, da die Stadt im Rahmen der Neugestaltung der Oberen Altstadt das Verkehrskonzept für die Innenstadt überarbeitet hatte. Dabei wird der Schlossbergplatz für den motorisierten Individualverkehr gesperrt, was zur Folge hat, dass der ehemalige «Blinddarm» nur noch dem Langsamverkehr zur Verfügung steht. Zusammen mit dem privaten Grundeigentümer konnten ein Modell für die Aufteilung der Investitionskosten gefunden und langjährige Mietverträge abgeschlossen werden. Das Projekt für die Neugestaltung des Schlossbergplatzes kann als gelungenes Beispiel für das Zusammenwirken von privater und öffentlicher Initiative betrachtet werden.

Kehrseite

Von der erfolgreichen Entwicklung der bahnhofnahen Gebiete hat die Stadt stark profi tiert. Dennoch gibt es auch eine Kehrseite. Die ehemals brachliegenden, unternutzten, aber zentrumsnah gelegenen Gebiete boten günstigen Wohnraum und Nischen für kulturelle Aktivitäten. Bedingt durch die höhere Wertschöpfung werden diese Nutzungen im Zentrum verdrängt. Waren bahnhofnahe Areale früher durch die auftretenden Emissionen nichtpriviliegierte Wohnlagen mit entsprechend niedrigen Wohnkosten, so gibt es jetzt in Baden rund um den Bahnhof keinen oder nur vereinzelt günstigen Wohnraum. Inwieweit die Stadt bei dieser Entwicklung aktiv eingreifen und steuern soll, ist eine politische Frage, die zurzeit intensiv diskutiert wird.

Ausblick

Mit der Aufwertung der Gleisunterführung «Blinddarm» zu einer Passage für Fussgänger und Velofahrer wird die nächste Schwachstelle für den Langsamverkehr umso klarer: die Personenunterführung Gstühl. Diese unterquert die Bruggerstrasse als enger, dunkler Tunnel und erschliesst das Martinsbergquartier. Der Einwohnerrat bewilligte daher Ende 2008 einen Projektierungskredit für die Aufwertung dieser Verbindung.

Als nächster Schritt sollte auch das Projekt für die Neugestaltung der Weiten Gasse wieder aufgenommen werden. Somit könnte für die Bewohner und Besucher der Stadt eine attraktive Fussgängerachse vom Bahnhof über den Schlossbergplatz bis in die Altstadt aufgespannt werden.

[ Jarl Olesen, dipl. Architekt ETH/SIA, Leiter Abteilung Planung und Bau, Stadt Baden ]

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Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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