Zeitschrift

TEC21 2010|08
Munkegårdsskolen
TEC21 2010|08
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Behutsam am Rohbau

Die Mauern des Schulhauses Munkegårdsskolen nahe Kopenhagen sind rissanfällig, und die tragenden Bauteile weisen teilweise geringe Materialfestigkeiten auf. Da die Anlage unter Denkmalschutz steht, durfte für die Erweiterung die bestehende Bausubstanz nicht verändert werden. Und damit die denkmalgeschützten Bauten nicht beschädigt wurden, mussten die Bauingenieure von Grontmij Carl Bro bei den tragwerkspezifischen Eingriffen behutsam vorgehen.

Die bestehende Schulanlage Munkegårdsskolen in Gentofte nahe Kopenhagen in Dänemark wurde 1949 vom Architekten Arne Jacobsen projektiert, 1952–1956 gebaut und steht seit 1995 unter Denkmalschutz. Die Räumlichkeiten der öffentlichen Schule entsprachen nicht mehr den heutigen Bedürfnissen und Anforderungen, weshalb man bei der Denkmalschutzbehörde eine Erweiterung der Schule beantragte. Der Antrag wurde unter der Vorraussetzung, dass das neue Gebäude unter Terrain versteckt würde und nur wenig im bestehenden Schulhof sichtbar sei, zugelassen.

Widrige umstände und anfälliger Bestand

Das neue, etwa 1600 m² grosse Geschoss ist über 100 m lang und an allen vier Seiten von den bestehenden denkmalgeschützten Schulgebäuden umgeben. Gemauerte Schulpavillons, ein Fahrradschuppen und eine Turnhalle umschliessen die neue Erweiterung, deren Fundamente etwa 5.25 m tiefer liegen als die Terrainkote des ursprünglichen Schulhofes (vgl. S. 16 ff.).

Um das Projekt ausführen zu können, musste eine Baugrube bis zu einer Tiefe von ungefähr 5.60 m ab bestehendem Terrain ausgebaggert werden. Dabei stellten die historische Bausubstanz und die baugrundspezifischen Verhältnisse die Fachplaner vor Schwierigkeiten. Einerseits waren die Schulhauswände anfällig für Beschädigung – ein Teil des Mauerwerks war inzwischen bereits mit Rissen durchsetzt, weshalb auch Renovationsarbeiten an den bestehenden Gebäuden vorgenommen werden mussten. Um den Ist-Zustand vor dem Baugrubenaushub zu erfassen, mussten die Planer das Mauerwerk auf Risse und andere Schäden untersuchen und das Bild entsprechend protokollieren. Ausserdem waren die betonierten Streifenfundamente, in den Nachkriegsjahren erstellt, ohne Armierung ausgeführt worden. Der Massenbeton war ungenügend verdichtet worden und wies eine tiefe Festigkeit auf. Infolge der unzureichenden Qualität waren bei den Fundamenten viele Risse sichtbar. Sie mussten darum während der Bauarbeiten für die Erweiterung mit Ab- und Unterstützungsmassnahmen sowie Unterfangungen temporär gesichert werden.

Andererseits waren die Verhältnisse des Baugrunds ungünstig: Der sehr fette, etwa zu zwei Drittel aus Tonmineralien bestehende, tertiäre Tonboden mit Wasserzustrom durch eingeschlossene Hohlräume erschwerte die Bautätigkeit. Trotz der temporären und partiell angeordneten inneren Wasserhaltung mittels Wellpoint-Verfahren war die Baugrubensohle nass und aufgeweicht. In Kombination mit den beschränkten Platzverhältnissen stellten diese Umstände grosse Anforderungen an die Bauleitung und die Logistik.

Neues soll altes nicht Beschädigen

Die Baugrube wurde auf allen Seiten mit einfach rückverankerten Rühlwänden gesichert. Die vertikalen Stahlträger wurden erschütterungsarm in vorgebohrte Löcher eingestellt, wobei die untersten Trägerabschnitte in Beton eingegossen wurden. Die Anker wurden zentrisch durch die Rühlwandträger versetzt, um Verdrehungen der Stahlträger infolge Exzentrizität zu verhindern (Abb. 1 und 2). Die Ausfachung aus Holzbohlen oder Stahlplatten zwischen den abgeteuften Rühlwandträgern wurde mit fortschreitendem Aushub eingebaut. Dieser erfolgte in zwei Etappen, wobei die Ausfachung jeweils nachgezogen wurde, bis die Bodensohlkote erreicht war. Die Erdanker wurden nach der ersten Etappe ab einer Baugrubentiefe von etwa 2.0 m versetzt. Sie minimieren bei dieser «weichen» Baugrubensicherung die Setzungen und verhindern eine Beschädigung der geschützten Bausubstanz.

Untergrabene Fundamente abfangen

Das neue Untergeschoss wird mit neun Treppen und zwei Liften erschlossen. Ein Lift und ein Treppenlauf bringen die Benutzer hinauf in den Schulhof. Die restlichen Erschliessungszonen ermöglichen die direkte Verbindung in die alten Schulpavillons. Da sie unter den bestehenden Streifenfundamenten hindurch auf die Ergeschossebene geführt sind, waren während des Baus temporäre Konstruktionsmassnahmen erforderlich, die das darüber stehende Gebäude schadlos abfingen (Abb. 3).

Für die Abfangkonstruktionen wurden Mikropfähle eingerammt. Die dadurch entstehenden Erschütterungen waren so klein, dass sie keine Schäden an der bestehenden Bausubstanz verursachten. Stahlträger, die auf den Mikropfählen und im Erdreich unter den Pavillons gelagert waren, wurden sektionsweise und abgestimmt auf den Kräfteverlauf eingebaut und trugen auf einer Höhe von 4.5 m die nicht armierten Streifenfundamente. Einzelne Felder wurden kreuzweise mit vor Ort angeschweissten Stahlträgern ausgesteift.

Erweiterung als Teilvorfabrizierter Neubau

Nach Ausführung der Baugrube, der Abfangkonstruktionen und der Treppenverbindungen konnte der aus ingenieurspezifischer Sicht eher traditionelle Teil des Bauwerks ausgeführt werden. Die Aussenwände aus Beton wurden mehrheitlich einschalig erstellt, wobei die Rühlwände als verlorene Schalung verwendet wurden. Der Hohlraum zwischen den Oberkanten der neuen Wände und den Unterkanten der alten Fundamente wurde mit einer 50 mm dicken Zementmörtelschicht ausgegossen. Auf dieser Ausgleichsschicht liegen die alten Schulhausmauern satt auf, womit Setzungen vorgebeugt wird.

Die Decke über dem neuen Geschoss ist mit Stahlträgern konstruiert. Die Primärträger aus HEM- und HEB-Walzprofilen sind über 15 m gespannt und nur jeweils auf zwei Beton-Aussenmauern gelagert (Abb. 7). Dadurch entstanden grosszügige, stützenfreie Flächen. Die sekundären Blechträger, die in der Regel im Abstand von 2.5 bis 3.5 m zwischen den Primärträgern eingespannt sind, tragen die Filigranplatten (Abb. 6). Diese vorgefertigten Halbfertigteile mit eingebauter Armierung und der monolithische, vor Ort aufgebrachte Überbeton wirken statisch im Verbund und tragen den Dachaufbau mit dem druckfesten Dämmmaterial, den Dichtungsbahnen und der Erdaufschüttung bis zur fertigen Kote des Schulhofes (Abb. 9). Dieser wurde in seiner ehemaligen Form und Gestaltung wiederhergestellt.

Durch vier gläserne Atrien fällt Licht ins Untergeschoss (Abb. 5 und 8). Die schräg gestellten, gelenkig gelagerten Stahlstützen, mit nur geringer aussteifender Funktion, tragen bei diesen Lichtöffnungen hauptsächlich Vertikallasten ab. Die Abtragung der horizontalen Kräfte erfolgt über die als Scheibe wirkende Decke hin zu den Betonaussenwänden und von dort weiter als Querkräfte hinunter in die Fundamente und damit in das Erdreich.

Von aussen nicht sichtbar

Die Projektierung dieser Erweiterung der Munkegårdsskolen war ein spannender Prozess. Die Planer mussten in diesem besonderen Fall spezielle Anliegen der Architektur, des Ingenieurwesens und der Denkmalpflege miteinander vereinen. Im Rohbau waren die teilweise unvorhergesehenen Probleme eine Herausforderung für das Planungsteam und die Ausführenden. Das Ziel, die Erweiterung möglichst unsichtbar und vor allem weitestgehend ohne Beschädigung der historischen Bausubstanz in das bestehende Ensemble einzubetten, ist aber dank enger Zusammenarbeit zwischen allen am Bau Beteiligten und der Denkmalschutzbehörde geglückt.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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