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TEC21 2010|11
Geodatenschatz
TEC21 2010|11
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Grünes Licht für die Geodaten-Autobahn

Für die Arbeit von Ingenieuren und Architektinnen sind Pläne, Karten oder digitale Geodaten essenziell. Das neue Geoinformationsgesetz des Bundes wird die Verfügbarkeit von Geodaten wesentlich verbessern. Sie sollen nach einheitlichen Standards verwaltet und über benutzerfreundliche, digitale Plattformen allen Interessierten zugänglich werden. Hilfreich wird insbesondere sein, dass die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen eines Grundstücks digital abrufbar werden.

12. März 2010 - Fridolin Wicki, René Sonney
Geoinformationen sind orts- und raumbezogene Daten. Sie beschreiben die Gegebenheiten eines Landes in Form von Koordinaten, Ortsnamen, Postadressen und anderen Angaben. In praktisch allen Lebensbereichen werden sie immer wichtiger. 60 bis 80 % aller politischen, wirtschaftlichen und privaten Entscheidungen haben einen räumlichen Bezug. Im Alltag greifen wir regelmässig auf Geoinformationen zu, oft ohne es zu realisieren, beispielsweise bei der Nutzung von Stadtplänen, Adressverzeichnissen oder Navigationssystemen. Geoinformationen sind auch eine unerlässliche Voraussetzung für eine gut funktionierende direkte Demokratie, für transparente und nachvollziehbare Entscheidungen und für den Einbezug der Bevölkerung in politische Geschäfte. Für eine nachhaltige Entwicklung sollten Planungen und Beschlüsse immer auch ihre räumlichen Auswirkungen reflektieren. Nur mit genauer Kenntnis des Raums, seiner Nutzung und Entwicklung lassen sich die Folgen von Entscheiden extrapolieren. Mit Geoinformationen können die vielfältigen sozialen, natürlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb eines geografisch definierten Gebietes realistisch nachgebildet und analysiert werden. Auch in der Privatwirtschaft sind Geoinformationen unentbehrlich: zum Beispiel im Marketing, in Logistik und Distribution, bei Investitionsentscheiden oder der Standortwahl.

Das enorme politische und volkswirtschaftliche Potenzial macht Geoinformationen zu einem erstrangigen Wirtschaftsgut von ähnlicher Bedeutung wie das Verkehrs- und Kommunikationsnetz oder die Energie- und Wasserversorgung.

Aufwendige Beschaffung von Plänen und Informationen

Im Bereich der Planung ist die Beschaffung von Geodaten oft mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Da muss der Plan beim Geometer bestellt, beim Grundbuchamt der Eigentümer abgeklärt, beim Raumplanungsamt die Bauzone notiert, der Bauabstand eingemessen, das Weg- und Durchleitungsrecht lokalisiert und die Grenze der Schutzzone übertragen werden. Vielleicht muss bei der Archäologie abgeklärt werden, ob das vermutete frühmittelalterliche Gräberfeld bis auf das Grundstück reicht. Unvermeidbar ist der Gang zu den Städtischen Werken und zum Betreiber von Gemeinschaftsantenne und Telefonnetz, wenn man vermeiden will, beim Bau ein Kabel durchzuschneiden. Wenn noch Drainageleitungen vermutet werden, ist auch noch ein Besuch beim Meliorationsamt fällig.

Auch in Verwaltungen wird heute noch ein Vielfaches an Zeit dafür aufgewendet, geeignete Geodaten zu suchen, zu lesen und zu verstehen, als dafür, sie wirklich einzusetzen. In der Bundesverwaltung bestehen Hunderte von verschiedenen Geodatensätzen – in digitaler oder teilweise noch analoger Form – aus Bereichen wie Topografie, Geologie, Bodenkunde, Gewässer, Luft, Klima, Flora und Fauna, Bevölkerung, Verkehr, Infrastruktur, Umwelt, Gesundheit, Wirtschaft, Raumplanung, Kunst und Kultur. Sie stammen aus unterschiedlichsten, nicht vereinbaren Quellen. Hinzu kommen unzählige kantonale und kommunale Datenbestände aus weiteren, nicht kompatiblen Informatikanwendungen.

Aufbau einer nationalen Geodaten-Infrastruktur

All diese Informationen wurden mit immensen Kosten erhoben, ihr Wert wird auf insgesamt 5 Milliarden Franken geschätzt. Doch um den Datenschatz zu heben, braucht es eine benutzerfreundliche, vernetzte und dezentrale Plattform, die jederzeit und überall einen raschen und kostengünstigen Zugang zu verlässlichen Geoinformationen gewährleistet – für die Verwaltung, für die Wirtschaft, für alle. Für eine effiziente Nutzung des Datenschatzes fehlte es bisher an einer gemeinsamen Politik auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene, an einheitlichen Standards und Technologien und oft auch am Bewusstsein für die Wichtigkeit von Geoinformationen.

2001 hat der Bundesrat aber nun eine «Strategie für Geoinformation beim Bund»[1] beschlossen und zwei Jahre später das zugehörige Umsetzungskonzept[2] verabschiedet. Ein wesentliches Ziel der Strategie ist, hochwertige Geoinformation für die Verwaltung, die Wirtschaft und Private besser verfügbar zu machen. Das Umsetzungskonzept sieht den Aufbau einer Nationalen Geodaten-Infrastruktur (NGDI) vor. Sie soll sicherstellen, dass die bestehenden, dezentral verwalteten Geodaten landesweit allen Interessierten einfach zugänglich werden, laufend aktualisiert, in der richtigen Qualität und zu angemessenen Kosten. Dazu sollen im Sinne einer Harmonisierung bundesrechtlich verbindliche Standards für die Erfassung, Modellierung und den Austausch von Geodaten festgelegt und modernste Technologien genutzt werden.

Koordination durch Netzwerk E-GEO.CH

Koordiniert und gesteuert wird der Aufbau der NGDI durch das Netzwerk e-geo.ch. Es vernetzt die im Bereich der Geoinformation tätigen Organisationen und Fachleute (Abb. 5). Trägerschaft von e-geo.ch sind der Bund (über die interdepartementale Koordinationsgruppe des Bundes für Geoinformation und Geoinformationssysteme [GKG-KOGIS]), die Kantone (vertreten durch die Konferenz der Kantonalen Geodaten-Koordinationsstellen und GIS-Fachstellen [KKGEO], die Konferenz der Kantonalen Vermessungsämter [KKVA] und die Kantonsplanerkonferenz [KPK]), die Gemeinden und Städte (vertreten durch den Gemeindeverband und den Städteverband) sowie die unter dem Dach der Schweizerischen Organisation für Geo-Information (SOGI) versammelten Vertreter der Privatwirtschaft, der Schulen und der nichtkantonalen Verbände.

Zu den Aufgaben von e-geo gehören (Abb. 6):

– Politisches Lobbying auf höchster Ebene
– Definition der grundlegenden Geoinformationen und -dienste, die von den Verwaltungen bereitzustellen und nachzuführen sind
– Festlegen der benötigten Metainformationen (vgl. Glossar S.18) und Gewährleistung der Nachführung
– Bestimmung und Aufbau der erforderlichen technischen Infrastruktur
– Erstellung bzw. Anpassung der rechtlichen Grundlagen
– Erarbeitung und Durchsetzung verbindlicher Standards für Metadaten, Modellierung und Datenaustausch
– Förderung der Aus- und Weiterbildung und der Forschung
– Entwicklung und Einführung einer gemeinsamen Tarifierungs- und Vertriebsstrategie

Erstes Land mit Geoinformationsgesetz

Den rechtlichen Rahmen für den Aufbau der NGDI bilden das Geoinformationsgesetz (GeoIG), das am 1. Juli 2008 in Kraft getreten ist, und seine Ausführungsverordnungen.[3] Die Schweiz ist das bisher einzige Land mit einem solchen Gesetz. Das GeoIG gilt für alle geografischen Daten, die im Rahmen des Vollzugs der vielen existierenden Gesetzgebungen des Bundes erhoben und verwaltet werden (Geobasisdaten des Bundesrechts). Eine vollständige Liste all dieser Geobasisdaten des Bundesrechts findet sich im Anhang zur Geoinformationsverordnung («Geobasisdatenkatalog»).

Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen

Mit dem GeoIG wurden auch die Grundlagen für den Kataster der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB)[4] geschaffen. Damit beschreitet die Schweiz Neuland. Wer in der Schweiz Land besitzt, muss sich bei dessen Nutzung an Rahmenbedingungen halten, die ihm der Gesetzgeber und die Behörden vorschreiben. Dabei sind eine Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Einschränkungen – die sogenannten öffentlich- rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB) – zu beachten. Die ÖREB haben sich seit dem Zweiten Weltkrieg sukzessive entwickelt. Während Grundeigentümer vorher in der Regel die volle Verfügungsgewalt über ihr Grundstück hatten, wurde das Grundeigentum danach zunehmend durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen eingeschränkt. Anfänglich waren dies vor allem Bauordnungen, später kamen laufend Beschränkungen aus anderen Bereichen (Raumplanung, Umweltschutz, Gewässerschutz usw.) hinzu, wodurch die Rechtssicherheit beim Grundeigentum reduziert wurde.Weil diese ÖREB nicht an einem Ort, sondern bei unterschiedlichen Behörden dokumentiert sind, braucht es heute einen zeitaufwendigen Gang von Amt zu Amt, um alle Eigentumsbeschränkungen eines bestimmten Grundstücks zu sammeln. Der neue Kataster wirkt dieser unbefriedigenden Situation entgegen, indem er einen wesentlichen Teil der ÖREB systematisch dokumentiert und zentral veröffentlicht. Der heutige, aus Grundbuch und amtlicher Vermessung bestehende privatrechtliche Grundeigentumskataster wird um den Bereich der ÖREB erweitert. Das erhöht die Rechtssicherheit beim Grundeigentum und im Hypothekenmarkt und vereinfacht die Informationsgewinnung wesentlich.

Eine ÖREB besteht aus Plan und Reglement. Im Plan wird festgelegt, für welches Gebiet eine bestimmte ÖREB (beispielsweise eine Nutzungszone) gilt. Im Reglement (beispielsweise im Baureglement der Gemeinde) wird definiert, was die Einschränkung umfasst und welche Auswirkungen sie hat. Diese Informationen werden künftig digital und analog erhältlich sein.

Einführung in zwei Etappen bis 2019

Bund und Kantone werden sich in die Führung des ÖREB-Katasters teilen und auch gemeinsam die Kosten tragen. Der Bund wird die strategische Ausrichtung festlegen und die minimalen Anforderungen an den Kataster bezüglich Organisation, Verwaltung, Harmonisierung, Datenqualität, Methoden und Abläufen bestimmen. Er hat die Oberaufsicht über den ÖREB-Kataster (wie auch über die amtliche Vermessung) an das Bundesamt für Landestopografie (swisstopo) delegiert. Die Kantone organisieren die Führung des Katasters und bestimmen die verantwortlichen Organe.

Der ÖREB-Kataster wird in zwei Etappen eingeführt: Bis 2015 werden zwei bis fünf Kantone, die bis Ende dieses Jahres bestimmt werden, den Kataster aufbauen. Die restlichen Kantone sollen von diesen Vorarbeiten profitieren und den Kataster anschliessend bis 2019 ebenfalls einführen.


Anmerkungen:
[01] Strategie für Geoinformation beim Bund, 15. Juni 2001 www.swisstopo.ch > Dokumentation > Publikationen > KOGIS
[02] Umsetzungskonzept zur Strategie für Geoinformation beim Bund, 16. Juni 2003 www.swisstopo.ch > Dokumentation > Publikationen > KOGIS
[03] Rechtliche Grundlagen inklusive die Gesetzesbotschaft und erläuternde Berichte zu den Verordnungen unter www.swisstopo.ch > über swisstopo > rechtliche Grundlagen. Der e-geo.ch-Newsletter Nr. 20 liefert wertvolle Zusatzinformationen (Bezug: www.e-geo.ch > Publikationen > Newsletter)
[04] Weitere Informationen zum ÖREB-Kataster: www.cadastre.ch, wo auch Publikumsbroschüren zum ÖREB-Kataster sowie zur amtlichen Vermessung erhätlich sind

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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