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TEC21 2009|51-52
Kirchenpflege
TEC21 2009|51-52
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Kalte Kirchen bleiben schön

Eine Analyse von Schadenursachen und deren Beseitigung gehört zur Arbeit eines Restaurators. Die am häufigsten angetroffene Ursache für Schäden in Kirchen sind Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen, die mit dem Heizen entstehen. Ungeheizte Kirchen dagegen brauchen erstaunlich lange keinen Restaurator.

18. Dezember 2009 - Ivano Rampa
Das Konservieren historischer Substanz in Kirchen und anderen Denkmalobjekten kann den Alterungsprozess zwar nicht stoppen, aber als Restaurator versucht man täglich, ihn so stark wie möglich zu verlangsamen. Bei den Ursachen für Schäden steht das Beheizen von Kirchen und die damit zusammenhängende Klimaänderung im Gebäude an erster Stelle. Vier Beispiele aus drei Kirchen sollen aufzeigen, welch gravierende Konsequenzen das Heizen für die Substanz haben kann. In drei Fällen können die Schäden direkt auf die Heizung zurückgeführt werden. Im vierten Beispiel stammen sie von der nachträglichen Isolation der Kirche, einer Massnahme, die häufig im Zusammenhang mit dem Einbau oder der Erneuerung einer Heizung getroffen wird. Die vier Beispiele bilden lediglich eine Auswahl aus der Problematik des Innenraumklimas in Kirchen. Bei den meisten Schadenfällen spielen mehrere Faktoren zusammen. Es ist oft schwierig, ein Raumklima – Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit – zu erreichen, das den unterschiedlichen vorhandenen Materialien und Malschichten gerecht wird. Denn gefasstes Holz, bemalter Stein, Metalle, Verputz, Textilien und Papier haben unterschiedliche ideale Klimawerte.

Kirche Bergün: Schäden an bemalter Decke

Die um 1500 bemalte spätgotische Decke in der Kirche Bergün (GR) besteht aus Längsbrettern und Längsbalken. Das Holz wurde mit einer weissen Kreidemischung grundiert und mit bunten Ornamenten bemalt. Die Kartierung der Schäden – abgefallene Malschichtstellen, sich abhebende Malschichtschollen und dachförmig abgelöste Malschichtpartien – zeigte gegen den Chor hin zwei Bereiche mit besonders vielen Schadstellen. Erst eine Klimamessung und thermografische Aufnahmen zeigten, dass sie eine Auswirkung der Fensterbankheizung waren. Die extrem warme Luft stieg rasch in die Höhe, wurde von der trichterförmigen Fensterlaibung gesammelt und traf dort, wo die meisten Schäden festgestellt wurden, direkt auf die bemalte Holzdecke. Die warme Luft trocknet das Holz aus, dieses zieht sich zusammen, in der Malschicht entsteht eine Oberflächenspannung, und sie löst sich vom Träger. Bei starker Spannung entstehen irreversible Fehlstellen.

Sogn Pieder, Domat Ems: Holzwurm, beschädigte Wandmalerei

In der kleinen Kapelle Sogn Pieder in Domat Ems (GR) wurden nach der letzten Restaurierung 1980 entlang den Wänden drei bewegliche elektrische Heizradiatoren platziert. Mit ihnen sollte der Raum vor dem Gottesdienst kurzzeitig aufgeheizt werden. Mit den Jahren verlängerte sich die Aufwärmphase auf mehrere Tage. Die warme Luft stieg über den Radiatoren sehr rasch, an den kalten Wänden bildetet sich Kondenswasser, und die Verschmutzung aus Russ und Staub konnte sich leicht an der Oberfläche ansetzen. Im Sockelbereich in der Nähe der Heizkörper löste das Kondenswasser Salze im Verputz, die an der Oberfläche kristallisierten und die Malschicht abstiessen. Auch die 1980 mit einem hohen Anteil an Bindemittel ausgeführten Retuschen wurden von der warmen Luft negativ beeinflusst: Die sich entwickelnde Oberflächenspannung liess die Malschicht reissen, es entstanden abstehende Schollen und bei den grössten Spannungen sogar Fehlstellen. Als zusätzliche Massnahme wurde 1980 im Dachraum über der bemalten historischen Holzdecke von 1698 ein geschlossener Fichtenholzboden eingebaut. Dieser isolierte zusammen mit einer neuen Dacheindeckung den Dachraum, der bis dahin immer offen gewesen war. Im neu entstandenen Zwischenraum war die Luftzirkulation praktisch abgestellt – es entstand ein warm-feuchtes Mikroklima, in dem sich der Holzwurm (Anobium Puctatum) stark verbreitete und die bemalte Holzdecke sowie die Tragkonstruktion befiel (Abb. 7).

San Antonio im Puschlav

In der Kirche von San Antonio im Puschlav wurde nach der letzten Innenrestaurierung die Empfehlung ignoriert, den Raum mässig zu temperieren. Die Kirche wurde durchgehend fast auf Zimmertemperatur aufgeheizt. Schon nach dem ersten Winter kam es zu Schimmelbefall an den Ecken oberhalb des Kranzgesimses, und die Leinwände waren mit Kondenswasser belegt und hatten ihre Spannung verloren. Trotz mehrmaligen Mahnungen wurde weiterhin geheizt und sogar ein Luftentfeuchter installiert; die Ursache der Verschmutzung wurde anderswo vermutet. Nach nur zwölf Jahren ist das gesamte Innere der Kirche dunkel verschmutzt. Unter den Bänken in der Nähe der Heizkörper bildet sich eine starke schwarze Schmutzschicht, sie wird durch häufiges Reinigen entfernt. Doch an den Wänden und Gewölben ist dies nicht so einfach möglich, weshalb sich nun die Bauherrschaft eine erneute Innenreinigung der Flächen wünscht. Sie ist aber nicht sinnvoll, solange die Ursache der Verschmutzung nicht beseitigt wird. Es gilt, ein Schadenphänomen durch die Beseitigung oder Verminderung der Ursache zu beheben und nicht einem ewigen Reparieren nachzugehen – obwohl dies, rein kommerziell gesehen, für einen Restaurator lukrativ wäre. Doch die fachgerechte Konservierung des Objekts sollte an oberster Stelle stehen – auch vor dem angenehmen, warmen Empfinden der Kirchenbesucher.

Dass es auch anders geht, zeigen Kirchen, wo die Heizung zugunsten der langfristigen Erhaltung der Bauten und Kunstwerke stark reduziert oder sogar ganz entfernt werden kann. In der 1732 gebauten Kirche S. Anna in Poschiavo restaurieren wir gegenwärtig Schäden, die von statischen Problemen stammen, Verschmutzungen aber gibt es hier praktisch keine, obwohl die letzte Renovation 1879 stattfand! Hier wurde nie eine Heizung eingebaut, und es wird auch jetzt keine installiert. Die Kirche dient als Andachtskapelle und präsentiert sich fast in ihrer ursprünglichen Farbigkeit.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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