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TEC21 2010|11
Geodatenschatz
TEC21 2010|11
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Elektronische Nadel durch alle Pläne

Mit dem Darstellungsdienst GeoView.BL hat der Kanton Basel-Landschaft ein Instrument geschaffen, das Baubewilligungsverfahren erleichtert. Auch externe Planungs- und Beratungsfirmen sowie Private können es nutzen und über einen Downloaddienst die Geodaten auch direkt verarbeiten. Durch die Verbindung bestehender Informationen können ausserdem neue Geodaten erarbeitet werden, die beispielsweise die Bewilligung von Erdwärmesonden erleichtern.

12. März 2010 - Thomas Noack, Peter Jordan
Für Planende ist die Beschaffung von Plangrundlagen wie Grundbuchauszug, Werkplänen und Katasterplan ein aufwendiger und zeitraubender Prozess. Ebenso mühsam war diese Aufgabe für die Baubehörden, bis sie sich entschlossen, alle Richt-, Nutzungs-, Gestaltungsund Schutzpläne, alle Spezial-, Sonder- und Belastungszonen, alle Inventare und Kataster usw. in ein Geografisches Informationssystem (GIS) zu laden. Damit war der Traum von der elektronischen Nadel geboren, die durch alle Pläne sticht, keinen vergisst und zurückmeldet, welche Zonen betroffen und welche Auflagen und Nutzungsbeschränkungen zu berücksichtigen sind.

Erleichterte Suche nach einer Bauparzelle

Eine solche GIS-Infrastruktur hat zum Beispiel der Kanton Basel-Landschaft für die Aufgaben der kantonalen Verwaltung aufgebaut. Ein grosser Teil der hier zusammengetragenen Geobasisdaten (vgl. Glossar S.18) wird der Öffentlichkeit über das Geodatenportal des Kantons Basel-Landschaft im Internet[1] zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei auch um Kartenund Planwerke, die für Bürgerinnen, interessierte Architekten und Bauherrschaften bisher nur schwer zugänglich waren.

Die Grundlagen für diese Angebote bilden das kürzlich in Kraft getretene Geoinformationsgesetz (vgl. S.18), die grossen technischen Fortschritte der letzten Jahre und die konsequente Erhebung, Nachführung und Zusammenführung der Geobasisdaten. Die GIS-Fachstelle des Kantons Basel-Landschaft betreibt dazu eine umfangreiche zentrale Datenbank der kantonalen Geobasisdaten («Geodatawarehouse»), in der Daten aus den verschiedenen Fachbereichen mit einem einheitlichen Raumbezug gespeichert werden. Diese werden den Anwendern mittels Geodiensten bedürfnisgerecht zur Verfügung gestellt. Der Darstellungsdienst erlaubt zum Beispiel einfache Abfragen und räumliche Analysen, primär durch die Überlagerung verschiedener thematischer Karten, zum Beispiel für Standortevaluationen bei der Suche nach einer Bauparzelle (Abb. 1 bis 6). Mit diesem virtuellen Augenschein, dem Desktop Visiting, lassen sich diverse Vorabklärungen bequem zu Hause am Computer und dann auch gemeinsam mit dem Architekten oder der finanzierenden Bank durchführen.

Für die Suche nach einer geeigneten Bauparzelle müssen je nach den Ansprüchen der Bauherrschaft unterschiedliche Kriterien erfüllt sein. Eine umweltbewusste Bauherrschaft wird sich für die Anschlussmöglichkeit an ein Fernwärmenetz oder die Nutzungsmöglichkeit von Erdwärme interessieren. Pendler werden die Qualität der Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr hoch gewichten, Eltern die Distanz zur nächsten Schule. Das Geodatenportal erspart nicht nur die Beschaffung und laufende Aktualisierung eines grösseren Kartenwerks im eigenen Büro, sondern ermöglicht auch, die geforderten Grundlagen zu einem Baugesuch einfach zusammenzustellen. Die gesicherte Herkunft der Informationen und die einheitliche Darstellung schaffen Vertrauen und erleichtern das Bewilligungsprozedere.

Vorderhand haben die zur Verfügung gestellten Daten allerdings erst informativen Charakter. Teilweise sind die Angaben auch noch nicht vollständig. Gewisse Daten stehen zudem noch nicht zur Verfügung. Deshalb empfiehlt es sich, vor der Eingabe eines Baugesuchs noch die rechtsgültigen Pläne und Texte zu konsultieren, die bis heute nur in Papierform vorliegen. Mit der Einführung des Katasters der öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkungen (ÖREB) (vgl. S. 18 ff.) in den kommenden Jahren soll die Rechtssicherheit verbessert werden, sodass die elektronischen Angaben auch einen verbindlichen Charakter erhalten.

Vereinfachte Beurteilung von Baugesuchen

Ist eine Parzelle gefunden, bietet ein System wie die verwaltungsinterne Version des Darstellungsdienstes GeoView.BL diverse weitere Hilfestellungen an, die sich konsequent bis zur Beurteilung des Baugesuchs durch die Behörden weiterziehen. Mittels «Nadelstichen» durch die zur Verfügung gestellten Informationsebenen am Ort des Bauvorhabens lassen sich sehr viele für die Detailplanung eines Neubaus wesentliche Informationen am Computer ausfindig machen: die relevante Nutzungszone, überlagerte Schutzzonen, Angaben zum Grundwasserschutz und zur Altlastensituation, die Grösse der Parzelle usw. Indem zusätzliche Datenebenen eingeblendet werden, lassen sich weitere wichtige Angaben finden wie Baulinien oder die Lärmbelastungsstufe entlang von Hauptstrassen (Abb. 8 bis 10). Die in GeoView.BL eingebaute Druckfunktion erlaubt die projektbezogene Zusammenstellung dieser Karten als datierbare, herunterladbare pdf-Dateien. Schliesslich können Bauherrschaften, Architekten, Planerinnen und weitere Interessierte die relevanten Geodaten in gängigen GIS- und CAD-Formaten zur weiteren Bearbeitung mit dem Downloaddienst GeoShop.BL gratis und direkt beziehen.[2]

Ist ein Baugesuch einmal eingereicht, werden die gleichen Daten aus dem zentralen Geodatawarehouse innerhalb der Verwaltung für die Prüfung des Baugesuchs eingesetzt. Hierzu arbeitet die von der Informatikabteilung der Bau- und Umweltschutzdirektion entwickelte Baugesuchssoftware über räumliche Datenbankabfragen und Applets mit der Datenbank der Geodaten zusammen.

In einem ersten Arbeitsschritt wird das Baugesuch durch die Mitarbeitenden des Bauinspektorates georefenziert und seine Lage in GeoView.BL publiziert. Zusätzlich wird der von der Bauherrschaft eingereichte Situationsplan eingescannt, georeferenziert und ebenfalls in GeoView.Bl publiziert. Dann erfolgt die Verteilung der Baugesuche an die zuständigen Fachstellen der Verwaltung zur Stellungnahme, und zwar teilweise automatisiert nach definierten Kriterien über eine räumliche Abfrage beim zentralen Geodatawarehouse. Über räumliche Abfragen beim Geodatawarehouse werden dann den Sachbearbeitenden in der Baugesuchssoftware automatisch raumbezogene Informationen zur Verfügung gestellt. Sie wissen so zum Beispiel, in welcher Nutzungszone sich das Baugesuch befindet, welches die letzte Zonenplanmutation an diesem Ort war oder ob sich in der Nähe ein denkmalgeschütztes Objekt befindet, das für die Beurteilung relevant sein könnte.

Somit haben die am Baugesuchsverfahren beteiligten Fachstellen alle für die Beurteilung relevanten Geoinformationen über die Baugesuchsapplikation und den Darstellungsdienst GeoView.BL an ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung. Damit entfällt eine aufwendige Suche nach aktuellen Grundlagendaten. Dank den definierten Kriterien erfolgt die automatische Steuerung der Baugesuche zur Stellungnahme an die zuständigen Fachstellen sehr effizient und zuverlässig. Ausserdem kann die Software automatisch Hinweise geben, zum Beispiel auf die Anschlussmöglichkeit an ein Fernwärmenetz, wenn das Baugesuch innerhalb des Perimeters eines Wärmeverbundes liegt.Rohdaten für analysen und auswertungen Bei den bisher vorgestellten Anwendungen handelt es sich vorwiegend um die Konsultation und den Vergleich bereits erfasster Daten mittels Darstellungsdiensten. Ein zunehmend wichtiger Bereich der Arbeit mit Geodaten ist aber die Verwendung der Rohdaten für spezifische und komplexe Analysen oder zur Erarbeitung neuer Geodaten. Die Darstellungsdienste der kantonalen oder der Bundesportale ermöglichen zwar teilweise einfache Auswertungen wie spezifische Flächenverschnitte, lassen aber meist nur die Überlagerung und den Vergleich eines eingeschränkten Satzes von Geodaten zu.

Wie im Gesetz über die Geoinformation vorgesehen, bieten heute bereits verschiedene Kantone über ihre Geoportale mit einem Downloaddienst ihre Geodaten frei oder gegen Gebühr zum Download an. Bereits weit verbreitet ist das bei Daten der amtlichen Vermessung. Im Angebot befinden sich aber auch Daten zu Planungs-, Umwelt- und Infrastrukturthemen. Mit diesen Rohdaten und den Entwicklungen der kommerziellen GIS-Programme ergeben sich viel weitergehende Möglichkeiten für Auswertungen und räumliche Analysen. Auch komplexe Berechnungen bis in den 3D-Bereich sind möglich.

Zulässige Länge von Erdwärmesonden einfacher bestimmen

Ein Beispiel sind Erdwärmesonden-Karten. Die Zulässigkeit von Erdwärmesonden (EWS) richtet sich nach verschiedenen Kriterien (Abb. 11). So wird unter anderem verlangt, dass auch tief liegende, nutzbare Grundwasservorkommen durch EWS nicht beeinträchtigt werden. Es handelt sich dabei oft um Karstgrundwasserleiter, d.h. höhlenreiche Kalkgesteinsformationen, die in der Schweiz für die Speisung bedeutender Thermal-, verschiedener Mineral- und vieler öffentlicher Trinkwasserquellen verantwortlich sind.

Bevor Geodaten und Geografische Informationssysteme verfügbar waren, war der Einbezug der Karstgrundwasserleiter in EWS-Karten sehr aufwendig und auch fehleranfällig, da kleinräumige Variationen in der Tiefenlage der Kalkgesteinsformationen nur beschränkt erfasst werden konnten. Die Erstellung und elektronische Verarbeitung von Höhenmodellen hat hier zu einem entscheidenden Durchbruch geführt.

Da EWS-Karten zudem viele extern festgelegte Elemente wie den Kataster der belasteten Standorte oder die Naturgefahrenkarte berücksichtigen, die jeweils unterschiedlichen Überarbeitungsrhythmen unterworfen sind, drohen sie rasch zu veralten, wenn neue oder revidierte Daten vorliegen. In jüngsten Ansätzen wird deshalb der Ersatz der klassischen Karten durch EWS-Applikationen angestrebt, in welchen für jedes einzelne Gesuch ein Nadelstich durch alle relevanten Themen gemacht wird. So ist nicht nur garantiert, dass jeweils die aktuelle und rechtsgültige Situation der planerischen Ebenen berücksichtigt wird. Vielmehr kann auch die maximal zulässige Sondenlänge individuell festgelegt werden. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wäre zum Beispiel ein «intelligentes» Baugesuchsportal im Internet, das mit Hilfe regelbasierter automatisierter Plausibilitätskontrollen und räumlicher Abfragen schon bei der Eingabe des Baugesuchs Hinweise auf die Bewilligungsfähigkeit liefern würde.

Das immer dringendere Postulat, unseren Lebensraum nachhaltig zu nutzen, und die zunehmende Vielfalt an Nutzungsansprüchen lässt den Geobezug der einzelnen Fachdisziplinen immer wichtiger werden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit muss in Richtung einer integralen Raumwissenschaft gefördert werden. Geodaten und Geografische Informationssysteme sind dabei wichtige Hilfsmittel. Von ihren Nutzern werden aber nicht nur technische Kenntnisse, sondern auch vernetztes Fachwissen, Raum- und methodisches Verständnis verlangt. Hier öffnen sich für Fachleute und spezialisierte Firmen in der Schweiz und weltweit Erfolg versprechende Entwicklungsperspektiven.


Anmerkungen:
[01] www.geo.bl.ch
[02] Im Geoportal des Kantons Basel-Landschaft ab 1. April 2010 öffentlich zugänglich

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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