Zeitschrift

TEC21 2009|29-30
Baumwerke
TEC21 2009|29-30
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Jean Perréal malte 1516 die Miniatur «La complainte de Nature à l’alchimiste errant»1 zur Illustration eines eigenen Gedichtes – interessant ist dabei ein besonderer «Stuhl»: Die Äste eines im Boden verwurzelten, anscheinend noch lebendigen Baumes sind so verformt und miteinander verwachsen, dass der Baum zu einem Möbel wird. Ob Perréal damals wirklich einen ähnlich verwachsenen Baum gesehen hat oder ob es eine Fantasie nach einer Erzählung war – heute gilt dieses Bild als ältester «Beweis» für Baumskulpturen. Später beschäftigten sich unter anderem James Hall und Arthur Wiechula mit dem Bauen aus lebendigen Pflanzen. Am bekanntesten wurden die Werke von Axel Erlandson, der 1947 sogar einen «Tree Circus»2 in Santa Cruz, Kalifornien, eröffnete und die von ihm verformten Bäume ausstellte (vgl. «Natur formen»).

Heute wird diese Disziplin in Amerika «Arborsculpturing» genannt, an der Universität Stuttgart hat sich der Begriff «Baubotanik» etabliert. Am dortigen Institut «Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen» entwickeln die Mitarbeiter der Forschungsgruppe Baubotanik Mischobjekte, deren Tragkonstruktion aus lebendigen Pflanzen besteht, die nach und nach eingefügte Elemente wie Stege, Dächer und Plattformen umwachsen und diese mit der Zeit selbstständig tragen. Je nach Verbindungsmethode verwachsen sie schon nach einigen Monaten miteinander oder überwallen fremde Objekte innerhalb einiger Jahre. Die Baubotaniker erforschen besonders die konstruktiven und die botanischen Aspekte, um Werte zu finden, die die zunehmende Tragfähigkeit des lebendigen Baumaterials berechenbarer machen (siehe «Verwachsende Konstruktionen»). In eine ganz andere Richtung gehen die Forschungen am Institut für Stahl- und Holzbau der TU Dresden: Hier wird untersucht, wie Holztragwerke materialsparender und gleichzeitig tragfähiger gebaut werden können. Nach Versuchen zur Verdichtung von Holz und zur Textilbewehrung konnten nun Formholzrohre produziert werden, die mit ihren Eigenschaften – kein Quellen, kaum Schwund, sehr stabil und vielseitig einsetzbar – überzeugen.

Beide Forschungsgruppen haben mit ihrer Arbeit kein völlig neues Feld eröffnet. So wie es die Baubotanik unter anderem Namen gab, so ist die Verdichtung von Holz unter Wärme und Feuchtigkeit bekannt. Aber die Weiterentwicklung beider Techniken, die Kombination mit anderen Werkstoffen und die Forschung nach sinnvollen Anwendungen macht sie zu interessanten und auch bereits prämierten Beiträgen.
Katinka Corts

05 WETTBEWERBE
Bernoulli-Platz in Basel

10 MAGAZIN
Bären und Wölfe in Arth-Goldau | 7. Branchenseminar Holz | Leserbrief: Fliessende Schnittstellen | Bücher

16 NATUR FORMEN
Hannes Schwertfeger
Lebende Pflanzen zu weiterwachsenden Gebilden und Bauten zu formen, ist eine ganz spezielle Form des Holzbaus. Ein geschichtlicher Exkurs.

19 VERWACHSENDE KONSTRUKTIONEN
Ferdinand Ludwig, Oliver Storz
An der Universität Stuttgart erforschen Baubotaniker Mischkonstruktionen mit technischen und pflanzlichen Elementen.

23 GEBAUTE BÄUME
Charles von Büren
An der TU Dresden wird nach neuen und effizienten Halbfertigprodukten für das Bauen mit Holz geforscht.

27 SIA
4. Direktionssitzung 2009 | Philosophiewechsel: Norm SIA 500 | Drehscheibe für Baukultur

31 PRODUKTE

37 IMPRESSUM

38 VERANSTALTUNGEN

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Weiterführende Links:
Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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